| # taz.de -- Korruption in Russland: Wirtschaftsminister kassiert | |
| > Alexei Uljukajew wird in Moskau festgenommen. Er soll für ein Ölgeschäft | |
| > zwei Millionen Dollar Schmiergeld angenommen haben. | |
| Bild: Hinter Gittern: Wirtschaftsminister Alexei Uljikajew | |
| Moskau taz | Sie kamen in der Nacht wie einst Stalins Häscher. Um 2 Uhr 33 | |
| meldete das russische Untersuchungskomitee (SKR) auf seiner Website die | |
| Festnahme des Ministers für Wirtschaftsentwicklung Alexei Uljukajew. Dem | |
| 60jährigen wird zur Last gelegt, Schmiergeld in „besonders großem Umfang“ | |
| entgegengenommen zu haben. Zwei Millionen Dollar soll Uljukajew für seine | |
| Zustimmung zum Erwerb der Ölgesellschaft Baschneft durch Russlands größten | |
| Ölkonzern „Rosneft“ erhalten haben. | |
| Laut der Sprecherin der Untersuchungsbehörde Swetlana Petrenko wurde | |
| Uljukajew „in flagranti“ ertappt. Er hätte „auch noch versucht, seinen | |
| Schutzherrn anzurufen, jedoch vergeblich“, triumphierte die Sprecherin. | |
| Die staatlichen Medien feierten die Verhaftung denn auch als einen | |
| besonders erfolgreichen Schlag gegen Korruption. Seit 1991 wurde kein so | |
| ranghohes Mitglied einer russischen Regierung wegen Korruptionsverdachtes | |
| festgenommen. | |
| Der Kauf von Baschneft wirbelte schon seit Monaten Staub auf. Zunächst | |
| sollte die Privatisierung des sechstgrößten Ölproduzenten des Landes dem | |
| klammen russischen Haushalt neue Einnahmen zuführen. Minister Uljukajew | |
| wehrte sich unterdessen gegen die Veräußerung eines Staatsunternehmens an | |
| Rosneft, das sich auch mehrheitlich im Staatsbesitz befindet. | |
| ## Keine Chance | |
| Rosneft-Chef und Putin Intimus Igor Setschin ließ unterdessen nicht locker. | |
| Andere Interessenten hatten gar nicht erst eine Chance. Juristische | |
| Auflagen, die dem Verkauf auch im Weg standen, konnten umgangen werden. | |
| Russlands Ex-Finanzminister Alexei Kudrin als dessen Vize Uljukajew von | |
| 2000 bis 2004 arbeitete, nannte das Geschäft eine „Konsolidierung | |
| staatlicher Aktiva“. Im Mittelpunkt steht der angeschlagene Ölsektor, nicht | |
| der Staatshaushalt. Schließlich stimmte auch Uljukajew zu und | |
| Ministerpräsident Dmitri Medwedjew segnete den Verkauf ab. Für das fünf | |
| Milliarden Dollar-Geschäft soll Uljukajew zwei Millionen Dollar Honorar | |
| gefordert und den Käufern auch noch gedroht haben. | |
| Die Geschichte klingt unglaubwürdig. Zwei Millionen Dollar Schmiergeld bei | |
| einem Geschäft solchen Umfangs ist eine bescheidene Summe in Russland. Laut | |
| der Zeitung Nowaja Gaseta hätte der Minister das Geld auch nie in den | |
| Händen gehalten, wie es das Untersuchungskomitee behauptet. In ähnlichen | |
| Fällen werden Anschuldigungen durch Video- und Audiomaterial belegt und in | |
| der Öffentlichkeit gezeigt. Auch dies geschah nicht. Fraglich ist überdies, | |
| warum der Wirtschaftsminister sich ausgerechnet mit Igor Setschin wegen | |
| Schmiergeldzahlungen anlegen sollte. Offen bleibt auch die Frage, ob sich | |
| nicht auch der Überbringer des Geldes mitschuldig macht. | |
| Rosneft taucht in den Ermittlungen indes nicht auf. Dennoch sickerte durch, | |
| dass der ehemalige Vize für Interne Sicherheit des FSB nun als | |
| Sicherheitschef Rosnefts an dem Fall beteiligt ist. Der Minister müsste | |
| auch wissen, dass solche wichtigen Entscheidungen nicht ohne Absprache mit | |
| Präsident Wladimir Putin getroffen werden. | |
| ## Über ein Jahr abgehört | |
| Nach Aussagen seines Pressesprechers soll der Kremlchef über den Fall | |
| Uljukajew seit Langem unterrichtet gewesen sein. Seit mehr als einem Jahr | |
| soll Uljukajew vom Geheimdienst abgehört worden sein. Die Privatisierung | |
| Baschnefts steht aber erst seit Februar auf der Agenda. | |
| Sollte tatsächlich Korruption vorliegen, wäre dies kaum ein Anlass für den | |
| Kreml einzugreifen. Es sei denn der Verdächtige wäre in Ungnade gefallen. | |
| Beobachter können sich noch keinen Reim auf den Vorfall machen. Auch ein | |
| misstrauischer Präsident Putin hätte Uljukajew einfach entlassen können, | |
| meinte der ehemalige Kreml Spindoktor Gleb Pawlowskij. | |
| Dass die Elite vor Verfolgungen nicht mehr sicher ist, habe sich in diesem | |
| Jahr endgültig gezeigt, sagte der Politologe Kirill Rogow. Die staatliche | |
| Repressionsmaschine zöge an: widersprüchliche Details wie im Casus | |
| Uljukajew spielten keine Rolle mehr. Vielmehr sei die Absurdität Teil der | |
| repressiven Maschinerie geworden wie unter Stalin. | |
| 15 Nov 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus-Helge Donath | |
| ## TAGS | |
| Russland | |
| Schwerpunkt Korruption | |
| Wladimir Putin | |
| Rosneft | |
| Russland | |
| Russland | |
| Einiges Russland | |
| Einiges Russland | |
| Duma | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Russlands Präsident spricht zum Volk: Der Ton macht die Musik | |
| Bei seiner Jahresansprache gibt sich Wladimir Putin sichtlich entspannt. | |
| Die Entwicklung der Wirtschaft des Landes bewertet er positiv. | |
| Folter in Russland: Hilfeschrei aus der Strafkolonie | |
| Ildar Dadin, politischer Häftling in Karelien, berichtet, wie grausam er | |
| und andere behandelt werden. Die Knastleitung weiß von nichts. | |
| Politische Kader in Russland: Großreinemachen im Kreml | |
| Präsident Putin besetzt derzeit mal wieder einige Führungsposten neu. Zum | |
| Zug kommen jetzt Jüngere, die keinerlei eigene Ambitionen haben. | |
| Kommentar Parlamentswahl in Russland: Der totale Stillstand | |
| Putins Staatspartei erhält über die Hälfte der Stimmen – damit ist der Weg | |
| in die alleinige Herrschaft frei. Protest regt sich im apathischen Volk | |
| kaum. | |
| Politikwissenschaftlerin zur Duma-Wahl: „Ein Festival der Loyalität“ | |
| Die Russen wählen ihr Parlament. Die Ergebnisse sind erwartbar, aber die | |
| Angst vor Protesten sei groß, sagt Jekaterina Schulman. |