# taz.de -- Nach dem Putschversuch in der Türkei: Entzug der Staatsbürgerscha… | |
> Verdächtige setzten sich ins Ausland ab, andere kehrten trotz | |
> Aufforderung der Regierung nicht zurück. Ihnen droht nun eine drastische | |
> Maßnahme. | |
Bild: Seit Verhängung des Ausnahmezustands kann Staatspräsident Recep Tayyip … | |
ISTANBUL dpa | Die türkische Regierung hat per Dekret erneut Tausende | |
Staatsbedienstete entlassen und kann Verdächtigen im Ausland nun unter | |
bestimmten Bedingungen die Staatsbürgerschaft entziehen. Nach den in der | |
Nacht zu Samstag veröffentlichten Notstandsdekreten kann das Kabinett | |
Türken im Ausland, die bestimmter schwerer Straftaten beschuldigt werden | |
und trotz Aufforderung nicht innerhalb von drei Monaten zurückkehren, die | |
Staatsbürgerschaft aberkennen. Zu diesen Straftaten zählen unter anderem | |
Putschversuche wie der im vergangenen Juli oder die Gründung bewaffneter | |
Organisationen. | |
Die Regierung macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für | |
den Umsturzversuch von Mitte Juli verantwortlich, in dessen Folge der | |
Ausnahmezustand verhängt wurde. Danach hatten zahlreiche Staatsbedienstete | |
im Ausland, die verdächtigt wurden, Verbindungen zur Gülen-Bewegung zu | |
haben, der Aufforderung der Regierung zur Rückkehr in die Türkei nicht | |
Folge geleistet. Darunter sollen Diplomaten und Nato-Offiziere gewesen | |
sein. Andere Verdächtige setzten sich nach der Niederschlagung des Putsches | |
ins Ausland ab. | |
Per Notstandsdekret wurden in der Nacht zum Samstag außerdem die Befugnisse | |
der Polizei für Ermittlungen bei Straftaten im Internet ausgeweitet. Zudem | |
wurden 83 Vereinigungen geschlossen. | |
Außerdem wurden insgesamt 8.400 Staatsbedienstete entlassen. Darunter sind | |
2.687 Polizisten, 1.699 Mitarbeiter des Justizministeriums und 841 | |
Angehörige der Streitkräfte oder des Verteidigungsministeriums. Außerdem | |
verloren 631 Akademiker und 155 Verwaltungsangestellte an Universitäten | |
ihren Job. Unter den zahlreichen weiteren von Entlassungen betroffenen | |
Behörden sind auch die Religionsbehörde und das Presseamt. | |
## An den Pranger gestellt | |
Die von den Ministerien und Behörden entlassenen Staatsbediensteten wurden | |
in Anhängen zu dem Dekret erneut mit ihrem Namen und Dienstort benannt. | |
Diese Praxis ist hoch umstritten, da die Betroffenen damit öffentlich an | |
den Pranger gestellt werden, ohne jemals von einem Gericht verurteilt | |
worden zu sein. | |
Seit Beginn des Ausnahmezustands am 21. Juli wurden Zehntausende zivile | |
Staatsbedienstete und Angehörige der Sicherheitskräfte entlassen, Tausende | |
weitere wurden suspendiert. Den meisten werden Verbindungen zur | |
Gülen-Bewegung vorgeworfen. Ein Bruchteil davon wurde später wieder | |
eingestellt, weil sich die Vorwürfe nicht bewahrheiteten. Nach Angaben der | |
staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu sitzen im Zusammenhang mit dem | |
Putschversuch mehr als 41 000 Verdächtige in Untersuchungshaft. Viele | |
Medien wurden geschlossen. | |
Das türkische Parlament hatte den Ausnahmezustand in der Nacht zum | |
Donnerstag bis zum 19. April verlängert. Die Regierung begründete den | |
Antrag unter anderem mit anhaltenden terroristischen Angriffen. In der | |
Türkei wird die Gülen-Bewegung als Terrororganisation eingestuft. | |
Die Türkei ist in den vergangenen Monaten von einer ganzen Anzahl schwerer | |
Terrorangriffe erschüttert worden. In der Silvesternacht hatte ein | |
Angreifer in einem Club in Istanbul 39 Menschen getötet. Die Terrormiliz | |
Islamischer Staat (IS) reklamierte die Tat für sich. Der Angreifer ist | |
weiterhin nicht gefasst worden. Am Donnerstag kam es zu einem Anschlag in | |
Izmir, für den die Regierung die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK | |
verantwortlich macht. | |
Seit Verhängung des Ausnahmezustands kann Staatspräsident Recep Tayyip | |
Erdogan weitgehend per Dekret regieren. Die Dekrete haben Gesetzeskraft und | |
gelten ab ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt. Das Parlament muss sie nur | |
nachträglich bestätigen. | |
7 Jan 2017 | |
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