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# taz.de -- AfD-Politiker Alexander Gauland: Im Dienst seiner selbst
> Alexander Gauland galt als kluger Konservativer. Nun dirigiert er die AfD
> immer weiter nach rechts – und will so in den Bundestag. Was ist
> passiert?
Bild: Sein drittes Leben: Gauland als AfD-Politiker im Landtag von Brandenburg
Ende Januar 1979 steigt Alexander Gauland in ein Flugzeug, um Flüchtlinge
zu retten. Gauland ist 37 Jahre alt und leitet das Büro des Frankfurter
Oberbürgermeisters. In dessen Auftrag soll er 250 Vietnamesen nach
Frankfurt am Main holen – Menschen, die mit Booten vor dem kommunistischen
Regime nach Hongkong geflohen sind. Drei Wochen lang läuft Gauland durch
die Flüchtlingslager, führt Gespräche, verhandelt.
Zum Teil sucht er selbst aus, welche Männer und Frauen in Frankfurt leben
sollen: Mechaniker, Schneiderinnen, Elektriker. Zurück in Deutschland
spricht er vor Journalisten über die elenden Unterkünfte. „Nissenhütten mit
drei Betten übereinander, die Luft ist zum Schneiden“, so zitiert ihn die
FAZ.
Im Juni 2016 steigt Alexander Gauland auf eine Bühne in Elsterwerda, einer
brandenburgischen Kleinstadt. Gauland ist inzwischen 75 Jahre alt, Vizechef
der AfD und Vorsitzender der Partei in Brandenburg. „Demonstration für
unsere Heimat“ heißt die Kundgebung, auf der er heute spricht.
Die Abendsonne taucht den Marktplatz in mildes Licht. „Es ist, liebe
Freunde, eine Politik der menschlichen Überflutung“, ruft Gauland. „Es ist
der Versuch, das deutsche Volk allmählich zu ersetzen durch eine aus allen
Teilen dieser Erde herbeigekommene Bevölkerung.“
Wer Gauland in Frankfurt kennengelernt hat, erkennt ihn in Elsterwerda
nicht wieder. „Das ist unter seinem Niveau“, sagt Christean Wagner von der
hessischen CDU. „Es muss einen Bruch in seinem Leben gegeben haben“, sagt
Daniel Cohn-Bendit, der ihn als Grüner in Frankfurt Anfang der achtziger
Jahre beobachtete. „Sonst wären wir blind gewesen. Wir können diese
deutschnationale Rückwärtsgewandtheit nicht übersehen haben.“
Wann also wurde aus dem Frankfurter Gauland der Gauland von Elsterwerda?
Der junge Beamte Alexander Gauland kommt 1977, mit 36 Jahren, nach
Frankfurt. Sein Mentor, der CDU-Politiker Walter Wallmann, wird
überraschend Oberbürgermeister der Stadt, in der seit 1945 immer die SPD
gewonnen hatte.
## Wie der englische Landadel
Gauland konnte es bis hierher schaffen, weil er mit 18 Jahren die
Entscheidung traf, sein Land zu verlassen. Geboren wird Alexander Eberhardt
Gauland während des Zweiten Weltkriegs in Chemnitz, in einem Viertel voller
repräsentativer Jugendstilhäuser. Sein Vater ist pensionierter
Polizeioberst, seine Mutter Hausfrau. Weil er nicht studieren darf, geht
Gauland nach dem Abitur in den Westen – zwei Jahre bevor die Mauer gebaut
wird. Er studiert Jura in Marburg, promoviert, arbeitet in Bonn für die
Regierung und die CDU-Fraktion.
Als Büroleiter in Frankfurt schreibt Gauland die Reden des
Oberbürgermeisters. Er streut Zitate von Philosophen und verstorbenen
Staatsmännern ein – solche Intellektualität ist man von der CDU dort nicht
gewöhnt. Schon zu dieser Zeit schwärmt Gauland, der Presseattaché in
Edinburgh gewesen war, für alles Britische. Er trägt Tweedjackets wie der
englische Landadel und quetscht sich in einen Mini.
Peter Iden ist skeptisch, als Walter Wallmann und mit ihm Alexander Gauland
nach Frankfurt kommen. Iden ist Kunstkritiker bei der Frankfurter
Rundschau, er setzt sich leidenschaftlich für die Gründung eines Museums
für moderne Kunst ein. Die Frankfurter CDU ist dagegen. Idens Fürsprecher:
der SPD-Kulturdezernent. „Ich bin damals davon ausgegangen, dass er mit dem
CDU-Sieg gehen muss“, sagt Peter Iden.
Der inzwischen 78-Jährige wollte an diesem Tag Anfang Oktober längst wieder
am Gardasee sein, dort verbringt er viel Zeit. Doch jetzt sitzt er erkältet
in seinem Wohnzimmer in Frankfurt und erzählt, wie Gauland zu seinem
Verbündeten wurde: Der Büroleiter riet seinem Chef, den
SPD-Kulturdezernenten zu behalten. Und der blieb im Amt. „Gauland hat uns
bei dem Museum extrem unterstützt, hielt sich aber im Hintergrund.“
Jahrelang treffen sich Iden und seine Mitstreiter zweimal die Woche bei
Campari-Soda in einem Café in der Frankfurter Sandgasse, Gauland ist häufig
dabei. Seitdem sind die beiden befreundet. Iden wird Gründungsdirektor des
Museums und kauft auch mit Gaulands Unterstützung ein: Roy Liechtenstein,
Andy Warhol, Joseph Beuys. Für Iden ist klar: „Ohne Alexander Gauland würde
es dieses Museum nicht geben.“ Dabei glaubt er nicht, dass bei Gauland das
Interesse für moderne Kunst im Vordergrund stand. „Er hat verstanden, wie
wichtig ein solches Schaufenster für Frankfurt ist.“
Und er hat begriffen, dass es ein Schlüssel zum linksliberalen Frankfurter
Bürgertum ist.
Wie passt das zu dem Mann, der auf dem Marktplatz in Elsterwerda steht und
von „menschlicher Überflutung“ spricht?
Noch heute telefonieren Iden und Gauland alle paar Wochen, manchmal treffen
sie sich am Gardasee, in Frankfurt oder Berlin. Er hat Gauland einmal eine
Mail geschrieben, er müsse jetzt sofort aus der Partei austreten. Das war,
als Frauke Petry sagte, an der Grenze müsse die Polizei notfalls auf
Flüchtlinge schießen. Am Telefon räumte Gauland ein, dass die Aussage ein
Fehler gewesen sei. Aber Konsequenzen zog er keine.
Iden glaubt, dass das AfD-Milieu Gaulands Denken verseuche. „Kontaminiert“,
dieses Wort fällt im Gespräch immer wieder. Das klingt nach einem
Jugendlichen, der durch falsche Freunde auf die schiefe Bahn geraten ist.
Aber was, wenn es in Gaulands Leben gar keinen Bruch gab? Wenn in dem Mann,
den selbst Frankfurter Spontis als klugen Diskussionspartner schätzten, der
AfD-Politiker schon steckte? Der Populist, der die Angst vor dem Fremden
schürt?
Will man darüber mit Alexander Gauland reden, schlägt er ein Treffen bei
einem Italiener am Ufer des Tiefen Sees in Potsdam vor, wo er sich stets
mit Journalisten verabredet. Es ist einer dieser warmen Spätsommertage
Mitte September, auf dem See fahren Paddler vorbei. Gauland, wie immer im
karierten Jackett, sitzt auf der Terrasse, auf der gestärkten Tischdecke
vor ihm steht ein Glas Rosé.
## Fast sanft klingt er
„Ich werde oft gefragt, ob es Brüche gab, ob ich mich seit Frankfurt völlig
verändert habe“, sagt er. „Aber das ist die falsche Frage. Damals ging es
darum, das Frankfurter Bürgertum mit Walter Wallmann zu versöhnen. Es
sollte ihn ja wiederwählen.“ Die CDU in Hessen habe als provinziell
gegolten, für Frankfurt nicht intellektuell genug. Fast sanft klingt
Gauland, wenn er von der Frankfurter Kulturpolitik erzählt und davon, wie
er im Flugzeug nach Hongkong einen britischen Lord kennenlernte, dessen
Kontakte zum Polizeichef ihm die Tür zum Flüchtlingslager öffnete. Er sieht
keinen Widerspruch zu seinen heutigen Positionen. „Zuwanderung und Islam
waren damals kein Thema.“
Dabei hat sich Gauland schon früher durchaus dazu geäußert.
„Ich glaube, dass es eine bestimmte Toleranzgrenze gibt, bei der die
Menschen (…) bestimmte Fremdheit nicht ertragen“, sagt er 1991 im Journal
Frankfurt.
„Alles, was (…) den Zerfall aufhält, die Globalisierung einhegt, ist
deshalb gut und richtig: Traditionen und Mythen, Glaubensbekenntnisse und
Kulturen, Ethnien und Grenzen“, schreibt er 2002 in dem Buch „Anleitung zum
Konservativsein“.
„Das Problem, das wir wirklich haben, sind die islamischen Zuwanderer, weil
das eine andere Kultur ist“, sagt er 2009 im Bayerischen Rundfunk.
Alles lange vor der AfD.
Vieles, wofür Gauland heute steht, ist hier im Kern schon zu finden.
Die Vorstellung, dass jede Kultur für sich agieren soll und man sich in
fremde nicht einmischen darf, ist eine Konstante in Gaulands Denken. So
sagen es Menschen, die ihn lange kennen. Diese Vorstellung ist
anschlussfähig an das, was die Neue Rechte „Ethnopluralismus“ nennt: Dass
man die Kulturen – von Rassen sprechen modernisierte Rechtsextremisten
nicht mehr – von einander trennen muss, damit sie nicht geschwächt werden.
Mit einem Vordenker der Neuen Rechten, Götz Kubitschek, hat sich Gauland
vor einigen Monaten in einem Wirtshaus in Merseburg in Sachsen-Anhalt
getroffen. „Ich wollte ihn mal kennenlernen“, sagt er. „Ich sehe an Herrn
Kubitschek nichts, was der Verfassungsordnung der Bundesrepublik
widerspricht.“
Die Verfassung ist das, was Gauland als rote Linie benennt. Im
Umkehrschluss heißt das: Was nicht ausdrücklich verboten ist, ist zulässig.
Gauland teilt seine Biografie in drei Leben. Das erste Leben ist das als
Beamter an Walter Wallmanns Seite. Erst in Frankfurt, dann im
Umweltministerium, schließlich als Leiter der Hessischen Staatskanzlei. Das
zweite Leben ist das als Publizist. Er zog nach Potsdam, wurde Herausgeber
der Märkischen Allgemeinen, verliebte sich dort in eine jüngere Frau und
verließ seine bisherige. In dieser Zeit verfasste er Bücher über die
Windsors, Helmut Kohl und das Konservativsein, schrieb Beiträge darüber für
Zeitungen, auch für die taz. Das dritte Leben schließlich ist das als
AfD-Politiker. „Man hat bestimmte Aufgaben zu bestimmten Zeiten“, sagt
Gauland am Tiefen See.
Und wahrscheinlich stimmt das sogar: dass er entsprechend der
unterschiedlichen Rollen agierte. Aber dennoch ist dieser Satz eine Version
seines Lebens, wie er sie selbst gern hört. Aufgabe, das heißt: Es geht um
den Dienst für etwas Wichtigeres. Aber wer genauer hinschaut, sieht: Es
geht Gauland durchaus auch um sich selbst.
Seine Erzählung für sein drittes Leben lautet – zusammengefasst – so: Dur…
zu viel Veränderung ist Deutschland aus den Fugen geraten, Identität und
Volk sind bedroht. Schuld daran ist vor allem die Kanzlerin, die die Partei
modernisierte. Mehr als 40 Jahre lang war Gauland in der CDU. „Frau Merkel
hat die CDU völlig entleert“, sagt Gauland. Gern erzählt er von dem Tag, an
dem er beschloss aus der CDU auszutreten.
Anfang 2012 hatte der damalige CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe den
Berliner Kreis eingeladen, einen Zusammenschluss rechter Parteimitglieder.
„Er fertigte uns ab wie Schuljungen, selbst das Essen war schlecht“, sagt
Gauland. Als er kurz darauf zu einer Veranstaltung mit dem späteren
AfD-Gründer Bernd Lucke eingeladen wurde, sagte Gauland zu. Sein Engagement
für die AfD begann.
Es ist eine der wenigen Sachen die den CDU-Politiker Christean Wagner an
Alexander Gauland ärgern: Dass Wagner zufällig erfuhr, dass Gauland in die
AfD eingetreten war. „Den Mut, es mir zu erzählen, hatte er offenbar
nicht“, sagt Wagner.
Christean Wagner kennt Gauland seit mehr als 50 Jahren. Die beiden haben
hier in Marburg, wo Wagner heute noch lebt, gemeinsam studiert. Beide
arbeiteten für Walter Wallmann. Später initiiert Wagner den Berliner Kreis.
Bis 2013 ist er Fraktionschef der Hessen-CDU, des rechten Kampfverbands der
Union.
„Ich kann über Alexander Gauland nur Gutes berichten“, sagt Wagner gleich
zu Beginn des Gesprächs.
## Ein kühler Machtpolitiker
Wagner und Gauland haben Merkels Modernisierung erfolglos bekämpft. Dann
trafen sie unterschiedliche Entscheidungen. Wagner blieb in der CDU,
Gauland ging. Inhaltlich aber gibt es weiter Schnittmengen. Gauland könne
bei manchen Themen nicht verleugnen, dass er über 40 Jahre CDU-Mitglied
gewesen sei. „Eine Radikalisierung der Positionen sehe ich nicht“, sagt
Wagner.
Aber Gauland sei verantwortungsloser bei der Wahl seiner Mittel. Sich
Linken-Wählern an den Hals zu werfen, wie es Gauland im Brandenburg mit
einem Brief getan habe, und die betonte Freundschaft zu AfD-Ganzrechtsaußen
Björn Höcke: „Das kommt mir machiavellistisch vor“, sagt Wagner. „Das n…
er, um die AfD stark zu machen.“
Dass Gauland ein kühler Machtpolitiker ist, mussten in seiner Karriere
manche schmerzlich erfahren. Seinen Stiefsohn Stefan Hein, der sehr zum
Brandenburger Wahlerfolg der AfD beigetragen hat, warf er kurzerhand aus
der Fraktion. Hein hatte dem Spiegel Interna erzählt. „Sonst wäre die
Fraktion auseinandergefallen“, sagt Gauland.
Als der AfD-Mitbegründer Konrad Adam, ein langjähriger Freund Gaulands, ihn
um Rückendeckung für eine Vorstandskandidatur bat, half Gauland ihm nicht.
Er wollte die Unterstützung des hessischen Landesverbands, mit dem sich
Adam überworfen hatte, nicht aufs Spiel setzen. „Gauland agiert
machtpolitisch und völlig emotionslos“, sagt Adam. „Mehrheiten sind ihm
wichtiger als Freundschaften.“
Gauland wohnt in Potsdam, die Villen von Günther Jauch und Kai Diekmann
sind nicht weit entfernt. Ein Weggefährte erzählt, dass in seinem
Wohnzimmer zwei Stiche hängen. Auf dem einen ist Edmund Burke zu sehen, der
irisch-britische Liberale, der als einer der geistigen Väter des
Konservatismus gilt.
Weniger bekannt, aber vielleicht wichtiger, um Gauland zu verstehen, ist
der Mann auf dem zweiten Stich: Charles Maurice de Talleyrand-Périgord. Er
habe Talleyrand immer sehr verehrt, sagt Gauland. „Die erste Biografie habe
ich mit 18 gelesen.“ Talleyrand war ein französischer Staatsmann und
Diplomat. Er hat in seinem politischen Leben im 18. und 19. Jahrhundert
sechs Regimen gedient. Deshalb gilt Talleyrand vielen als Inbegriff des
Opportunismus. „Das kann man so sagen“, sagt Gauland. „Ich bewundere aber,
dass er sich an das nationale Interesse gebunden hat und nicht an ein
System.“
Gaulands Begeisterung für Talleyrand passt gut zu seinen drei Leben. So
unterschiedlich diese auch sind: Immer geht es darum, womit er innerhalb
der jeweiligen Koordinaten den stärksten Einfluss erzielt. Den meisten
Erfolg. Die größte Macht. Im kommenden Jahr will Gauland als einer von drei
Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl antreten.
## „Ich will mich nicht verändern“
Beim Italiener am Tiefen See hat Alexander Gauland die Kalbsbäckchen
verspeist, der Kellner hat längst den zweiten Rosé gebracht. Müde sieht er
aus, wie er manchmal, die Augen halb geschlossen, auf seine gefalteten
Hände starrt. Gauland hatte vor vielen Jahren einen Herzinfarkt, seitdem
hat er in seinem kleinen Lederkoffer, der jetzt im Auto – inzwischen ein
Jaguar – liegt, immer jede Menge Medikamente dabei. Im vergangenen Jahr
musste er aus Krankheitsgründen mehrere Wochen aussetzen.
Herr Gauland, warum spalten Sie das Land?
„Wir spalten nicht, Frau Merkel spaltet mit ihrer Politik das Land.“
Sie vergleichen Flüchtlinge mit Barbaren, die den Limes überrennen.
„In der politischen Diskussion muss man zuspitzen. Wir formulieren eine
berechtigte Angst.“
Dass ein Kalifat in Deutschland droht, halten Sie das für eine berechtigte
Angst?
„Ich kann doch nicht erst schreien, wenn es zu spät ist. Natürlich ist ein
Kalifat oder die Scharia statt unserem Grundgesetz in die Zukunft gedacht.
Aber die Bedrohung sehe ich.“
Bei 5 Prozent Muslimen?
„Rechnen Sie doch mal. Nehmen wir eine Zuwanderung von 200.000 pro Jahr an,
wo die CSU die Obergrenze setzen will. Das sind in 20 Jahren 4 Millionen.
Dann ist die muslimische Gemeinschaft so groß, dass sie mitbestimmen kann.
Ich will nicht akzeptieren, dass es in der Schule kein Schweinefleisch mehr
gibt. Morgen kommt einer auf die Idee, dass man Weihnachten nicht mehr
feiern darf. Das ist meine Heimat, ich will mich nicht verändern.“
Auf einer Autofahrt von Potsdam nach Dresden, Gauland ist dort zu einem
Streitgespräch eingeladen, beginnt er auf der Rückbank des VW-Transporters
von selbst über seine Tochter zu sprechen. Sie ist evangelische Pfarrerin.
„Ich finde es schrecklich, was er sagt“, sagte sie vor einigen Monaten der
Zeit. Und: „Er hat gemerkt, er kommt damit an.“
Beobachtet man Gauland dabei, wie er auf Marktplätzen von der
„Kanzler-Diktatorin“ spricht und die Menge dann „Merkel muss weg!“
skandiert, dann kann man in seinem Gesicht ein feines Lächeln sehen. In
solchen Momenten kann er seinen Erfolg spüren.
Wenn Gauland über seine Tochter redet, dann sagt er, wie nah sie sich
stehen, und dass sie im Februar zusammen nach Indien gereist seien.
## „Ich bin derselbe Mensch geblieben“
Gauland trennt seine politische Arbeit scharf von seinen persönlichen
Beziehungen, so scharf, als hätte die Politik wenig mit ihm als Person zu
tun. „Ich bin doch derselbe Mensch geblieben“, sagt er. Vielleicht fällt
Gauland der weite Weg vom Frankfurter Römer auf den Elsterwerdaer
Marktplatz auch deshalb so leicht: weil er Politik so kühl analysiert und
seziert, als betreffe sie ihn im Kern nicht.
Ein Mittwochabend im November, die AfD lädt in die Gaststätte Die
Bratpfanne am Markt von Templin, einer Kleinstadt in der Uckermark.
Bürgerdialog mit Gauland. Die Tische sind weggeräumt, die Stuhlreihen gut
zur Hälfte besetzt, gleich soll es losgehen. Während eine
AfD-Landtagsabgeordnete viele der Besucher mit Handschlag oder Umarmung
begrüßt, sitzt „Doktor Gauland“, wie sie ihn hier nennen, vorn am Tisch,
den Kopf gesenkt, und macht sich Notizen.
Gauland soll Fragen der Bürger beantworten. Es dauert nicht lange, da setzt
ein Mann im Publikum zum Vortrag an: Deutschland sei noch immer besetzt und
das Grundgesetz keine Verfassung. Gauland, die Hände gefaltet, hört
geduldig zu. „Auch wenn ich mich unbeliebt mache“, sagt er dann, „ganz ka…
ich Ihnen da nicht folgen. Natürlich ist das Grundgesetz eine Verfassung.“
Es ist eines der wenigen Male, dass Gauland einem der Redner im Publikum
widerspricht. Ganz gleich, ob eine Frau sagt, ihre Wohnung werde
manipuliert, ob einer für das DDR-Bildungssystem schwärmt oder ein anderer
ausführt, dass Deutschland von Amerika ferngesteuert sei und hier ein Krieg
vorbereitet werde. Gauland hört zu, nickt, antwortet verständnisvoll.
Von Gauland stammt der Satz, dass die AfD die Partei der kleinen Leute sei.
Früher musste er das Frankfurter Bürgertum gewinnen, um seinen
Oberbürgermeister an der Macht zu halten. Im kommenden Jahr sollen Bürger
wie die, die in die Bratpfanne gekommen sind, die AfD zweistellig in den
Bundestag wählen. Er, der Machtpolitiker, weiß, dass er diese Leute
braucht.
Gauland setzt zum Schlusswort an. Er sagt: „Ich habe selten so viele
kompetente Fragen zu hören bekommen wie hier in Templin.“ Dann nickt er dem
Publikum zu.
16 Dec 2016
## AUTOREN
Sabine am Orde
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Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt AfD
Rechtspopulismus
CDU
Alexander Gauland
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Jörg Meuthen
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