# taz.de -- Musiker Frank Spilker im Interview: „Verlage sind unsere Hausbank… | |
> Ein Gespräch mit Sterne-Frontmann Frank Spilker über Versprechen von | |
> Labelmanagern, Laufzeiten von Plattenverträgen und Einnahmen im | |
> Streamingzeitalter. | |
Bild: Weiß, warum Poptalente oftmals über den Tisch gezogen werden: Frank Spi… | |
taz: Frank Spilker, im Jahr 2017 feiern Die Sterne ihr 25-jähriges | |
Bestehen. Welche Rolle hat denn in dieser Zeit der Musikverlag für Ihre | |
Band gespielt? Falls es denn einen Verlag gab … | |
Frank Spilker: Den gab es. Noch bevor wir einen Plattenvertrag bekamen, | |
hatten wir einen Verlagsvertrag mit der Edition Blei/Rückbank, die unserem | |
späteren Label L’age d’or gehörte. Einen Verlagsvertrag bietet dir sofort | |
jeder an. Das sind die besten Rechte, die man haben kann, weil man als | |
Verleger nichts dafür tun muss. Er verpflichtet zu keinerlei Ausgaben, | |
sichert aber dauerhafte Beteiligung an Einnahmen der Autoren. | |
Und der Autor der meisten Sterne-Songs sind wahrscheinlich Sie. | |
Ja. Die Musik haben wir fast immer zusammen gemacht. Man muss ja immer | |
erklären, dass Autoren und Interpreten verschiedene Personen sein können: | |
Das berühmteste Beispiel ist Michael Jackson – RIP – der ein klassischer | |
Performer war. Allerdings hat Quincy Jones dessen Songs komponiert, er ist | |
Autor und muss natürlich auch vergütet werden – darum geht es bei den | |
Verlagsrechten. | |
Warum sind Sie zu einem Verlag gegangen, was hatten Sie als Talent davon? | |
Das war bei dem Indielabel Bedingung dafür, überhaupt einen Vertrag zu | |
bekommen. Das war die ökonomische Versicherung des Labels, dem auch der | |
Verlag gehörte – bei kleinen Veröffentlichungen fließt meist nur über den | |
Verlag Geld zurück. Das war aber auch ein Risiko für uns. Wenn unser Label | |
kein Album von uns herausgebracht hätte, aber der Verlag über fünf Jahre | |
die Verlagsrechte an unseren Songs gehabt hätte, wäre es für uns schwierig | |
gewesen, woanders ein Album zu veröffentlichen. | |
Sind fünf Jahre Standard? | |
Das ist die Regel. Die Frage ist eigentlich nicht, wie lange der | |
Verlagsvertrag gilt, sondern wie lange der Verlag die Rechte an den Songs | |
behält, die in diesen fünf Jahren veröffentlicht wurden. In der Regel | |
lifetime und worldwide, und das sind so Details, die sich ändern müssen. | |
Das Verlagsrecht muss dringend modernisiert werden. | |
Das klingt jetzt nicht so, als seien Verlage die besten Freunde der | |
Musiker. Wie profitieren Sie langfristig von einem Verlagsvertrag? | |
Verlage sind die Hausbanken der Musiker. Du kannst als Musiker nicht | |
einfach zur Sparkasse gehen und sagen: „Ich brauche Kredit, ich muss ein | |
Jahr lang Songs schreiben.“ Verlage sind die einzige Institution, die man | |
beleihen kann, da haben sie eine wichtige Rolle für Künstler. | |
Ich hätte gedacht, dass das Label den Künstler aufbaut und ihm den | |
Vorschuss zahlt. | |
Ja, aber da musst du erst mal hinkommen. Das war immer schwierig. Ich weiß | |
nicht, wie viel Lebenszeit man investieren muss, bis man diese Vorschüsse | |
bekommt. Das Problem ist, dass Labels viele andere Rechnungen zu begleichen | |
haben: Produktionskosten, Marketing und so weiter. Labels übernehmen alle | |
Arbeiten von Promotion bis Marketing. | |
Die Vermarktung geschieht im Eigeninteresse. Das Label vermarktet das | |
Album, aber der Verlag hat doch Interesse daran, Ihre Musik auch woanders | |
unterzubringen, um selbst etwas zu verdienen, etwa in der Werbung, in | |
Filmen, Computerspielen oder Ähnlichem, was man Synchronisation, Sync, | |
nennt und große Bedeutung hat. | |
Das behaupten die Verlage immer, machen sie aber nicht. Ich habe noch keine | |
einzige Sync-Anfrage über den Verlag bekommen. Regisseure und | |
Werbeagenturen fragen immer über das Label an. | |
40 Prozent für den Verlag klingt nach sehr viel Geld. | |
Die Geschichte der europäischen Verwertungsgesellschaften fängt damit an, | |
dass ein Künstler in Paris ins Theater geht und sich weigert, Getränke zu | |
bezahlen, weil das Theater seine Musik spielt, ohne ihn zu bezahlen. Und | |
dann kommt es zu diesen Auseinandersetzungen, infolgedessen | |
Verwertungsgesellschaften gegründet werden. Das ergibt Sinn, wenn jemand | |
Noten druckt, was Verlage einst gemacht haben. Da muss der Künstler am | |
Erlös beteiligt werden, das ist sein geistiges Eigentum, und der Verlag | |
muss für Druck, Vertrieb und dergleichen bezahlt werden. Darauf gründet die | |
klassische Aufteilung von 60 Prozent für den Urheber und 40 Prozent der | |
Einnahmen für den Verlag, wie es heute über die Gema geregelt ist. | |
Das gilt weiterhin? | |
Ja, und da besteht genau das Problem, dass die meisten Verlage heute keine | |
Noten mehr drucken und nur noch Rechte verwalten. Jetzt kann man sich | |
natürlich fragen, wofür man den Verlag eigentlich braucht – er akquiriert | |
ja nicht die Gelder, das läuft über die Gema quasi automatisch. In den USA | |
und anderswo läuft das nicht automatisch, da stellen Verlage aktiv | |
Rechnungen und müssen für diese Dienstleistung bezahlt werden. Aber in | |
Deutschland kann einem das schon mal unverhältnismäßig vorkommen, diese 40 | |
Prozent, die an den Verlag gehen, nur dafür, dass man eventuell mal einen | |
Kredit bekommt. Aber genau so ist es. Man muss allerdings dazu sagen, dass | |
diese Vorschüsse nicht zurückzuzahlen sind. Man hat dann zwar Schulden, | |
aber man muss sie nicht abzahlen. Man bekommt dann einfach eine Weile kein | |
Geld mehr aus den Gema-Ausschüttungen, weil das an den Verlag geht. | |
Sind Sie bei Ihrem Verlag geblieben? | |
Nein. | |
Warum? | |
Wir haben ja schon festgestellt, dass 40 Prozent für den Verlag ganz schön | |
viel sind. Auch wenn ein großer Verlag einen hohen Vorschuss zahlen kann, | |
muss die Perspektive für mich als Urheber natürlich sein, so viele Rechte | |
wie möglich zu behalten, weil das langfristig sinnvoller ist. Mein Weg war | |
es, eine eigene Edition für meine Songs bei einem Kleinverlag zu machen. | |
Der kann zwar nicht so hohe Vorschüsse zahlen, aber dafür behalte ich 80 | |
Prozent an den Autorenrechten, der Verlag bekommt nur 20 Prozent. | |
Was ist eine Edition in diesem Zusammenhang? | |
Das ist der Trick! Diese Sätze von 60/40 sind ja festgeschrieben im | |
Verlagsrecht, das kann man nicht einfach ändern. Das ist übrigens der | |
Punkt, an dem eine Modernisierung des Konstrukts dringend fällig wäre! Eine | |
Edition ist mein eigener Subverlag, der übrigens nicht nur für mich, | |
sondern auch für andere Künstler offen ist. Und dieser Subverlag bekommt | |
noch mal 20 Prozent, und das sind dann meine 80 Prozent: 60 plus 20. Und | |
das machen eigentlich alle, die es sich leisten können. Am besten ist ein | |
eigener Verlag wie ihn die Beatles hatten mit ihrem Verlag Northern Songs. | |
Eine Verlagsgründung ist nicht sonderlich aufwendig. | |
Warum werden Sie nicht Verleger? | |
Hier kommt wieder die Sache mit der Hausbank ins Spiel. Mir fehlt da ein | |
größeres Volumen im Hintergrund, damit ich mir selbst Kredite geben könnte. | |
Und ansonsten ist auch die Konkurrenz sehr groß – wie gesagt, das Erste, | |
was man als junger Künstler angeboten bekommt, ist ein Verlagsvertrag. | |
Dafür braucht man nicht mehr als leere Versprechungen. Man muss nichts | |
einhalten, wenn es nicht klappt, klappt es nicht, Pech. Und wenn es klappt, | |
ist man mit 40 Prozent beteiligt. Und insofern braucht man schon Argumente, | |
dass junge Leute bei einem unterschreiben. Das Argument besteht meistens | |
darin, dass man auch ein Label oder einen Vertrieb hat und sagen kann: Wir | |
brauchen den Vertrag für die Refinanzierung dieser Strukturen. Das ist ja | |
auch nicht falsch. Es ist nicht nur ein Nehmen, man muss auch was geben. | |
Begrüßen Sie denn das von dem Musiker und Piraten-Politiker Bruno Kramm | |
angestrengte Urteil des Berliner Kammergerichts, dass Verleger nicht mehr | |
automatisch an Gema-Ausschüttungen beteiligt werden? | |
Das ist so ein bisschen ein Piraten-Aktivismus: Super, wir haben recht | |
bekommen gegen die große böse Gema. So einfach ist das nicht. Ich fand die | |
Idee trotzdem nicht falsch, hier zu klagen. In der gängigen Praxis steckte | |
so eine Geste der Entmündigung der Autoren. Selbstverständlich sollten | |
diese die Gema dazu ermächtigen, Gelder an die Verlage auszuzahlen, anstatt | |
dass „die da oben“ entscheiden, wer welche Gelder bekommt. Das sehe ich | |
auch so. Aber eine Klage wie diese sollte nicht dazu führen, dass mühsam | |
aufgebaute Strukturen jetzt den Bach runtergehen. Trotzdem: Letztendlich | |
ist so ein Urteil dann ja auch ein Impuls, um tradierte Vorstellungen in | |
der Gesetzgebung zu überdenken und zu reformieren. Das wird angesichts der | |
technischen Entwicklung und der damit verbundenen Verschiebung der | |
Machtverhältnisse immer häufiger nötig. Die Politik hinkt immer um Jahre | |
hinterher. | |
Warum? | |
Das Verlagsrecht, zumindest in der Popbranche, ist nicht mehr zeitgemäß und | |
verleitet Manager dazu, Künstler auszunutzen, die das nicht sofort | |
verstehen. Junge Musiker kümmern sich meist nicht um rechtliche Sachen, und | |
das begünstigt schon Arschlochverhalten. Verlage sagen immer: „Ich baue | |
dich auf!“ Aber sowohl bei Labels als auch bei Verlagen wird nur in Sachen | |
investiert, die vielversprechend sind, in die auch andere Leute investieren | |
würden. | |
Letzten Donnerstag hat der Bundestag Reformen zum Urhebervertragsrecht und | |
zur Verlegerbeteiligung beschlossen. Wie bewerten Sie diese? | |
Für Musiker, die auf Unterstützung ihrer Verlage angewiesen sind, und für | |
kleine Verlage bedeutet die Reform, dass sie infolge des Kramm-Urteils | |
nicht mehr unmittelbar in ihrer Existenz bedroht sind. Das ist auf jeden | |
Fall gut. Unabhängige Labels freuen sich zudem über die Entscheidung, dass | |
über die Frage, wie Einnahmen aus neuen Quellen – etwa Streaming – verteilt | |
werden, nicht mehr allein Verwertungsgesellschaften entscheiden dürfen. | |
Denn da sitzen, besonders bei der GVL, die Majorlabels, und die verteilen | |
das Geld bisher zugunsten der Großen. | |
20 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Dirk Schneider | |
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