Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Berlins Zoo-Chef im Interview: „Sie decken sich kurz, heftig, kna…
> Im Tierpark wächst ein Eisbärenbaby heran: Wird es der neue Knut? Zoochef
> Andreas Knieriem über Nachwuchs, Korruption und artgerechte Tierhaltung.
Bild: Darf noch nicht mal der Tierparkchef sehen: das noch namenlose Eisbärbab…
taz: Herr Knieriem, haben Sie schon das neue Eisbärenbaby im Tierpark
gesehen?
Andreas Knieriem: Nein, noch nicht. Jetzt kümmert sich erst mal die
Eisbärenmama um den kleinen Hopser. Der hat die ganze Milchbar für sich,
was ein Vorteil ist, und jetzt ist erst mal Ruhe.
Hat das Kleine bereits einen Namen?
Das hat noch Zeit. Indem wir unsere Neugierde bremsen, haben die Tiere mehr
Chancen, es auf natürliche Art und Weise zu schaffen. Wir haben alles so
geregelt, dass Tonja, die Mutter, wenig Störungen von außen bekommt.
Hoffen Sie auf eine zweite Knut-Begeisterung?
Sehen Sie, jetzt haben wir den neugeborenen Eisbären im Tierpark, und schon
erhofft sich Berlin einen zweiten Knut. Aber auch Knut war in erster Linie
ein Eisbär mit den Bedürfnissen eines Eisbären. Ich versuche, die Dinge auf
der Sachebene zu behandeln.
Was heißt das für das Eisbärenbaby?
In der Wildbahn gibt es verschiedene Voraussetzungen dafür, dass ein Eisbär
überleben kann. Die erwachsenen Tiere decken sich zwischen Februar und
April, kurz, heftig, knackig. Dann kommt es zur sogenannten Keimlingsruhe:
Bis zum Sommer kann die Eisbärenmutter viel jagen und sich Fett anfuttern.
Früher hat man die Tiere etwas knapp gehalten, wenn sie stark zugenommen
haben, aber heute wissen wir: Es gibt ein Recht der Mutter, im Sommer fett
zu werden. Die Jungtiere sind bei der Geburt sehr klein. Dank der
fetthaltigen Milch nehmen Eisbärenjungtiere schnell zu. In freier Wildbahn
buddelt sich die Mutter in eine Höhle ein. Sie schleckt immer ein bisschen
Eis ab, damit sie Flüssigkeit bekommt, aber sie frisst monatelang nichts,
bis die Jungtiere so groß sind, dass sie der Mutter folgen können.
Sie verlässt die Höhle monatelang nicht?
Sie kann nicht raus, weil die Eisbärenmänner sich über diesen Happen freuen
würden, auch weil die Eisbärin dann bald wieder gedeckt werden könnte … So
brutal ist die Natur. Wenn man all das berücksichtigt, braucht man
eigentlich kaum Pflege und vor allem keine Fütterung.
Wann kommt das Kleine im Tierpark das erste Mal raus?
Wir schätzen Mitte März – wenn es eigenständig herumlaufen kann. Weil es
jetzt die gesamte Milchproduktion für sich hat, könnte es auch etwas früher
so weit sein.
Ist sicher, dass es überleben wird?
Die Wahrscheinlichkeit ist relativ hoch. Aber sicher wissen wir es nicht:
Es gibt genügend bakterielle und virale Krankheiten. Warum das zweite Tier
es nicht geschafft hat, wissen wir auch noch gar nicht. Vielleicht war die
Zitze nicht richtig entwickelt oder hatte zu wenig Milchfluss, das Kleine
hat zu viel gequakt … Und dann ist es, wie gesagt, ganz brutal: Es wird
nicht weiter getränkt, und die Eisbärin frisst es auf. Das muss sie auch,
denn sonst verwest es und stinkt und lenkt die anderen Eisbären auf die
Fährte.
Kennen Sie eigentlich alle Tiere in Zoo und Tierpark beim Namen?
Ich habe damit inzwischen tatsächlich Probleme. Tierpark und Zoo sind ja
schon Nummer vier und fünf für mich. Ich habe die Tiernamen der Zoos in
Duisburg, Hannover und München im Kopf, die kann ich auch nicht von meiner
Festplatte löschen. Auch die Mitarbeiter kann ich inzwischen nicht mehr
alle beim Namen kennen.
Schafft das nicht eine problematische Distanz?
Jein. Wir haben hier Europas größten Zoobetrieb mit mehr als 500
Mitarbeitern und dem größten Zootierbestand der Welt, da kann ich mir nicht
alle Namen merken. Der Vorteil ist, dass ich viel mehr delegiere. Vor zehn
Jahren dachte ich, ich müsste alles selbst machen. Mit den Jahren habe ich
gelernt, Dinge weiterzugeben. Das ist auch eine grundlegende Veränderung,
die ich in Zoo und Tierpark durchgesetzt habe: Heute sind viel mehr
Menschen in den Entscheidungsprozess involviert. Wir haben einen
technischen Leiter. Die gärtnerische Leitung entwickelt eigenen Ideen, wie
sie die Flächen betreut. Wir haben einen Garten- und Landschaftsbauer mit
einem Team, das eigenverantwortlich arbeitet. Es gibt Zoologische Leiter
und Kuratoren …
… das sind Männer und Frauen, die für bestimmte Tierarten zuständig sind.
Früher haben sie die Tiere vorgesetzt bekommen und durften dann mit den
Pflegern besprechen, wie sie die bereits abgezählten Sitzstangen ins Gehege
tun. Heute suchen die Kuratoren den Tierbestand aus, koordinieren ihn,
besprechen mit den Tierpflegern das Management und so weiter. Sie sollen
ihren Bereich selbstständig leiten.
Sie selbst sind also nicht immer präsent?
Natürlich bin ich da, übrigens auch am Samstag und am Sonntag.
Ihre Vorgänger haben jeden Morgen ihre Runde gemacht. Ist der Zoodirektor
zum Anfassen inzwischen ein antiquiertes Bild?
Ich habe das in Hannover früher auch gemacht. Aber es macht nicht so viel
Sinn, wenn der Weg das Ziel ist. Heute gibt es ganz zielgerichtete Visiten,
vor allem in Bereichen, wo wir Probleme haben. Durch zu viel Präsenz
konterkarieren Sie auch die Autonomie der Mitarbeiter. Sie verhindern, dass
Menschen flügge werden. In den letzten Jahren hatte sich da eine Kultur der
Unselbstständigkeit entwickelt.
Sie sind jetzt seit zweieinhalb Jahren Direktor von Tierpark und Zoo. Waren
Sie geschockt, als Sie in Berlin ankamen?
Schon ein bisschen. Ich hatte gehofft, dass die Mitarbeiter mehr
Verantwortung übertragen bekommen hätten.Sie nehmen den Namen Ihres
umstrittenen Vorgängers Bernhard Blaszkiewitz bewusst nicht in den Mund.
Ich möchte nicht so viel über ihn reden und auch gar nicht so gern in die
Vergangenheit zurückgucken. Ein Nachfolger hat in jedem Betrieb das
Problem, dass er ein paar Dinge vom Vorgänger wegschaufeln muss.
Was haben Sie denn seit Ihrem Amtsantritt – abgesehen vom Mehr-Delegieren –
konkret verändert?
Die erste Zeit haben wir analysiert. Wir haben eine schonungslose Diagnose
gemacht und daraus einen Masterplan für Tierpark und Zoo entwickelt. Der
Zoo liegt mitten in der Stadt, es kommen viele Touristen, er trägt sich
finanziell selbst. Doch auch im Zoo müssen wir einiges modernisieren. Im
Tierpark verfolgen wir ein anderes Konzept: Dort wollen wir in Zukunft
große Herden in großen Anlagen zeigen. Wir wollen auch die Tierarten
mischen und nach den Kontinenten ordnen. Dann kann man auch die
Bedrohungslage einfacher darstellen. Ich kenne keine Tiere, die freiwillig
gerne aussterben. Das ist mit uns Menschen verbunden, mit unserer
Landnahme. Auch Umweltbildung und Artenschutz wollen wir prägnanter
darstellen.
Nehmen wir den Tierpark. Was haben Sie dort in den zweieinhalb Jahren
konkret gemacht?
Das fängt am Eingang an. Wir haben zum Beispiel den Eingang am
Bärenschaufenster modernisiert. Grundsätzlich lassen wir die Dinge nicht
mehr verrotten, kümmern uns um den Park. Wir haben jetzt einen vernünftigen
Rasenmäher, der auch diese großen Flächen bedienen kann. Es gab vorher nur
einen, den man zu Hause im Garten benutzen könnte. Man kann auch das Laub
nicht mit der Hacke zusammenfegen. Für diese Dinge brauchten wir eine
Gartenleitung, die das jetzt in die Hand genommen hat. Wir haben
Spielplätze gebaut und viel Geld in die Gastronomie investiert. Marché
betreibt jetzt das Hauptrestaurant. Vor allem brauchte ich anderes
Personal. Der ehemalige technische Leiter hatte ja die Lastwagen mit dem
Schutt in den Tierpark reinfahren lassen.
Sie sprechen von den giftigen Schuttbergen, die dort illegal aufgeschüttet
wurden.
Ja. Ich kam hier an, und da lag auf meinem Schreibtisch ein Brief, darin
eine Strafandrohung in Höhe von 10.000 Euro. Ich fand das schon unfair –
dass ich hier empfangen wurde mit dieser Schutthalde. Die hab ich nun am
Hals. Man muss nicht Lkws mit Abfall wie die Hummeln reinfahren lassen, da
hätte man Nein sagen können. Das Thema wird uns noch Jahre verfolgen.
Denken Sie, Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind heute zufriedener
als früher?
Der größte Teil der Mitarbeiter ist sicherlich zufriedener. Es gibt immer
welche, die mit Veränderungen nicht so gut klarkommen und dem ehemaligen
Direktor näher standen. Das ist ganz normal und gehört zum Change-Prozess.
Man hört aus dem Tierpark ja eher, dass da eine demoralisierende Stimmung
herrscht.
Das ist doch Quatsch. Das sind einige wenige, wie gerade beschrieben, die
versuchen, lautstark Meinung zu machen. Der Großteil kann nun endlich etwas
verändern. Es geht voran, und endlich wird auch mal in den Tierpark kräftig
investiert.
Es gab Entlassungen.
Natürlich gab es Entlassungen, aber es gab eben Menschen, die geklaut
haben. Mitarbeiter, die die ganzen Müllberge in den Tierpark gekarrt haben,
Korruption. Und es gab auch Menschen, die unter der neuen Leitung nicht
mehr arbeiten wollten. Ich würde auf keinen Fall sagen, dass dort eine
demoralisierende Stimmung ist. Wenn wir etwas umstrukturieren, gibt es
immer auch Verlierer. Es gibt Leute, denen passt nicht, was ich tue.
Dahinter steht wahrscheinlich immer noch die Angst, dass Sie den Tierpark
abwickeln wollen.
Wir haben einen Masterplan für die Zukunft des Tierparks entwickelt und
renovieren auf dem Gelände. Wir packen das an. Niemand glaubt doch im Ernst
daran, dass wir den Tierpark nicht wollen. Ja, ich höre auch Stimmen von
Leuten, die die Käseglocke über eine bestimmte Zeit stülpen wollen. Da sage
ich Ihnen ganz offen: Ich finde das unfair. Und auch realitätsfern. Selbst
Prof. Heinrich Dathe, der in der DDR den Tierpark Jahrzehnte geleitet hat,
hat permanent verändert. Wenn wir jetzt nur am Status quo festhielten,
würde der sich im Grabe umdrehen.
Aber ein paar Tierarten haben Sie doch schon reduziert, oder nicht?
Wir pflegen die Tiere so, dass wir die Genehmigung nach dem Naturschutz-
und nach dem Tierschutzgesetz dafür erhalten. Das hat zur Folge, dass wir
manche Tierarten nicht mehr weiter halten konnten. Wir hatten zum Beispiel
18 Elefanten in einem Haus, das dafür überhaupt nicht vorgesehen war. Im
Sinne der Tier- und der Menschensicherheit mussten wir Tiere abgeben. Wie
kann man denn da auf die Idee kommen zu meckern? Trotzdem wurde mir
vorgehalten, der Zoodirektor mache den Ausverkauf, er wolle auf dem Gelände
Wohnungen bauen – für mich ist das nichts als Polemik, die mit der
Wirklichkeit nichts zu tun hat.
Auf dem Tierpark-Gelände wird es keinen Wohnungsbau geben?
Ich möchte einen riesigen Tierpark. Aber wenn wir zum Beispiel Flächen
haben, die wir als Zoo schlecht weiter entwickeln können, weil sie zum
Beispiel zu nah an der Straße sind – die meisten Tiere wollen nicht dort
leben wegen des Lärms –, dann denken wir in der Tat darüber nach, ob man
darüber Eigenkapital bekommen könnte. Um Förderprogramme zu beantragen,
braucht man immer auch eigene Mittel. Wir sind ziemlich arm und müssen
überlegen, wo das Geld herkommt. Die Idee mit den Wohnungen stammt
allerdings nicht von mir: Wir sind gar nicht Besitzer dieser Flächen, die
gehören der landeseigenen Berliner Immobilien Management GmbH (BIM).
Fakt ist, dass der Tierpark in den Miesen ist. Haben Sie die Hoffnung auf
einen zweiten Eisbärenbaby-Hype – und diesmal mit einem Besucheransturm im
Tierpark?
Wir freuen uns nicht über einen Hype. Das heißt ja, dass etwas überzogen
ist. Aber wir wünschen uns schon, dass viele Menschen kommen, die die
Eisbären sehen und sich auch den restlichen Tierpark anschauen.
Der Zoo soll bald neue Pandas bekommen.
Das geht auch nur im Zoo, weil wir dort das Geld haben, in eine neue Anlage
zu investieren.
Sie können die Gewinne aus dem Zoo nicht in den Tierpark transferieren?
Das geht gar nicht. Und wir brauchen das Geld auch im Zoo, es gibt dort
genug zu tun. Die gekachelten Räume des Raubtierhauses sind nicht
artgerecht. Es geht auch um Arbeitssicherheit. Das Affenhaus ist zu klein.
Das Nashornhaus müssen wir dringend machen, das Elefantenhaus entwickeln.
Da haben wir eine Menge Hausaufgaben. Für den Tierpark haben wir außerdem
auch Geld über Förderprogramme und aus dem Landeshaushalt bekommen, das
müssen wir nicht vom Zoo holen.
Was erwarten Sie von der neuen rot-rot-grünen Landesregierung?
Ich möchte Zoo und Tierpark aus der Parteipolitik heraushalten. Insofern
leiste ich mir auch keine Aussage darüber, wie Rot-Rot-Grün sich verhalten
wird. Die sind gewählt worden und haben sich zusammengefunden, und jetzt
warten wir mal ab.
2 Jan 2017
## AUTOREN
Claudius Prößer
Plutonia Plarre
Antje Lang-Lendorff
## TAGS
Zoo Berlin
Tierpark
Knut
Pandabären
Zoo
Zoo
Zoo
Eisbären
Eisbären
Eisbären
Knut
Zoo
Tierpark
## ARTIKEL ZUM THEMA
Zwei Pandabären kommen nach Berlin: Schöne Aussichten in Schwarz-Weiß
Mit Pandas betreibt China Diplomatie. Ihr Pfleger hat die Pandabären
bereits in Chengdu getroffen. Am Samstag fliegen Meng Meng und Jiao Qing
ein.
Tierschützer gegen Zoo Hannover: Elefanten misshandelt?
Im Zoo Hannover sollen Elefanten geschlagen worden sein. Der Zoo weist die
Vorwürfe zurück, will aber die Haltungsbedingungen ändern.
Zweifel an Eisbären-Haltung: „Leiden sind nicht tolerierbar“
Der Schweizer Tierschutzprofessor Hanno Würbel hält wenig vom Eisbären-Boom
in deutschen Zoos: Deren Umgebung befriedigt Bedürfnisse der Raubtiere
nicht
Biologe Klaus Brunsing über Eisbärenzucht im Zoo: „Wir haben gelernt“
Der Zoo Hannover wünscht sich ein Eisbärenbaby. Die potenzielle Mutter
Milana wartet schon hinter den Kulissen.
Name für Berliner Eisbärbaby: Der junge Fritz
Nicht Bolle, nicht Klaus, nein: Fritz heißt der junge Star aus dem Berliner
Tierpark. Ein Name, den man überall auf der Welt versteht.
Berlin vor dem Hype: Eisbärbabys und silberne Bären
Gerade noch rechtzeitig vor der Berlinale bekommt das Eisbärbaby im
Berliner Tierpark einen Namen. Die Show kann beginnen!
Vermenschlichung des Eisbärjungen: Nennt ihn Klaus!
Der Direktor des Tierparks stellt fest: Das Eisbärbaby ist ein Junge. Und
schon läuft die Marketingmaschine an. Warum auch nicht, der Tierpark kann
das gebrauchen.
Wieder Eisbär-Babys in Berlin geboren: Zum Knut-schen
Im Tierpark wurden zwei Eisbärbabys geboren. Nun hofft der Ost-Zoo darauf,
dass sie die nächsten Tage überleben und die Nachfolge von Knut antreten
können.
Aufarbeitung der Geschichte: Der Zoo stellt sich seinem NS-Erbe
Der Zoo will mit einer Dauerausstellung seine Nazi-Vergangenheit
aufarbeiten. Die Nachkommen jüdischer Aktionäre werden nicht entschädigt.
Sanierung des Tierparks: Tierpark-Chef will 93 Millionen
Direktor Andreas Knieriem will die marode Anlage bis 2030 überlebensfähig
machen. Nächste Woche soll das auch die Haushaltspolitiker im
Abgeordnetenhaus überzeugen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.