# taz.de -- Kommentar US-Regierungsbildung: Trump und seine Wölfe | |
> Für das liberale Amerika wäre Trumps Präsidentschaft apokalyptisch. Um | |
> ihn zu stoppen, müssen Demokraten und Republikaner kooperieren. | |
Bild: Bisher findet noch vieles hinter verschlossenen Türen statt | |
Jetzt in diesen Tagen, in denen Donald Trump auf seinem Golfplatz seine | |
zukünftigen Gesellen um sich schart, denken viele Republikaner an Ronald | |
Reagans „Morning in America.“ Amerikas Liberale denken aber eher an ein | |
wachsendes Wolfsrudel in der Dämmerung, heulend und zähnefletschend. | |
Wölfe sind bekanntlich vorsichtig, wenn sie die Jagd aufnehmen. Der Erfolg | |
ist sehr ungewiss. Aber reüssiert der Leitwolf mit seinen Helfern, dann | |
sind sie in der Lage, Unmengen rohes Fleisch zu verschlingen, bis zu 20 | |
Prozent des Körpergewichts, bei einem großen Wolf also bis zu 10 Kilogramm | |
auf einmal. Die Politiker, Bankiers und Generäle um Trump herum sind wie | |
diese Wölfe, die nicht wissen, ob und wann sie in ihrem Leben wieder an | |
etwas herankommen werden. | |
Es muss nicht gesagt werden, dass dies für Amerikas Liberale eine äußerst | |
unangenehme Sache ist: Diese Wölfe schwärmen aus, sind nicht immer leicht | |
zu erkennen, wie dunkle Schatten über dem Eis. Die liberalen | |
Verteidigungslinien sind wie aufgelöst, etwa die um Hillary Clinton, die | |
von sich behauptet hat, zwischen den Amerikanern und der Apokalypse zu | |
stehen. Aber auch Barack Obamas Erbe als Verteidigungslinie schmilzt gerade | |
dahin wie das Grönlandeis. Mit der Wahl von Donald Trump hat sich die Kette | |
der mythologischen Gestalt des Fenriswolfs gelöst wie am Anfang der | |
nordischen Sage der Götterdämmerung. | |
Liberale redeten von dieser Apokalypse eher abstrakt. Etwa vom Ende der | |
weißen Mehrheit, als ob das eine Art Aktie wäre, die bei dem demografischen | |
Wandel die zukünftigen Mehrheiten der Demokraten garantieren würde. Jetzt | |
müssen sich die Demokraten Sorgen um ihre Grenzen machen. Nicht etwa die | |
Grenze zu Mexiko, sondern diejenigen, die für den Liberalismus selbst | |
wichtig sind, etwa die Grenze zwischen privaten und öffentlichen | |
Geschäften, die Trump zu überschreiten verspricht, oder die Grenze zwischen | |
zivilen und militärischen Führungsebenen. | |
## Wissen um die institutionellen Schwächen | |
Dass die Ängste nicht unbegründet sind, zeigt auch, dass nicht wenige | |
Konservativen sie teilen. Der Bush-Redenschreiber und Autor des Begriffs | |
„Achse des Bösen“, David Frum, lehnt Donald Trump ab. Er will zusammen mit | |
Anhängern der Demokraten die neue Regierung mit allen Mitteln bekämpfen. | |
Demokratische Delegierte wollen bei der offiziellen Präsidentenwahl am 19. | |
Dezember mindestens neun republikanische Delegierte umstimmen, damit sie | |
gegen Trump votieren. Im Gegenzug wären sie bereit, einen | |
Alternativkandidaten wie den republikanischen Mitt Romney mitzutragen. Ihre | |
Geste dabei ist, als ob sie Sozialdemokraten im Jahr 1933 wären, die gegen | |
das Ermächtigungsgesetz vergeblich, aber heroisch stimmen. | |
Hinter diesen Ängsten steht das Wissen um die institutionellen Schwächen | |
des liberalen Amerika. Manche dieser Schwächen sind alt, andere sind in den | |
vergangenen Jahren dazugekommen. Dass es schwierig ist, die privaten | |
Geschäfte von den öffentlichen Geschäften des Präsidenten zu trennen, | |
beziehungsweise es äußerst schwierig sein wird, Trump zu zwingen, sich von | |
seinem weltweiten Hotelimperium zu trennen, hat damit zu tun, dass die | |
Gründerväter im 18. Jahrhundert auch zum Teil schwer zu veräußernde | |
Ländereien mitsamt Sklavenbesitz besaßen. | |
In einem liberalen System von „checks and balances“ hat der Präsident | |
immerhin einige aristokratische Privilegien. Skurril sind auch die | |
komödiantischen Talente Trumps. Die Idee, ihn von seinen weltweiten | |
Geschäften zu trennen, etwa seine Firmen in „blind trusts“ zu verbannen, | |
kommentierte er so: Es gebe Menschen, die wollen, dass er nie in seinem | |
Leben seine Tochter Ivanka wiedersehen könne. | |
Andere Institutionen der Republik tun sich schwer in Zeiten Amerikas | |
informellen globalen Imperiums. Das Weiße Haus war bisher immer der | |
ehrwürdige Sitz des Präsidenten. Jetzt will Donald Trump seine Familie in | |
New York lassen und sie regelmäßig am Wochenende besuchen. Er zeigt damit, | |
dass er von Washington unbeeindruckt ist und lieber anderswo ist, wenn | |
irgend möglich. Der zweite Bush hat mit seinem Anwesen in Texas schon Züge | |
davon gezeigt, Trump absentiert sich im Voraus aber besonders eigenwillig. | |
## Donald Trump hat „bling-bling“ erfunden | |
Die Liste der Grenzüberschreitungen lässt sich beliebig weiterführen. Mit | |
seinem Mangel an Erfahrung wird Trump kaum die Generäle, mit denen er sich | |
umgibt, in Schach halten können. Wie wird sich Trumps große Offenheit zu | |
Autokraten wie Putin entwickeln? Der zweite Bush guckte in Putins Augen und | |
sah seine Seele, Trump sieht Putin an, sieht dessen einsatzbereite Armeen | |
und denkt vielleicht, er hätte einen Handlanger. | |
Der Fokus auf Trump ist hypnotisch, aber der Schreck ist natürlich, dass | |
Trump so viele Wähler hatte, die seinen jetzigen Griff nach der Macht | |
gutheißen. Trump denkt, dass das, was einst für General Motors galt, auch | |
für ihn gilt: „What’s good for Trump is good for America.“ Seine Wähler | |
waren zwar nicht die Mehrheit der Wähler, aber im amerikanischen System so | |
gut wie das. Und wenn die Trump-Wähler in diesem System die faktische | |
Mehrheit bilden, dann werden sie bedrohlich, weil eine Demokratie der | |
Mehrheiten ohne liberale Kontrollmomente sehr gefährlich ist. | |
Denn es ist ja nicht zum Ende der weißen Wählermacht gekommen. Die Weißen, | |
die Schwarzen, die Latinos sind ja alle noch da. Das ist der Fehler des | |
apokalyptischen Denkens. Mit der Ankunft von Trump droht aber vielmehr das | |
Ende des liberalen Amerikas. Es ist die Mittelklasse, die ausstirbt, die | |
Mittelklasse, die ihre vielen Tugenden der amerikanischen Demokratie zur | |
Verfügung gestellt hat. Donald Trump hat „bling-bling“ erfunden, bevor es | |
überhaupt den ersten Rapper gab. | |
Wenn Donald Trump jetzt das Straßennetz halb privatisiert, müssen die | |
Demokraten sich fragen, was sie zu ihren Zeiten mit den Schulen gemacht | |
haben, nämlich oft genug auch eine halbe Privatisierung. Wenn die Republik | |
sich zunehmend mit dem Empire schlecht verträgt, müssen die Demokraten sich | |
fragen, wieso sie in acht Jahren Guantánamo nicht schließen konnten. Trump | |
wird die Sünde seiner Vorgänger als Drehbuch nehmen und mit wölfischem | |
Treiben potenzieren. | |
25 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Anjana Shrivastava | |
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