| # taz.de -- Kriminalroman aus Pakistan: Im Netz der Korruption | |
| > In „Der Gefangene“ schildert Omar Shahid Hamid die Vetternwirtschaft in | |
| > Pakistan. Ein Dschungel, in dem man sich leicht verliert. | |
| Bild: Wer in die Hände der Polizei fällt, ist korrupten Strukturen ausgeliefe… | |
| Erführte sie zu einem kleinen Raum im zweiten Stock der Polizeistation. | |
| Darin standen ein Tisch und ein paar Stühle, sowie zwei Haken an der Wand, | |
| an denen man einen Verdächtigen kopfüber aufhängen konnte. Die Wände waren | |
| dick, und das Zimmer hatte keine Fenster.“ So lakonisch beschreibt Omar | |
| Shahid Hamid das Verhörzimmer, in das die Protagonisten seines Romans „Der | |
| Gefangene“ einen Verdächtigen führen. Die genannten zwei Haken an der Wand | |
| werden im Laufe des Verhörs reichlich zum Einsatz kommen, doch erfolglos. | |
| Der Gefolterte bewahrt eisernes Schweigen. | |
| Der Autor wiederum beschreibt mit der Folterung vermutlich eine Szene, wie | |
| er sie real miterlebt hat, denn er arbeitet selbst als leitender | |
| Polizeibeamter in Karachi. „Der Gefangene“ sowie ein weiterer Roman | |
| entstanden in einer fünfjährigen Phase, in der er den Dienst quittiert | |
| hatte, da er auf einer Todesliste der Taliban stand. Erst seit ein paar | |
| Monaten ist Hamid wieder im Dienst – in der Antiterrorismusabteilung. | |
| Dieser Hintergrund macht diesen Roman zu einer beklemmenden Lektüre. Hamid | |
| greift darin in fiktionalisierter Form den spektakulären Fall des | |
| amerikanischen Journalisten Daniel Pearl auf, der 2002 von den Taliban | |
| entführt und ermordet wurde. Auch in „Der Gefangene“ steht die Entführung | |
| eines amerikanischen Journalisten im Zentrum der Handlung, doch der im | |
| Titel genannte „Gefangene“, um den es eigentlich geht, ist ein anderer: Der | |
| einst einflussreiche, hoch verdiente Polizeibeamte Akbar Khan sitzt seit | |
| Jahren im Gefängnis – in einem Gefängnis, dem sein früherer Kollege und | |
| Freund Constantine D’Souza als Direktor vorsteht. | |
| D’Souza, als Christ mit familiären Wurzeln im indischen Goa gewissermaßen | |
| ein Außenseiter in der pakistanischen Gesellschaft, ist das personelle | |
| Zentrum des Romans, die Figur, durch deren Augen die Handlung verfolgt | |
| wird. Als ein Geheimdienstoffizier in seinem Gefängnis erscheint und mit | |
| dem Gefangenen Akbar Khan sprechen will, um Informationen im Fall des | |
| entführten Amerikaners zu erhalten, stellt sich verblüffenderweise heraus, | |
| dass dieser tatsächlich über geheime Informationskanäle zur Außenwelt | |
| verfügen muss. | |
| D’Souza wiederum, der sich als Gefängnisdirektor eigentlich aus jeglicher | |
| Schusslinie hatte bringen wollen (und eine ordentliche Stange Geld für | |
| seinen Posten bezahlt hat), steht plötzlich wieder mitten im Zentrum eines | |
| Geschehens, das unübersichtlich und bedrohlich zu werden verspricht und | |
| überdies ungute Querverbindungen zu jenen Ereignissen aufweist, die vor | |
| Jahren dazu führten, dass Akbar Khan im Gefängnis landete. | |
| Für pakistanische Leser, so ist im Nachwort zu erfahren, sei „Der | |
| Gefangene“ in vielerlei Hinsicht ein Schlüsselroman, so deutlich seien | |
| manche Bezüge zu realen Personen aus Politik und Polizei. Wenn man | |
| allerdings nicht über den Vorteil verfügt, diese Bezüge herstellen zu | |
| können, kann „Der Gefangene“ mitunter recht schwer überschaubar werden. Es | |
| ist ein wahrer Dschungel von Korruption, Gewalt, Vetternwirtschaft und | |
| komplexen Interessensausgleichen, den Hamid da vorführt und dessen | |
| Verständnis auch nicht dadurch erleichtert wird, dass die Handlung | |
| regelmäßig zwischen der aktuellen Erzählzeit und zahlreichen Rückblenden | |
| hin und her springt. | |
| Man könnte sich das Ganze gut als Film vorstellen, denn an sich ist die | |
| Handlung action- und temporeich genug; sprachlich dagegen ist der Roman | |
| sehr gradlinig geraten. In langen, sich oft ins Hölzerne auswachsenden | |
| Dialogen verliert man zudem leicht den Überblick darüber, wer gerade zu wem | |
| spricht. | |
| Wenn also Omar Shahid Hamid jetzt als Senior Superintendent den aktiven | |
| Polizeidienst wiederaufgenommen hat, dann ist der Welt damit sicher kein | |
| großer Literat verloren gegangen. Dennoch ist „Der Gefangene“, da vom | |
| gefährlichen Ruch des Authentischen umweht, eine faszinierende Lektüre. | |
| 9 Jan 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina Granzin | |
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