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# taz.de -- Museumsbau in Abu Dhabi: Miserable Arbeitsbedingungen
> Louvre und Guggenheim bauen in Abu Dhabi Museen. Die Bedingungen, unter
> denen die migrantischen Bauarbeiter schuften, sind erbärmlich.
Bild: Das Gegenteil vom Traumjob: Arbeiter in Abu Dhabi auf dem Weg zur Schicht
Schichtwechsel auf der Insel Saadiyat. Schmutzig weiße Busse rumpeln über
die Sandpisten der aufgeschütteten Insel. Sie transportieren Bauarbeiter
aus Indien, Pakistan und Nepal von den Museumsbaustellen des Louvre Abu
Dhabi, der Guggenheim Abu Dhabi und des neuen Nationalmuseums hin zu ihren
Unterkünften. Im Rahmen des insgesamt 27 Milliarden Dollar schweren
Projekts werden neben den Museen und einer Dependance der New York
University auch Luxushotels und Wohnsiedlungen errichtet. Ein gigantischer
Plan, bei dem den Kulturbauten offenbar die Aufgabe der Wertsteigerung für
die Immobilien zufällt.
Von ihren Baustellen sollten die Arbeiter eigentlich nur einen kurzen Weg
zu ihren Unterkünften zurücklegen. Noch auf der Insel ließ die
Planungsbehörde TDIC (Tourism Development and Investment Company)
Musterunterkünfte mit maximal sechs Mann Belegung, Sportanlagen und Friseur
errichten. Dies geschah aber erst nach Protesten von internationalen
Gewerkschaftsorganisationen und Human Rights Watch, die die schlechten
Arbeits- und Lebensbedingungen der migrantischen Bauarbeiter bemängelten.
„Systematische Menschenrechtsverletzungen“ beklagte Human Rights Watch
2009.
Obwohl laut Angaben der TDIC alle derzeit 5.555 Arbeiter der
Prestigebaustellen auf Saadiyat in den neuen Unterkünften untergekommen
sein sollen, verliert sich einer der Busse dennoch im Berufsverkehr in
Richtung Industrial Area von Mussafah. Dort, am Rande Abu Dhabis, lebt das
Gros der migrantischen Arbeiter, die auf den nicht so sehr im Rampenlicht
stehenden Baustellen tätig sind und sich oft zu zehnt ein Zimmer teilen.
Eine Spur von Privatsphäre stellen die Männer her, indem sie
Doppelstockbetten mit Tüchern verhängen.
Diese Höhlen kann man sehen, manche Arbeiter lassen Fremde hinein. Den
Zugang zum Saadiyat Village hingegen versperrt ein Wachmann. Rein darf man
nur mit Erlaubnis der TDIC. Die reagiert auf Anfragen aber nicht.
Journalisten haben daher praktisch keinen Zugang. Abgesandte von Human
Rights Watch und Vertreter der Künstlerinitiative Gulf Labour, die die
Bauvorhaben seit 2011 kritisch begleitet, ebenfalls nicht.
## Einreiseverbot für Human Rights Watch
Human Rights Watch ließ man 2015 noch einen Bericht veröffentlichen und mit
Arbeitern sprechen – mittlerweile sind Mitarbeiter der Organisation aber
mit einem Einreiseverbot belegt. Offenbar eine Reaktion auf den letzten
Bericht, der nach sechs Jahren Bautätigkeit zwar Verbesserungen bei
Unterkunft und Essen konstatiert, aber auch weiterhin Probleme wie
Rückstände bei den Lohnzahlungen, Rekrutierungsgebühren zulasten der
Arbeiter und das Einziehen der Pässe auflistet.
Manches davon taucht auch in den Prüfberichten der Unternehmensberater
PricewaterhouseCoopers (PwC) auf, die 2011 von der Planungsbehörde TDIC als
externer Kontrolleur bestellt wurden, nachdem der öffentliche Druck
zugenommen hatte. Aber selbst die Unternehmensberater konstatieren in ihrer
im Januar 2016 veröffentlichten Untersuchung gravierende Mängel. Sie
bezeichnen sie im üblichen Business-Schönsprech als „Herausforderungen“.
Die Rekrutierungsgebühren etwa, die ungefähr die Hälfte der von PwC
befragten Männer beklagten, belaufen sich auf das Zwei- bis Fünffache der
versprochenen Monatslöhne. Sie führen dazu, dass die Arbeiter deshalb die
erste Zeit de facto nichts verdienen. Viele müssen sich zuvor auch für die
Gebühren Geld borgen und horrende Zinsen berappen. Dass sich diese Praxis
auch im Jahre 2016 nicht geändert hat und selbst laut PwC nur einzelne
Arbeitgeber die Gebühren an die Arbeiter zurückerstatteten, ist skandalös.
Es zeigt, dass die Bedingungen für die Arbeiter trotz bunter Broschüren
über „Workers’ Welfare“ eben nur geringe Priorität haben. Größere Bed…
haben technische Herausforderungen. Die Kombination von Meereswasser und
Wüstensand etwa, die Architekt Jean Nouvel für die am Ufer gelegene elegant
geschwungene Konstruktion des Louvre Abu Dhabi vorsah. Für die Baustelle
musste erst das Wasser abgepumpt und dann wieder in die Becken
hereingelassen werden. „Wir müssen mit sehr aggressiven äußeren Bedingungen
– Wüste und Seewasser – und den sehr strikten Anforderungen für
Trockenheit, die das Museum hat, klarkommen“, blickt Brian Cole, einer der
Ingenieure des Baus, stolz auf das Erreichte.
## Proteste von Gulf Labour
Von seiner Fertigstellung ist der Bau aber noch weit entfernt. Die
ursprünglich für 2012 geplante Eröffnung wurde in mehreren Schritten auf
zuletzt 2017 verlegt. Daran glauben mag in Abu Dhabi aber kaum jemand. Noch
mehr Verzug herrscht beim Guggenheim. 2011 wurden zwar die ersten
Betonpfeiler für das Projekt vom Architekturstar Frank Gehry in den
Wüstenboden gerammt. Danach kehrte aber Ruhe ein, weil keine Bauaufträge
mehr ausgeschrieben wurden. Eröffnungstermin? Unklar.
Es scheint, als hätte die Guggenheim die Lust auf Expansion verloren.
Heftiger Wind schlug ihr vor allem wegen der Proteste von Gulf Labour ins
Gesicht. Die Künstlerinitiative – ihr gehören unter anderem Tania Bruguera,
Hans Haacke und Walid Raad an – machte mit Protestaktionen am
Guggenheim-Stammsitz in New York auf die Arbeitsbedingungen in der Wüste
aufmerksam. Die Museumsmanager waren daraufhin zu Gesprächen bereit. Weil
dabei für Gulf Labour zu wenig rauskam, kündigte die Gruppe im Oktober 2016
die Gespräche auf – eine symbolische Ohrfeige. Und eine moralische Hürde
für jeden Künstler, sich später an Projekten des Guggenheim Abu Dhabi zu
beteiligen.
Wer als Besucher zu den Museen kommen soll, ist ohnehin unklar. Der Wunsch,
Kunst zu sehen, treibt kaum jemanden in die Golfregion. Die aufwendig
gestalteten Museen für Zeitgenössische und für Islamische Kunst in Doha,
aber auch das mit der Sharjah Biennale verbundene Museum für Islamische
Zivilisation kann man meist in schönster Einsamkeit besuchen.
## Größter Kunde für Waffenexporte
Welche Funktion die Museumsbauten im Wüstensand eigentlich haben, wurde
beim Besuch des französischen Verteidigungsministers im Oktober 2016 in Abu
Dhabi deutlich. Während die schon fertigen Kunsttempel kaum Interesse
generieren und die Museums-Baustellen vor Kritikern fein abgeschirmt
werden, wurde Minister Jean-Yves Le Drian extra zum Louvre chauffiert.
Lokale Medien verkündeten während des Besuchs stolz, dass die Vereinigten
Arabischen Emirate Frankreichs größter Kunde für Waffenexporte seien.
Nicht Kunst und Kultur bringen die beiden Länder zusammen, sondern die
gemeinsamen Interessen am schnöden Waffenhandel. Kunst ist Beiwerk und
Bühne für die Deals. Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, warum
im Juli im Pariser Louvre in Anwesenheit von Frankreichs Präsident François
Hollande das Sheikh Zayed Bin Sultan Al Nahyan Centre feierlich eröffnet
wurde: Bei den nächsten Verhandlungen über militärische Ausrüstung können
sich die Abgesandten aus Abu Dhabi auch im Pariser Louvre ganz zu Hause
fühlen.
28 Dec 2016
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
Abu Dhabi
Museum
Louvre
Biennale Venedig
Reiseland Arabische Emirate
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