# taz.de -- Uli Hoeneß wird wieder Bayern-Präsident: Der Rückkehrer | |
> Vor 270 Tagen wurde Uli Hoeneß aus der Haft entlassen. Sollte ein | |
> Wettsüchtiger und Steuerhinterzieher inthronisiert werden? | |
Bild: Schnief: Das Herz des FC Bayern | |
## Pro | |
„Das war’s noch nicht.“ Sagte Uli Hoeneß seinerzeit vor jubelnden | |
Bayern-Fans. Und damals, im Frühjahr 2014, dachte man angesichts der | |
Schwere seines Steuervergehens: Ganz schön präpotent und | |
realitätsvergessen, so eine Ansage. Ein typischer Hoeneß-Satz halt. Da geht | |
einer für mehrere Jahre in den Knast und hat die Chuzpe, seine Wiederkehr | |
auf den Thron des konstitutionellen Monarchen im Amüsierbetrieb des FC | |
Bayern München einfach mal so anzukündigen, als gäbe es keine anderen | |
Mächtigen im Klub, die vielleicht etwas dagegen haben, ganz zu schweigen | |
von der kritischen Öffentlichkeit. Das sagte viel über den FC Bayern, den | |
Status und das Selbstverständnis dieses Mannes. | |
Als Hoeneß in der Kleiderkammer der Justizvollzugsanstalt Landsberg am Lech | |
Dienst tat und es nicht gut um ihn und seine Reputation stand, da konnten | |
sich immer weniger Fußballexperten in der Republik vorstellen, dass Hoeneß | |
seine kämpferische Ankündigung, wie Phoenix aus der Asche zu erstehen, in | |
die Tat umsetzen würde. Aber wie so vieles hat es die Zeit gerichtet. | |
Hoeneß zeigte sich dosiert demütig, arbeitete, wenn man so will, in den | |
Niederungen des Vereins als Nachwuchskoordinator, und so langsam machte | |
auch die alte Entourage wieder Werbung für den gefallenen Fußballpaten von | |
der Säbener Straße. | |
Da habe einer Buße getan, sei nach innerer Einkehr zu der Erkenntnis | |
gekommen, dass er, mittlerweile 64 Jahre alt, dem FC Bayern München | |
weiterhin „dienen“ wolle. Das war fast zu schön, um wahr zu sein, denn wer | |
Hoeneß aus alten Tagen kennt, der mochte nicht an eine Metamorphose dieses | |
bedingungslosen Macht- und Geldmenschen hin zum reinen Philanthropen | |
denken. | |
Aber mittlerweile ist Hoeneß wieder angekommen in Fußballdeutschland. | |
Manager anderer Klubs senden ihm schon vor seiner Wahl auf der | |
Mitgliederversammlung am heutigen Freitag eifrig Grußbotschaften, nur sehr | |
wenige sehen die Nominierung kritisch, wie etwa der Linken-Politiker André | |
Hahn, der meint, Hoeneß sei kein „Vorbild“ mehr und tauge deswegen nicht | |
für den Posten des Präsidenten des FC Bayern e. V. und als | |
Aufsichtsratschef der FC Bayern Kommanditgesellschaft auf Aktien. In Bayern | |
und speziell beim deutschen Meister sehen sie das ein bisschen anders. | |
Da wird nicht sauer herummoralisiert, da werden ganz pragmatisch Geschäfte | |
gemacht. Und in diesem Business wägt man ab, ober einer wie Hoeneß, also | |
ein Mann mit einer Vorstrafe, dem FC Bayern München noch etwas nützt oder | |
eben nicht. Uli Hoeneß, so wurde entschieden, wird noch gebraucht, weil er | |
ein besonderer Typ ist, so etwas wie das Sonnengeflecht, das über das | |
nervale Geschehen des Bayern-Bauchs bestimmt. Ein emotionaler Leader. | |
Uli Hoeneß gibt dem FC Bayern etwas, was ihm der technokratische Karl-Heinz | |
Rummenigge, andere blasse Vorständler und namenlose Hintersassen nicht | |
geben. Hoeneß garantiert Unterhaltung – und das ist in einem | |
Unterhaltungsunternehmen schon sehr wichtig. Erwartet wird, dass Hoeneß | |
künftig nicht nur den Elder Statesman gibt, sondern auch rotgesichtig und | |
wutschnaubend drauflos belfert, Bayern-Spieler in einer Formkrise | |
aufscheucht und insgesamt als Reizfigur Energien auf sich zieht. So wie | |
früher. | |
Die Sehnsucht nach dem guten alten FC Bayern, wo der Patriarch Gutes tat | |
und die böse Konkurrenz verschreckte, ist offenkundig groß. Dass | |
ausgerechnet ein Steuertrickser diese Rolle einnimmt, gehört zu den | |
Paradoxien des modernen Fußballbetriebs. Aber damit die kognitiven | |
Dissonanzen nicht allzu groß werden, ist, zumindest in der Anhängerschaft | |
des Seriensiegers, das Kapitel Steuervergehen im Grunde abgehakt und | |
erledigt. | |
Klar, der Mann hat eine zweite Chance verdient. Ein Privileg ist das | |
freilich schon, auf gewohntem Niveau wieder einzusteigen. Denn welcher im | |
Knast gelandete Gabelstaplerfahrer, welche Pfandbons einbehaltende | |
Supermarktkassiererin kann schon darauf hoffen, mit Humtata an den alten | |
Arbeitsplatz zurückzukehren. Uli Hoeneß wäre aber nicht Uli Hoeneß, wenn | |
sein Beispiel nicht Schule machen würde. Schön wär’s. (Markus Völker) | |
## Contra | |
Die Resozialisierung von Straftätern ist bis vor Kurzem nicht gerade ein | |
Thema gewesen, das viele Herzen in dieser Republik hätte höher schlagen | |
lassen. Aber seitdem der millionenschwere Steuersünder Uli Hoeneß nach | |
einer standesgemäßen Wiedereingliederung strebt und erneut Präsident des FC | |
Bayern werden möchte, hört man allerorten das mahnende Gebot: Jeder hat | |
eine zweite Chance verdient. Und juristisch betrachtet spräche sowieso | |
nichts gegen eine Wiederwahl von Hoeneß. | |
Beides ist richtig. Was in der derzeit populistisch aufgeladenen | |
Argumentation für Hoeneß dabei aber fast in Vergessenheit gerät: Die | |
Vergabe des Präsidentenamts beim FC Bayern ist keine Sozialmaßnahme. | |
Theoretisch könnte auch ein anderer gewählt werden. Oder eine andere, um | |
noch theoretischer zu sprechen. | |
Dann müsste Uli Hoeneß sich messen lassen, weshalb er sich im Vergleich zu | |
einem anderen Kandidaten besser für das Führungsamt eignet. Für diesen | |
Auswahlprozess würde dann gewiss legitimerweise auch eine Rolle spielen, | |
dass Hoeneß in der Vergangenheit als Präsident des Vereins mit dem Geld von | |
Netzwerkpartnern des Vereins, das er privat zur Verfügung gestellt bekam, | |
an der Börse zockte und Steuern hinterzog. | |
Aber niemand traut sich, Hoeneß in derlei Verlegenheiten zu stürzen. Eine | |
Gegenkandidatur wäre aber nicht nur als eine Art Majestätsbeleidigung | |
aufgefasst worden, sondern eben auch als Stolperstein für die | |
Wiedereingliederung eines so verdienstvollen Mannes des deutschen Fußballs. | |
Als Manager in der Wirtschaft hätte Hoeneß dagegen keine Chance gehabt, von | |
seinem alten Arbeitgeber wieder ausgewählt zu werden. Im Sport herrschen | |
bekanntlich andere Regeln. In der Familie wird niemand fallen gelassen | |
Bei den Mitgliedern des FC Bayern ist am Freitagabend mit einer | |
Zustimmungsquote von über 90 Prozent für Hoeneß zu rechnen. Und auch unter | |
den Vertretern der anderen Vereine in der Bundesliga findet man keinen, der | |
es wagen würde, dem FC Bayern einen anderen Präsidenten zu wünschen. | |
Eine seltsame Beißhemmung hat sich breitgemacht. Unter den Parteien in | |
diesem Lande traute sich lediglich die Linke, die bevorstehenden | |
Inthronisierung von Hoeneß zu kritisieren, weil er in so einem | |
repräsentativen Amt nicht als Vorbild tauge. Es scheint fast so, als ob die | |
Haftstrafe den Zockerkönig Hoeneß noch unangreifbarer gemacht hätte. Und so | |
kann er, der fast 30 Millionen Euro veruntreut hat, keck erklären, dass er | |
sich künftig noch viel mehr für die Kleinen einsetzen will. | |
Hoeneß war schon immer ein begabter Populist. Er steht für das Gefühlige. | |
Er will für das „Herz“ des Vereins stehen, hat er angekündigt. Und sein | |
Markenzeichen „das klare Wort“, möchte er weiter pflegen. Es deutet also | |
viel darauf hin, dass er den Verein so patriarchal weiterführen wird, wie | |
er es in der Vergangenheit gemacht hat, dass Hoeneß wieder klar zwischen | |
falsch und richtig entscheiden wird. Wer seiner Meinung ist, hat ein Herz | |
für den FC Bayern – oder eben nicht. | |
Das Problem bei Uli Hoeneß ist, dass seine Bauchpolitik immer vom Anspruch | |
lebte, die Moral für sich gepachtet zu haben. Die Inszenierung seiner | |
Integrität hat ihn zum Ansprechpartner in Talkshows zu allen möglichen | |
gesellschaftlichen Fragen werden lassen. Es ist absehbar, dass ihm künftig | |
dieser Anspruch beständig auf die Füße fallen wird. | |
Nach innen mag Hoeneß für die schlichte Vereinsseele identitätsstiftend | |
wirken, nach außen sendet der FC Bayern mit seiner Wiederwahl ein | |
verheerendes Signal. Er lässt sich von einem Mann, der mit aller Macht | |
seine verloren gegangene Reputation zurückerkämpfen will, zur Geisel | |
machen. Es geht auf der Mitgliederversammlung am Freitagabend um das | |
Lebenswerk von Uli Hoeneß, das dieser in seinem Sinne vollenden will. Er | |
will seine persönlichen Verfehlungen vergessen machen. Hoeneß hat vor | |
seinem Haftantritt erklärt, er wolle dem Verein bis zu seinem letzten | |
Atemzug dienen. Es ist aber genau umgekehrt. Der FC Bayern hat sich zum | |
Büttel von Uli Hoeneß gemacht. (Johannes Kopp) | |
24 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
Johannes Kopp | |
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