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# taz.de -- Gefängnisaufstand in Brasilien: 56 Tote bei Revolte
> Nach einer blutigen Auseinandersetzung zwischen verfeindeten Banden sind
> 144 Häftlinge flüchtig. Die brasilianischen Gefängnisse sind mehr als
> überfüllt.
Bild: Verwandte der Insassen warten vor dem Anisio-Jobim-Gefängnis in Manaus
Manaus/Brasilia afp/dpa/rtr | Bei einer der weltweit schlimmsten
Gefängnisrevolten der vergangenen Jahre sind in einer brasilianischen
Haftanstalt 56 Menschen getötet worden. Viele Opfer seien bei den
17-stündigen Kämpfen zwischen rivalisierenden Banden geköpft worden,
teilten Vertreter der Sicherheitsbehörden des nordbrasilianischen
Bundesstaates Amazonas mit. Zwölf Aufseher des Anisio-Jobim-Gefängnisses am
Rande von Manaus seien zwischenzeitlich als Geiseln genommen worden. Mehr
als 140 Häftlinge sind auf der Flucht.
Es handele sich um „das größte Blutbad, das in einem Gefängnis im Amazonas
begangen wurde“, sagte der Sicherheitschef des gleichnamigen Bundesstaats,
Sergio Fontes. „Viele wurden geköpft und alle haben viel Gewalt erlitten“.
Zunächst hatten die Behörden sogar von 60 Toten gesprochen, später
korrigierten sie die Opferzahl aber nach unten.
Während der Verhandlungen über die Freilassung der zwölf gefangengenommenen
Wärter hätten die aufständischen Häftlinge „praktisch nichts gefordert“,
sagte Fontes dem Radiosender Tiradentes. Sie hätten nur verlangt, dass die
Polizei nicht mit exzessiver Gewalt die besetzten Räume stürmt. „Wir
glauben, dass sie schon getan hatten, was sie wollten: Mitglieder der
rivalisierenden Organisation töten und die Garantie bekommen, dass sie von
der Polizei nicht angegriffen werden“, sagte Fontes.
Laut Fontes hatten sich die zwei Kriminellenbanden Primeiro Comando da
Capital (PCC) aus São Paulo und der örtlichen Bande Família do Norte (FDN)
von Sonntagnachmittag bis Montagmorgen (Ortszeit) in dem Gefängnis
bekämpft. Nach 17 Stunden hätten die Behörden die Lage unter Kontrolle
gebracht. 16 Fluchttunnel seien entdeckt worden.
Ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP sah blutüberströmte und verbrannte
Leichen, die in einem betonierten Hof des Gefängnisses übereinander
gestapelt lagen. Schwer bewaffnete Polizisten suchten nach entflohenen
Häftlingen.
112 Insassen des Anisio-Jobim-Gefängnisses hatten das Chaos nach Angaben
der Behörden zur Flucht genutzt. Kurz zuvor waren bereits 72 weitere
Straftäter aus einer benachbarten Haftanstalt ausgebrochen. Nur insgesamt
40 Entflohene konnten nach Behördenangaben zunächst gefasst werden. Auch in
einem dritten Gefängnis in unmittelbarer Nähe gab es einen Aufstand, diesen
unterdrückten die Sicherheitskräfte allerdings rasch. Die drei Revolten
waren nach Regierungsangaben koordiniert.
Als Reaktion auf die Gefängnisrevolte sind Berichten zufolge knapp 130
Häftlinge mit Verbindungen zu einer der beteiligten Banden in eine andere
Anstalt verlegt worden. Sie hätten Todesdrohungen erhalten und seien in ein
Gefängnis im Zentrum der nordbrasilianischen Stadt Manaus gebracht worden,
das erst im Oktober geschlossen worden sei, berichtete das Portal „O Globo“
am Montagabend (Ortszeit).
## Die Gefängnisse sind mehr als überfüllt
Aufstände und Kämpfe kommen in den überfüllten brasilianischen Gefängnissen
häufig vor, oft werden Haftanstalten faktisch von Drogenbanden
kontrolliert. Erst im Oktober waren bei Auseinandersetzungen zwischen der
PCC und der Bande Comando Vermelho in drei brasilianischen Gefängnissen
insgesamt 33 Menschen getötet worden.
Ende 2014 gab es in Brasilien einem Bericht des Justizministeriums zufolge
622.000 Gefangene. Brasilien hat weltweit die viertgrößte
Gefangenenpopulation nach den USA, China und Russland.
Menschenrechtsorganisationen kritisieren seit Jahren die Zustände in den
brasilianischen Haftanstalten. Im Bundesstaat Amazonas sind die Zustände
laut einem Bericht des Justizministeriums besonders schlimm: Während im
Landesdurchschnitt 1,67 Häftlinge auf einen Haftplatz kommen, sind es dort
2,59 Häftlinge. Das Anisio Jobim Gefängnis in Manaus ist für 590 Gefangene
ausgelegt. Derzeit sitzen in dem Komplex jedoch 2230 Häftlinge ein.
Auch in anderen lateinamerikanischen Ländern kommen Gefängnisrevolten
häufig vor. Bei einer der schwersten in den vergangenen Jahren waren im
Januar 2013 im venezolanischen Uribana 58 Menschen getötet worden. Die
Gefängnisrevolte in Manaus war die schwerste in Brasilien seit einem
Blutbad im Gefängnis Carandiru, bei dem 1992 in São Paulo 111 Menschen
getötet worden waren.
3 Jan 2017
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WM 2014
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