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# taz.de -- Flüchtlinge in Europa: Wahlhilfe mit Handbremse
> Die Bundesregierung hofft, dass Matteo Renzi sein Verfassungsreferendum
> gewinnt. Unterstützung erhält Italiens Ministerpräsident kaum.
Bild: Noch in Mailand, bald in Deutschland? Ein Flüchtling aus Gambia
Berlin taz | Wolfgang Schäuble würde für Matteo Renzi stimmen. Am Sonntag
stimmen die Italiener über den Verfassungsentwurf ihres Ministerpräsidenten
ab. Sollte Renzi das Referendum verlieren, wird er nach eigenen Angaben
zurücktreten. Geht es nach Schäuble, wird es so weit aber nicht kommen.
„Wenn ich wählen könnte, würde ich für ihn stimmen“, sagte der
Finanzminister am Dienstag während einer Diskussionsveranstaltung in
Berlin.
Dass Schäuble auf Renzi setzt, ist eigentlich verständlich. Sollte dieser
abtreten, könnte in Rom die populistische und EU-kritische
Fünf-Sterne-Bewegung an die Macht kommen – um die Bundesregierung würde es
international also noch einsamer. Abgesehen von Schäubles Wahlempfehlung
erhielt Renzi zuletzt aber wenig Unterstützung aus Berlin. Der Italiener
fühlt sich von den europäischen Partnern nicht ausreichend unterstützt. Ein
Beispiel dafür ist die Flüchtlingspolitik.
Im September 2015 hatten die europäischen Regierungen mehrheitlich
beschlossen, Flüchtlinge in Zukunft gerechter auf den Kontinent zu
verteilen. Insgesamt 160.000 Menschen sollten bis September 2017 aus
Italien und Griechenland in die restlichen EU-Staaten umgesiedelt werden.
Deutschland verpflichtete sich dazu, 10.327 Personen aus Italien
aufzunehmen.
Bislang ist der Plan aber nur zu einem kleinen Teil umgesetzt. Bis zum
Sommer dieses Jahres waren im Rahmen des Programms gerade mal 20
Flüchtlinge aus Italien nach Deutschland geflogen. Die Regierung begründet
dies unter anderem mit „dem Migrationsgeschehen 2015 und deren Auswirkungen
bis heute“ – mit den Hunderttausenden Flüchtlingen also, die sich nicht um
den Umsiedlungsplan scherten, sondern selbstständig vor allem über die
Balkanroute nach Deutschland reisten.
## 500 Plätze für Flüchtlinge aus Italien
Da dieser Weg inzwischen versperrt ist, kündigte die Bundesregierung im
Herbst an, den EU-Plan doch noch umzusetzen. Auf dem Papier stellt sie seit
September monatlich 500 Plätze für Flüchtlinge aus Italien bereit. Diese
sollen nach München geflogen und per Bus auf die Republik verteilt werden.
In der Praxis läuft die Aufnahme aber immer noch schleppend.
Aktuell liegt die Zahl der aus Italien aufgenommen Flüchtlinge bei 207,
hinzu kommen 196 aus Griechenland. Von dort erwartete das Innenministerium
für Dienstag zudem einen weiteren Flug mit 212 Passagieren. Europaweit
wurden bislang 7.643 der ursprünglich vereinbarten 160.000 Menschen
umverteilt.
Renzi bringen die niedrigen Zahlen in eine schwierige Situation. Über das
Mittelmeer gelangen noch immer Tausende Flüchtlinge nach Italien. Dass die
übrigen EU-Staaten nur wenige davon aufnehmen, befeuert die antieuropäische
Stimmung im Land.
Im Wahlkampf reagierte der Ministerpräsident darauf: Er schwenkte selbst
auf eine EU-skeptische Rhetorik um und legte sich in Haushaltsfragen mit
Brüssel an. Wegen der Belastungen durch die Flüchtlinge, so forderte er,
solle die EU die Defizitrichtlinien für Italien im kommenden Jahr flexibler
auslegen. Bei der Kommission kam er damit durch; sie stellte Mitte November
in Aussicht, ein Auge zuzudrücken. Nicht überzeugen konnte Renzi dagegen
seinen vermeintlichen Wahlhelfer Schäuble: Er kritisierte die
EU-Entscheidung in der vergangenen Woche im Bundestag scharf.
30 Nov 2016
## AUTOREN
Tobias Schulze
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Italien
EU-Flüchtlingspolitik
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