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# taz.de -- Palästinensischer Krimi zu kritisch: Der Autor auf der Fahndungsli…
> Weil die Lebensweise der Hauptdarsteller von konservativen Werten
> abweicht, wird nun der Autor per Haftbefehl gesucht.
Bild: Die Aufgabe eines Schriftstellers „in unserem besetzten Land“ sei es,…
Ramallah ap | Abbad Jahja war gerade in Katar, als die Aufregung losbrach.
Dort sitzt er nun fest. In seine Heimat kann der Palästinenser vorerst
nicht zurück. Grund dafür ist sein neuestes Buch: „Verbrechen in Ramallah�…
Die Handlung berührt gleich mehrere Tabus der arabischen Gesellschaft, zum
Teil in freizügiger Sprache. Das wollten die Behörden des Westjordanlandes
nicht hinnehmen – sie ließen alle Exemplare des Werks beschlagnahmen und
setzten den Schriftsteller auf die Fahndungsliste.
„Ich weiß nicht, was ich tun soll. Wenn ich zurückkehre, werde ich
verhaftet“, sagt der 29-Jährige. In der katarischen Hauptstadt Doha wolle
er auf Dauer aber auch nicht bleiben. „Ich kann nicht so weit weg von
meiner Heimat und von meiner Familie sein.“ In seiner Heimat muss er
derzeit aber nicht nur die Polizei fürchten. Wegen seines von vielen als
provokant empfundenen Buches schlägt ihm dort auch heftige Kritik entgegen,
im Internet wird er sogar offen bedroht.
Die Roman-Handlung kreist um das Leben von drei jungen Männern, die in der
palästinensischen Stadt Ramallah in einer Bar arbeiten. Einer von ihnen ist
schwul. Als in der Bar eine junge Frau ermordet wird, nimmt die Polizei
zunächst ihn in Gewahrsam, um ihn zu befragen. Schnell ist klar, dass er
mit dem Verbrechen nichts zu tun hat. Trotzdem wird er von den Beamten
geschlagen und gedemütigt, nur weil er schwul ist. Am Ende der Story
wandert er nach Frankreich aus.
Der zweite junge Mann bekommt zunächst einmal Ärger mit seiner
konservativen Familie – erst im Zuge der Ermittlungen erfährt diese, dass
er in einer Bar arbeitet, in der es Alkohol gibt. Im Laufe der Geschichte
entwickelt er sich dann zu einem religiösen Extremisten. Der dritte Mann
war der Freund der ermordeten Frau und zugleich Zeuge der Tat. Wie gelähmt
hatte er nicht gewusst, ob er den Täter verfolgen oder seiner sterbenden
Freundin helfen sollte. Die Sache nimmt ihn so sehr mit, dass er sich am
Ende selbst umbringt.
## Offene Gesellschaftskritik
Die Vertreter der palästinensischen Autonomiebehörde werden überwiegend als
unfähig dargestellt. Indirekt ist das Buch damit also durchaus politisch,
vor allem aber gesellschaftskritisch. „Wie alle Gesellschaften in der
Region, hat auch unsere mit zunehmendem Fanatismus und Extremismus zu
kämpfen, während gleichzeitig konservative Werte gepredigt werden“, sagt
der Autor. „Diese Trends zeigen sich im Alltag in einer Mischung aus
religiösen und nationalistischen Parolen.“
Eine so offene Gesellschaftskritik, wie in „Verbrechen in Ramallah“, ist
für den palästinensischen Literaturbetrieb ungewöhnlich. Auch von Kollegen
muss sich Jahja daher Vorwürfe anhören. Der 29-Jährige sei zu weit
gegangen, habe zu viele rote Linien überschritten, sagt der
Literaturprofessor Adel Osta. „Der Roman lässt die palästinensischen
Behörden in einem schlechten Licht erscheinen und es werden ungewöhnliche
sexuelle Wörter verwendet.“
Der Leiter des palästinensischen Autorenverbandes, Murad Sudani, nannte das
Buch einen „dummen Roman, der die nationalen und religiösen Werte der
Gesellschaft verletzt, nur um dem Westen zu gefallen und Preise zu
gewinnen“. Die Aufgabe eines Schriftstellers „in unserem besetzten Land“
sei es, den Lesern Hoffnung zu vermitteln. „Meine Freiheit als Autor endet
da, wo die Freiheit des Landes beeinträchtigt wird“, sagt Sudani.
Im Internet geht die Kritik zum Teil noch deutlich weiter. Auf einer
Facebook-Seite schrieb ein Palästinenser mit dem Nutzernamen Ghassan
Chader, Jahja „sollte getötet, verhaftet oder des Landes verwiesen werden“.
Der Facebook-Nutzer Hussein Mihjar lobte auf einer Online-Präsenz der
palästinensischen Justizbehörden das Verbot. „Dieses Buch dient der
israelischen Besatzung und zerstört unsere junge Generation“, schrieb
Mihjar.
## Bestände von der Polizei konfisziert
Die Verkäufe des Buches erlebten wegen des Skandals einen – wenn auch
kurzweiligen – Schub. Der Besitzer einer Buchhandlung in Ramallah sagt, er
hätte in den ersten zwei Monaten nach der Veröffentlichung etwa zehn
Exemplare verkauft. An dem Tag, an dem das Verbot ausgesprochen worden sei,
habe er dann gleich 17 Stück verkauft. Kurz darauf sei jedoch die Polizei
gekommen und habe die verbleibenden Bestände konfisziert.
Die Aktion der Behörden richtete sich zunächst auch gegen Fuad Akleek, der
für den Vertrieb des Buches zuständig war. Er sei „in einer sehr
erniedrigenden Art“ in einem Buchladen festgenommen worden, sagt Akleek.
Die Polizei habe ihn gepackt und in ein Auto gezerrt, ohne einen Haftbefehl
vorzulegen. Sechs Stunden sei er dann eingesperrt gewesen – bis schließlich
der palästinensische Kulturminister Ehab Bsaiso interveniert und seine
Freilassung veranlasst habe.
Nach Angaben Akleeks wurden insgesamt etwa 500 Exemplare von „Verbrechen in
Ramallah“ aus palästinensischen Buchhandlungen und weitere 500 aus
Bibliotheken entfernt. Bsaiso hat seinen Kollegen im Justizministerium
inzwischen allerdings aufgefordert, des Verbot wieder aufzuheben und den
Haftbefehl gegen Jahja zurückzunehmen. „Ein Buch zu verkaufen, ist kein
Verbrechen“, sagt Akleek. „Das Urteil über einen Roman und dessen Autor
fällt der Leser.“
11 Feb 2017
## AUTOREN
Mohammed Daraghmeh
## TAGS
Ramallah
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Literatur
Israel
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