| # taz.de -- Krach bei Transparency International: Korruptionsbekämpfer in der … | |
| > Die Antikorruptions-Organisation streitet vor Gericht: Transparency | |
| > International kämpft gegen Mitspracherechte ihrer Mitarbeiter. | |
| Bild: Gegen das Korrumpieren soll die Organisation helfen, jetzt ist Transparen… | |
| Transparency International (TI) steckt in einer tiefen Krise. Die | |
| Transparenzhüter müssen sparen und umstrukturieren. Gleichzeitig kämpft die | |
| Antikorruptions-Organisation vor dem Berliner Arbeitsgericht gegen den | |
| eigenen Betriebsrat, der einen Wirtschaftsausschuss gründen will. Jetzt ist | |
| der Chef von Transparency über die Konflikte gestolpert, berichtet der | |
| Rechercheverbund Correctiv. | |
| TI sieht sich gern als Speerspitze im weltweiten Kampf gegen Bestechung, | |
| gegen korrupte Eliten, die ihre Reichtümer in Scheinfirmen und | |
| Steuerparadiesen verstecken. Doch intern geht es bei TI weniger fein zu. | |
| Wie schwer sich TI im Umgang mit dem eigenen Personal tut, zeigt ein | |
| aktueller Prozess vor dem Berliner Arbeitsgericht. | |
| Seit etwa einem Jahr strukturiert TI das weltweite Sekretariat mit Sitz in | |
| Berlin um. Das Sekretariat ist das Nervenzentrum der Organisation. Es | |
| unterstützt die nationalen Verbände in ihrer Arbeit. Doch im Laufe der Zeit | |
| haben sich an der Spitze erstaunlich viele teure Manager angesiedelt rund | |
| um den südafrikanischen Geschäftsführer Cobus de Swardt, der fast zehn | |
| Jahre an der Spitze stand. Diese Woche wurde de Swardt nach Informationen | |
| von Correctiv an der Spitze der Organisation abgelöst. | |
| Um Kosten zu senken, hat TI die Hierarchien geändert und Personal abgebaut. | |
| Die Betriebsräte wollten in dieser Situation die Rechte der Arbeitnehmer | |
| stärken und einen sogenannten Wirtschaftsausschuss gründen. Ein solcher | |
| Ausschuss kann zum Beispiel stärker Einsicht in die Finanzen der | |
| Organisation verlangen. Das Management von TI versucht bis heute, diese | |
| Gründung zu verhindern und ging dafür sogar vor Gericht. | |
| ## TI will politischer Tendenzbetrieb sein | |
| Um zu verstehen, wie die TI-Spitze dabei vorging, muss man in die Details | |
| des Arbeitsrechts in Deutschland eintauchen. Im Streit mit dem Betriebsrat | |
| zog TI vor das Arbeitsgericht Berlin, um sich selber zu einem sogenannten | |
| politischen Tendenzbetrieb zu erklären. Ein Tendenzbetrieb ist eine | |
| Organisation oder ein Unternehmen, das besondere gesellschaftliche Aufgaben | |
| erfüllt oder das politisch aktiv ist. Kirchen oder Medien zum Beispiel sind | |
| auch Tendenzbetriebe. | |
| Die Mitarbeiter in Tendenzbetrieben genießen bei Kündigungen weniger Schutz | |
| als in normalen Betrieben. Tendenzbetriebe können vereinfacht gesagt | |
| Arbeitnehmer wegen ihrer politischen Gesinnung kündigen. Ein weiterer | |
| Vorteil eines Tendenzbetriebs aus Sicht des Arbeitgebers ist, dass seine | |
| Betriebsräte keinen Wirtschaftsausschuss gründen können. Das Arbeitsgericht | |
| Berlin jedoch urteilte im Juli, dass TI kein Tendenzbetrieb sei und folgte | |
| damit den Argumenten des Betriebsrats. Gegen dieses Urteil hat TI nach | |
| Angaben einer Gerichtssprecherin wiederum Beschwerde eingelegt. | |
| In der Transparency-Zentrale ist das Klima zwischen dem Management und den | |
| Betriebsräten inzwischen vergiftet. Offenbar um die Situation zu | |
| entschärfen, hat es jetzt personelle Konsequenzen gegeben. Eine Sprecherin | |
| von TI bestätigte gegenüber [1][correctiv.org], dass Lucas Olo Fernandes in | |
| dieser Woche die Aufgaben von Cobus de Swardt als Geschäftsführer | |
| übernommen hat. Fernandes, der aus Äquatorial-Guinea stammt, war bisher bei | |
| TI für die Region Zentralafrika zuständig. | |
| Bei den internen Streitigkeiten geht es offenbar auch um teure | |
| Zweitwohnsitze, die sich einige Führungskräfte außerhalb Deutschlands | |
| geleistet haben sollen, wie aktuelle und ehemalige Transparency-Mitarbeiter | |
| gegenüber correctiv.org sagten. | |
| In einer Sitzung mit dem Betriebsrat Anfang November soll TI weitere | |
| Entlassungen angekündigt haben. Das Klima in der Organisation ist | |
| inzwischen so schlecht, dass einige Angestellte glauben, TI wolle sogar mit | |
| Hilfe weiterer Entlassungen einen Wirtschaftsausschuss verhindern. Denn | |
| einen solchen Ausschuss dürfen Betriebsräte nur dann gründen, wenn ihr | |
| Unternehmen mehr als 100 Angestellte beschäftigt. Im Sommer arbeiteten noch | |
| mehr als 150 Leute bei TI. | |
| Transparency International reagierte bis Redaktionsschluss nicht auf eine | |
| Anfrage von correctiv.org. Der Betriebsrat lehnte eine Antwort unter | |
| Verweis auf aktuelle Verhandlungen mit dem Management ab. | |
| Derzeit wirkt TI durch die Auseinandersetzungen um Entlassungen und | |
| Kostensenkungen wie gelähmt. Im Urteil des Berliner Arbeitsgerichts kann | |
| man auch lesen, dass nach Ansicht des Betriebsrats das Sekretariat in | |
| Berlin nur als Verwaltungsapparat diene, während die wirkliche Arbeit in | |
| den Landesverbänden vor Ort stattfinde. Auch die Umsetzung des im | |
| vergangenen Jahr beschlossenen Fünf-Jahres-Plans finde kaum statt. | |
| Außerdem muss Transparency sparen. Im vergangenen Jahr hat die Organisation | |
| noch 27 Millionen Euro eingenommen. Doch dem Vernehmen nach soll für das | |
| kommende Jahr ein Loch von mehreren Millionen Euro im Etat klaffen. Grund | |
| für das Loch sind offenbar vor allem geringere Zuwendungen der britischen | |
| Regierung. | |
| All das ist viel Gesprächsstoff für die Delegierten aus aller Welt, die vom | |
| 1. Dezember an zur weltweiten Antikorruptionskonferenz IACC zusammen | |
| treffen. Diese alle zwei Jahre stattfindende Konferenz verkauft | |
| Transparency auch an solche Regierungen, die damit ihren angeschlagenen Ruf | |
| reinwaschen wollen. | |
| Für die Konferenz am 1. Dezember hat Transparency dafür einen besonders | |
| passenden Ort gewählt – die Steueroase Panama. | |
| Der Autor ist Mitarbeiter des Recherchezentrums CORRECTIV. Die Redaktion, | |
| die mit der taz kooperiert, finanziert sich ausschließlich über Spenden und | |
| Mitgliedsbeiträge. Ihr Anspruch: In monatelanger Recherche Missstände | |
| aufzudecken und unvoreingenommen darüber zu berichten. Informationen finden | |
| Sie unter [2][correctiv.org] | |
| 18 Nov 2016 | |
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| ## AUTOREN | |
| Frederik Richter | |
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