| # taz.de -- Kolumne Gott und die Welt: Ein Minimum an Distanz | |
| > Aus einer „Studienstelle Israel“ soll eine Professur werden. Dann | |
| > passiert – nichts. Die Universität Mainz verspielt ihren guten Ruf. | |
| Bild: Auf „Soziologie der Ethnizität und Migration mit dem Schwerpunkt Israe… | |
| Man muss kein Freund der [1][verbrecherisch dummen Siedlungspolitik] | |
| israelischer Regierungen sein, um einen jetzt bekannt werdenden Vorgang an | |
| der Universität Mainz befremdlich zu finden. An dieser Bildungsinstitution | |
| sollte anlässlich von fünfzig Jahren deutsch-israelischer Beziehungen eine | |
| schon seit Längerem bestehende „Studienstelle Israel“ in eine ordentliche | |
| Professur umgewandelt werden. | |
| Die Studienstelle war bei den Politikwissenschaften angesiedelt und wurde | |
| bis zu dessen Pensionierung von dem bestens ausgewiesenen Oberstudienrat | |
| Alfred Wittstock geführt. Die neue Professur wurde ans Institut für | |
| Soziologie verlegt; sie sollte der „Soziologie der Ethnizität und Migration | |
| mit dem Schwerpunkt Israel/Naher Osten“ gewidmet sein. Im Juli wurde die | |
| Stelle öffentlich ausgeschrieben: | |
| „Die Professur forscht und lehrt im Bereich der Ethnizitäts- und | |
| Migrationssoziologie mit dem regionalen Schwerpunkt der | |
| Gegenwartsgesellschaften Israels und seiner Nachbarn. Von den Bewerberinnen | |
| und Bewerbern werden neben profunden theoretischen und methodischen | |
| Kompetenzen empirische Kenntnisse der kulturellen Vielfalt, der | |
| politischen Konflikte und der Migrationsbewegungen in dieser Region | |
| erwartet. Erwünscht ist zudem ein Forschungsinteresse an den jüngeren | |
| Zuwanderungen aus dem Nahen Osten nach Europa.“ | |
| Es ging also nicht, wie manche wünschten, um „Israelkunde“, sondern um | |
| Forschung zu einem Krisengebiet, das aus historischen und aktuellen Gründen | |
| die deutsche Öffentlichkeit noch auf Jahre hinaus beschäftigen wird. Eine | |
| Berufungskommission wurde konstituiert, qualifizierte ForscherInnen | |
| bewarben sich, es fanden Anhörungen statt. Doch dann wurde das Verfahren, | |
| wie der Autor dieser Zeilen schon vor Wochen am Rande erfuhr, sang- und | |
| klanglos eingestellt. Gegen jeden guten akademischen Brauch und wider alle | |
| Regeln der Höflichkeit wurden die BewerberInnen davon bis Montag nicht | |
| informiert. | |
| Zu diesem brüskierenden Vorgang wollten nach Auskunft der Jüdischen | |
| Allgemeinen Wochenzeitung weder die Landesregierung noch die Universität | |
| selbst Stellung nehmen. Die Hochschulgruppe der Deutsch-Israelischen | |
| Gesellschaft, mehr oder minder „antideutsch“ eingestellt, behauptete jedoch | |
| in rufschädigender Weise, dass sich dort Personen beworben hätten, „die | |
| selbst zu Israel keinen fachlichen Bezug haben […], sondern Israel | |
| lediglich als Beispiel benutzen wollen“. Eine Aussage, die angesichts der | |
| Liste der eingeladenen Bewerberinnen schlicht und ergreifend unwahr, also | |
| eine Lüge ist. | |
| ## Wie steht man so zu BDS? | |
| In der Berufungskommission wiederum wirkte Günter Meyer mit. Der | |
| Geografie-Professor hatte sich vor einigen Jahren geweigert, einen | |
| israelischen Kollegen zu einer Konferenz einzuladen, weil dieser am College | |
| Ariel im besetzten Westjordanland lehrt. Meyer macht die USA für den | |
| syrischen Bürgerkrieg verantwortlich. Er fiel während der Anhörungen | |
| dadurch auf, dass er Vortragende nach ihrer Haltung zu BDS, also zur | |
| Boykottbewegung gegen Israel befragte. | |
| Das ist keine zentrale Frage für das Themenfeld „Soziologie der Ethnizität | |
| und Migration mit dem Schwerpunkt Israel/Naher Osten“ und beweist, dass es | |
| hierzulande schwer zu sein scheint, eine möglichst distanzierte, | |
| wissenschaftliche Haltung zu diesem Thema einzunehmen. Es sollte auch bei | |
| politisch stark vorbelasteten Themen ein Minimum an Distanz eingehalten | |
| werden. | |
| Die Anhörung für BewerberInnen fand an einem Samstag statt, womit orthodoxe | |
| jüdische BewerberInnen von vornherein ausgeschlossen waren – ein klarer, | |
| verfassungswidriger Fall religiöser Diskriminierung. | |
| Bei allem Respekt vor dem grundgesetzlich verankerten Prinzip der | |
| Wissenschaftsfreiheit fragt sich daher, warum die alles in allem ordentlich | |
| arbeitende Landesregierung von Malu Dreyer, einer Hoffnungsträgerin der | |
| SPD, diesen Vorgängen einfach zuschaut. Immerhin wird die Universität Mainz | |
| aus den Steuergeldern der rheinland-pfälzischen Bürgerinnen bezahlt; | |
| immerhin ist es in einer Zeit, in der sich sogar die AfD ideologisch über | |
| Israel auseinandersetzt, dringend geboten, das Land und die es umgebende | |
| Region wissenschaftlich, das heißt „faktisch“, also nüchtern zu erforsche… | |
| um so der Öffentlichkeit eine angemessene Urteilsfindung zu ermöglichen. | |
| Mit akademischen Intrigen verspielt die Universität Mainz ihren guten Ruf, | |
| das Land Rheinland-Pfalz sein mühsam wiedergewonnenes Ansehen. | |
| 7 Feb 2017 | |
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| ## AUTOREN | |
| Micha Brumlik | |
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