Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Prozessauftakt gegen Raser: Mord mit dem Motorrad?
> Ein notorischer Raser überfuhr auf der Flucht von einem anderen Unfall
> einen 75-jährigen Mann und verletzte ihn tödlich. Angeklagt ist er wegen
> Mordes.
Bild: „Ein lieber Mensch“: Die Wirtin seiner Stammkneipe stellte ein Kreuz …
Bremen taz | Alpi T. fährt nicht mehr. Nie wieder. Mit gesenktem Blick
sitzt er vor dem Landgericht Bremen. Es ist der erste Verhandlungstag. Er
hat Arno S. ermordet, sagt die Staatsanwaltschaft. Einen 75-jährigen
Rentner, der eine Kreuzung bei Rot überquerte. Just in dem Moment, als T.
auf seinem Motorrad von einem anderen Unfallort floh – mit über 100
Stundenkilometern innerorts. Zu schnell, um zu bremsen oder auszuweichen.
Er erfasst Arno S. frontal, der wird mehrere Meter durch die Luft
geschleudert und stirbt noch am Unfallort. Er hinterlässt zwei Töchter und
einen Sohn.
T. bleibt verletzt liegen. Laut Verteidigung ist sein rechter Arm seither
gelähmt. Sein Kawasaki-Motorrad, Modell Ninja ZX-10 R, hat 200 PS und kann
fast 300 Stundenkilometer schnell fahren. T. hatte für diese Klasse nicht
einmal einen Führerschein.
Vor Gericht sagt er: „Ich bereue zutiefst. Ich würde alles rückgängig
machen, wenn ich könnte.“ T. sitzt in Untersuchungshaft und hat überlegt,
einen Entschuldigungsbrief an die Hinterbliebenen zu schicken. Eine
Psychologin im Gefängnis riet ihm, sich in die Lage der Angehörigen zu
versetzen. T. kommt zu dem Schluss, dass er als Opfer keinen Brief vom
Täter bekommen wolle, sondern eine persönliche Entschuldigung. „Das alles
tut mir leid. Ich will mich meiner Verantwortung stellen“, sagt er und
schaut die Angehörigen des Opfers an. Sie sind Nebenkläger.
## Staatsanwalt sieht „niedere Beweggründe“
Normalerweise lautet die Anklage in solchen Fällen „fahrlässige Tötung“,
aber dieses Verfahren ist besonders. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft ist
die Kreuzung kein Unfallort, sondern ein Tatort. Es ist ein Mordprozess,
weil niedere Beweggründe für die Tat vorlägen. Er sei zu schnell gefahren,
um eine andere Straftat zu decken und habe den „Tod anderer billigend in
Kauf genommen“, sagt Staatsanwalt Björn Krebs. Der Angeklagte wollte mit
der Raserei sein „Geltungsbedürfnis“ befriedigen, für einen „Kick“ un…
„Adrenalin“. Und das ist nicht alles: Der mutmaßliche Mörder soll mit
seiner riskanten Fahrweise Geld verdient haben.
T. war Youtuber. Er hat seine gemeingefährlichen Fahrten mit einer
Helmkamera und einem Mikro aufgenommen und dann ins Internet hochgeladen.
In seinen Videos fährt er illegale Rennen, lässt den Motor seiner Kawasaki
aufheulen, um damit Sportwagen zu spontanen Rennen herauszufordern – „auf
der Suche nach Frischfleisch“, wie er sagt. Während der Rennen beschleunigt
er auf über 170 Stundenkilometer, mitten in Bremen. 83.000 Abonnenten hat
sein Kanal „Alpi fährt“. Youtube zahlt dank Werbung.
Auch die Todesfahrt am 17. Juni 2016 soll er gefilmt haben. Laut Anklage
begeht er mit erhöhter Geschwindigkeit mehrere riskante Überholmanöver. Bei
einem davon, um 21.30 Uhr, kollidiert sein Motorrad mit einem überholten
Auto. Der leichte Zusammenstoß beschädigt die Lichtanlage des Wagens. Alpi
T. hält nicht an. Er rast mit über 100 Stundenkilometern davon –
Fahrerflucht. Kurz darauf überfährt er Arno S.
An dem Ort steht heute ein Holzkreuz und ein Foto des Opfers. Die Wirtin
der „Überseeklause“ hat es dort aufgestellt. Arno S. war dort Stammgast und
sehr beliebt, sagt die Wirtin. Gerne habe er einen ausgegeben, vor allem
Leuten mit wenig Geld. Am besagten Abend soll er lediglich ein Bier
getrunken haben, keineswegs sei er betrunken gewesen. Sie sagt: „Er war ein
sehr lieber Mensch.“
## Er nannte einen Fußgänger „behinderter Hurensohn“
In einem seiner Videos überfährt T. mit über 100 Sachen beinahe einen
Fußgänger, der die Straße überqueren will. Das Mikrofon an seiner
Helmkamera zeichnet jedes seiner Worte auf, als er an der nächsten Kreuzung
stehen bleibt: „Was für ein behinderter Hurensohn! Er bleibt stehen wie ein
Reh! Er wäre gestorben. Ich hätte ihn in seine Einzelteile zerlegt wie bei
Lego.“
Außerdem sagt er: „Der Speed ist natürlich mein Verschulden – ganz klar: …
schnell darf man da nicht fahren.“ Und lacht. Anschließend gibt er Tipps,
wie man am Besten unvorhersehbaren Hindernissen bei hoher Geschwindigkeit
ausweicht: „Vorbeigucken und vorbeifahren, ganz einfach.“
Bis Februar sind noch sieben Verhandlungstage angesetzt. Am Donnerstag
werden die ersten Zeugen gehört.
12 Dec 2016
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
Motorrad
Unfall
Mordprozess
Bremen
Raser
Motorrad
Motorrad
Landgericht
Motorrad
## ARTIKEL ZUM THEMA
Urteil im Fall des Motorradrasers: Alpi T. ist kein Mörder
Wegen fahrlässiger Tötung hat das Landgericht Bremen den Motorradraser Alpi
T. zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt
Raser-Prozess: Nichts zu verdecken
Ein Sachverständiger widerlegt den Vorwurf der Fahrerflucht: Im Mordprozess
gegen Alpi T. hat ein Zeuge vermutlich falsch ausgesagt
Motorrad-Raser in Bremen vor Gericht: Im Temporausch
Der Videoblogger Alpi T. steht wegen Mordes vor Gericht, weil er einen
Fußgänger totgefahren hat. Mit Youtube-Videos seiner Raserei hat er Geld
verdient.
YouTube fördert die Raserei: Je gefährlicher, desto mehr Klicks
Die meisten Moto-VloggerInnen fahren verantwortungsbewusst. Wer das nicht
tut, kann damit richtig Geld verdienen.
Bremer Prozess um Todes-Fahrer: Zeugen belasten Motorradraser
Mit Videos auf YouTube wollte Alpi T. sein Studium finanzieren. Er tötete
allerdings einen 75-Jährigen. Vor Gericht sagen zwei Zeugen, er habe nicht
gebremst.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.