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# taz.de -- Porträt eines Star-Imitators: Der beste Bowie der Gegenwart
> Abends betritt David Brighton im Glitzerhemd die Bühne. Seit über 16
> Jahren mimt er David Bowie. 2016 war ein hartes Jahr.
Bild: Wo Bowie charmant war, ist Brighton nett: der Imitator bei der Arbeit
David Bowies Tod am 10. Januar fiel wie ein Stein in die Welt. Eine
plötzliche Katastrophe, schwer zu ertragen. Die wenigsten Fans haben sich
seither wirklich davon erholt. Eine graue Traurigkeit hängt nach, das
Gefühl der verpassten Chancen auch. Manche Zurückgelassenen versuchen die
Leere zu füllen mit allem, was die Erinnerung wachhält, die guten Zeiten im
Kopf hervorholt.
Es ist diese Form der Trauerarbeit, die am 10. Januar in der frühen
Morgensonne von Los Angeles in der Wohnung von David Brighton das Telefon
klingeln lässt, seither läutet es unablässig. Denn David Brighton ist
David-Bowie-Imitator: Er kann so aussehen, er kann so singen, er lebt und
gibt Konzerte; Brighton ist der beste Bowie, den man kriegen kann
heutzutage.
Deshalb buchen ihn die Veranstalter, einen schmalen Mann mit schwarzen
Haaren und kantigem Gesicht, in mittleren Jahren, sein genaues Alter will
er nicht sagen. Weil David Brighton sich in Glitzerhemd auf eine Bühne
stellt, die Bowie-Hits spielt. Und damit den echten Bowie für die Fans noch
einmal zurückholt für knapp zwei Stunden.
Die Konzertveranstalter haben David Brighton in den vergangenen Monaten von
Kalifornien quer durch die USA geschickt, nach Japan, England und in die
Niederlande. Die Trauer um Bowie liegt schwer auf dem ganzen Erdball. David
Brighton spielte vor weinenden Frauen, niedergeschlagenen Männern,
schluchzenden Teenagern auf der ganzen Welt, bis zu fünf Shows pro Woche.
## Ein dunkler Novemberabend in Berlin
Er sei „müde, einfach nur müde“, sagt Brighton jetzt leise, tatsächlich
wirkt er ziemlich erschöpft. In einer Stunde ist Berlin dran, ein dunkler
Novemberabend im Regen. Am nächsten Tag wird es nach Turku, Finnland gehen
– noch so eine lichtlose Stadt. David Brighton sitzt in weißem Hemd und
schwarzer Anzughose in einem kahlen, neonbeleuchteten Hinterzimmer des
Admiralspalasts, auf dem Kopf schon wieder die Bowie-Perücke. Natürlich
liebe er den Job, schickt er eilig hinterher. Brighton arbeitet schon seit
über 16 Jahren als Bowie-Double. Und es ist klar: Die Geschäfte sind auch
schon mal schlechter gelaufen.
Auch klar: Eine Coverband ist ein Kompromiss, den Musiker eingehen, um
ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Früher hat David Brighton es in Los
Angeles als Gitarrist mit verschiedenen eigenen Bands versucht. Sie
spielten Rock, R & B, manchmal auch Punk, schrieben Songs, hofften auf
einen Plattenvertrag, waren nicht erfolgreich.
Mitte der Neunziger fing David Brighton in einer Beatles-Show in Las Vegas
an, trat sechsmal die Woche als George Harrison auf. „Ein regelmäßiges
Einkommen – nicht schlecht“, meint Brighton. Das Prinzip dahinter hatte er
schnell begriffen. Er lieh Videos von Bowie-Konzerten aus, kaufte
Second-Hand-Klamotten, fing an, vor dem Spiegel zu üben. Im Jahr 2000 stieg
David Brighton in Los Angeles das erste Mal mit der Space Oddity Show als
David Bowie auf eine Bühne.
Ein Geschäftsmodell, das bis heute funktioniert. Vor Hunderttausenden
Zuschauern hat Brighton inzwischen David Bowie imitiert. Sogar Bowie selbst
hat Brighton als Double auf seiner Website empfohlen. Bowie und Brighton:
zwei korrespondierende Systeme zum gegenseitigen Erfolg, jeder auf seine
Weise im Dienst für den anderen. Einmal haben sie sich bei Dreharbeiten
getroffen. Ein Werbespot für Mineralwasser. Bowie und Brighton haben sich
die Hände geschüttelt, fanden sich nett, das ist alles. „Er war er selbst,
und ich bin der Typ in all den Kostümen“, fasst Brighton die Arbeitsteilung
zusammen.
## Hellrosa Make-up im Gesicht, ein Lächeln
Manche Jobs können auch zur Belastung werden. Was das Doublebusiness
langfristig in einer Psyche anrichtet, lässt sich nicht sagen. „Ich bin
wirklich keine große Sache. Ich weiß, dass das Publikum immer ihm zujubelt
– nicht mir“, erklärt Brighton nur, und so ein Satz hat eben auch eine
dunkle Seite. Im Hinterzimmer des Admiralspalasts schmiert sich Brighton
hellrosa Make-up ins Gesicht, lächelt dünn.
Zu Hause in Los Angeles laufen die Dinge mal besser, mal schlechter. Seit
seiner Karriere als Bowie hat Brighton geheiratet, eine Tochter bekommen,
eine Wohnung gekauft, sich scheiden lassen. Er schreibt immer noch Songs.
Er hofft immer noch, mit seiner eigenen Musik erfolgreich zu sein.
Seine Tochter ist jetzt zwölf. Er würde gern mehr Zeit mit ihr verbringen.
Aber seit Januar steht sein Telefon nicht mehr still. Alle wollen Bowie.
Brighton hat vielleicht seine künstlerische Unschuld verloren, aber er kann
jetzt Geld verdienen, er ist dauernd unterwegs, nimmt mit, was er kriegen
kann, auch weil er weiß, dass diese Welle nicht ewig dauert. Das geplante
Konzert in Paderborn musste bereits abgesagt werden, zu wenig Bowie-Fans in
Paderborn.
In den Berliner Admiralspalast sind immerhin fast 600 Leute gekommen. David
Brighton umnebelt sich mit einer Wolke Haarspray und stakst mit langen
David-Bowie-Schritten raus auf die Bühne. Man hat ihn geholt, weil der
Schmerz tief sitzt. Ein Krisenhelfer im Einsatz. Trotzdem passiert, was bei
jedem der Brighton-Konzerte passiert: Das Publikum macht als Erstes den
Abgleich mit dem Original. Bei dieser Gegenüberstellung kann Brighton nur
verlieren. Dabei ist die Ähnlichkeit verblüffend, von der Seite sieht
Brighton in vielen Momenten wirklich aus wie David Bowie, sogar seine
Stimme klingt so.
## Die Realität hinkt den Bildern hinterher
Gleichzeitig ist er natürlich das Gegenprogramm: Waren David Bowies
Bewegungen elegant und schlangenhaft, schlenkert Brighton im albern grellen
Outfit über die Bühne. Zeigte sich Bowie unnahbar, guckt Brighton starr in
die Scheinwerfer. Wo Bowie charmant war, ist Brighton nett. Die Realität
hinkt den Bildern hinterher. Die Sinnhaftigkeit der Veranstaltung versteckt
sich irgendwo im Trockeneisnebel. Und auch das Publikum bewegt sich eher
unsicher. Nach vier Liedern herrscht bei den Fans noch kritische
Detektivlaune vor, tief gezogene Augenbrauen, verschränkte Ellenbogen,
Körper wie Trutzburgen. „Da fehlt was“, bringt es eine Mittfünfzigerin auf
den Punkt.
Eine Urteil, das sich für einen gelungenen Samstagabend allerdings nicht
lange aufrechterhalten lässt. Zurückgeworfen auf die eigene fragwürdige
Erwartungshaltung und vielleicht auch einfach fertig von diesem traurigen
Jahr, geben die meisten nach einer Weile ihren inneren Widerstand auf,
lassen sich doch mitreißen von den großen alten Hits. Eine Zeit schiebt
sich in die andere. Eine Frau in Motorradlederjacke springt auf und
dirigiert. Eine Familie huscht zum Tanzen an den Bühnenrand. Ältere
Ehepaare halten sich an den Händen und singen mit geschlossenen Augen: „We
could be heroes – just for one day.“ Eine Songzeile, die weiterhin so schön
und wahr ist, dass sie auch im Dunklen leuchtet.
Und als David Brighton von der Bühne herunterruft: „Are there any
glamrocker here?“, erhebt sich selbst der alte Mann in fusseligem Pulli und
Jeans aus der vierten Reihe, wippt, Hände in den Hosentaschen, vorsichtig
mit. – Ein trauernder Glamrocker aus Berlin, versunken in Erinnerung,
überwältigt von der Wucht des Moments.
1 Jan 2017
## AUTOREN
Kirsten Küppers
## TAGS
David Bowie
Doppelgänger
Punk
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