# taz.de -- EU-Migrationspolitik in Afrika: Zwischen Hilfe und Bevormundung | |
> Drei Städte stehen für EU-Migrationspolitik in Afrika, Rabat, Karthum und | |
> Valetta. Dort wurde über Geld und Gegenleistung verhandelt. | |
Bild: Angela Merkel und der ghanaische Präsident John Dramani Mahama in Valetta | |
Brüssel taz | Alles begann in Rabat. Im Juli 2006 trafen sich in der | |
marokkanischen Hauptstadt die für Migration und Entwicklung zuständigen | |
Minister der EU und Afrikas, um über eine gemeinsame Flüchtlingspolitik zu | |
beraten. Schwerpunkte waren Grenzmanagement, Unterbindung irregulärer | |
Migration und Flüchtlingsschutz. | |
Der „Euro-Afrikanischer Dialog“ zu Migration und Entwicklung, wie die | |
Bundesregierung ihn nennt, richtet sich maßgeblich an die in ECOWAS | |
zusammengeschlossene Staaten. Fair und ausgewogen sollte der Dialog sein, | |
Migration wurde als Chance für soziale und wirtschaftliche Entwicklung | |
begriffen – jedenfalls auf dem Papier. | |
Der 2011 beschlossene „EU-Gesamtansatz Migration und Mobilität“ (GAMM), der | |
den Rahmen für die externe Dimension der EU-Migrationspolitik vorgibt, wies | |
in eine andere Richtung: Die Eindämmung der irregulären Migration. | |
Gleiches gilt für den so genannten Karthum-Prozess, der auf einer | |
Nachfolgekonferenz zu Rabat Ende 2014 in Rom gestartet wurde. Er hat zwar | |
einen anderen regionalen Schwerpunkt; diesmal standen die Länder am Horn | |
von Afrika im Vordergrund. Doch auch hier geht es vor allem darum, | |
Schleppern das Handwerk zu legen und die Flüchtlingsrouten nach Europa zu | |
kappen. | |
## „Gute Regierungsführung“ | |
Dabei stützt sich die EU auf autoritäre Regime und „Failed States“. Die | |
Nichtregierungsorganisation „Human Rights Watch“ meldete deshalb schon 2015 | |
schwere Bedenken an, da die Abschottung auch Menschen treffen könnte, die | |
vor ethnischer oder politischer Verfolgung in ihren herkunftsländern | |
fliehen. Die EU dürfe Staaten wie Sudan, Eritrea, Äthiopien und Somalia | |
nicht blind helfen, sondern müsse sicherstellen, dass deren Regierungen | |
nicht noch mehr Flüchtlinge produzieren, warnt HRW-Direktor Judith | |
Sunderland. | |
Die EU-Kommission in Brüssel entgegnet darauf, sie kümmere sich auch um | |
„gute Regierungsführung“ und die Einhaltung der Menschenrechte. „Wir mü… | |
uns um Notlagen kümmern, um die dramatischen Lebensbedingungen der | |
Menschen, die ihr Leben riskieren, um eine bessere Zukunft zu finden“, | |
sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini zum Start des | |
Karthum-Prozesses in Rom. „Aber wir müssen uns auch um die Ursachen der | |
irregulären Migration kümmern: Armut, Konflikte, Mangel an Ressourcen.“ | |
Dafür wende man beachtliche Mittel auf, heißt es in Brüssel. | |
Zwischen 2004 und 2014 sind nach Angaben der Kommission mehr als eine | |
Milliarde Euro in mehr als 400 Projekte zu Entwicklung und Migration | |
geflossen, davon die Hälfte nach Afrika. Dies mache die EU zu einem | |
weltweit führenden Geber in diesem Bereich. Allerdings ist nicht immer | |
ersichtlich, ob der Schwerpunkt auf Entwicklungshilfe oder Bevormundung | |
liegt. Vor allem in jüngster Zeit kommen vermehrt Zweifel auf. Denn vor dem | |
Hintergrund der Flüchtlingskrise in der Ägäis und auf dem Balkan 2015 hat | |
die EU den Fokus noch mehr auf die Kontrolle und Abwehr „irregulärer“ | |
Migration gelegt. | |
## Vage Versprechen | |
Im Herbst 2015 fand dazu ein eigener EU-Afrika-Sondergipfel in Valletta auf | |
der Mittelmeerinsel Malta statt. Der Gipfel ging auf eine Initiative von | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel zurück. Wie von Merkel gefordert, | |
konzentrierte er sich auf die „Bekämpfung von Schleuserkriminalität und | |
Fluchtursachen“ sowie auf die „Rückführung von Flüchtlingen“. Dazu sol… | |
die in Rabat und Khartum angestoßenen Projekte intensiviert und mit dem | |
EU-Afrika-Dialog verknüpft werden. | |
Außerdem wurde ein „Nothilfetrustfond für Afrika“ aufgelegt, der zunächst | |
mit 1,8 Milliarden Euro von der EU-Kommission und aus der Budgets der | |
Entwicklungszusammenarbeit ausgestattet wurde. Deutschland steuerte aus | |
nationalen Mitteln bescheidene drei Millionen Euro bei, alle 28 EU-Staaten | |
zusammen lediglich 82 Millionen. Das Geld soll helfen, die „Stabilität“ in | |
Afrika zu fördern – über die Schaffung von Jobs und die Sicherung der | |
Grundversorgung mit Nahrungsmitteln, aber auch über ein verbessertes | |
„Migrations-Management“ und „Konflikt-Prävention“. | |
Ein Jahr später fällt die Bilanz ernüchternd aus. Zwar ist der Fonds | |
mittlerweile auf 2,5 Milliarden Euro angewachsen. Den bisher 64 Projekten | |
zugeordnet wurde aber nur eine Milliarde. Die in Valletta abgegebenen | |
Versprechen seien „vage“ geblieben, viele Projekte harrten immer noch ihrer | |
Umsetzung, kritisiert der niederländische Entwicklungs-Experte Bob Van | |
Dillen. | |
Auch die EU-Kommission wertet Valletta bestenfalls als Zwischenetappe auf | |
dem Weg zu einer möglichst umfassenden Migrationskontrolle. Sie arbeitet | |
deshalb nicht nur an einem zweiten Valletta-Gipfel, der Anfang 2017 | |
stattfinden soll. Zudem soll die Umsetzung der diversen Programme und Ziele | |
durch so genannte Migrations-Partnerschaften beschleunigt und vertieft | |
werden. | |
Ein erstes Abkommen wurde gerade mit Mali unterzeichnet; als Nächstes will | |
sich die EU auf Niger konzentrieren. Doch in diesen Ländern zeigen sich | |
auch die Grenzen der neuen Afrika-Strategie. Denn Niger und Mali werden von | |
Terror und Krieg erschüttert, die fortlaufend neue Fluchtbewegungen | |
provozieren. In Mali ist die EU daher mit einer militärischen | |
Trainingsmission im Einsatz, in Niger mit einer zivil-militärischen | |
Ausbildungsmission für die lokalen Sicherheitskräfte. Weil beide Länder | |
immer noch gefährdet (und gefährlich) sind, wurden die Einsätze bis 2018 | |
verlängert. Erst danach könnte sich die Lage stabilisieren. | |
Dennoch zieht die EU-Kommission eine positive Bilanz. So sei die Zahl der | |
Migranten, die von Niger aus durch die Wüste gen Norden wandern, von 70.000 | |
im Mai auf 1.500 im November gefallen. Zudem seien 102 Schlepper der Justiz | |
überstellt und 95 Fahrzeuge beschlagnahmt worden. Auch die Zahl der | |
Rückführungen aus Europa habe zugenommen. „Niger ist unsere größte | |
Erfolgsgeschichte“, freuen sich Experten der EU-Kommission. | |
15 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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