# taz.de -- Science Media Center in Köln: Ein Service für Journalisten | |
> Das Science Media Center verspricht Journalisten, Informationen und | |
> Statements von Experten zu aktuellen Themen zu liefern. | |
Bild: „Eizellen züchten – es geht!“ | |
Grundlagenforschung findet in Presse, Funk und Fernsehen kaum Beachtung. | |
Ganz anders in diesem Oktober, als viele Medien hierzulande Schlagzeilen | |
wie diese veröffentlichten: „Erstmals fortpflanzungsfähige Eizellen im | |
Labor gezüchtet“ oder auch kurz und knapp: „Eizellen züchten – es geht!… | |
Berichtet wurde über ein Experiment japanischer Stammzellforscher, das sie | |
am 17. Oktober in der Onlineversion des Fachblattes Nature beschrieben: | |
Einem Team um Katsuhiko Hayashi sei es erstmals gelungen, aus Körperzellen | |
von Mäusen funktionsfähige Eizellen zu züchten. Diese befruchteten sie im | |
Reagenzglas mit Mäusesperma und implantierten die so produzierten Embryonen | |
in Muttertiere – mithilfe dieser Methode seien schließlich elf Mäusebabys | |
geboren worden. | |
Die große Presseresonanz auf diesen „Fortschritt“ der Stammzellforschung | |
mit Mäusen mag manchen Leser erstaunt haben – ein Zufall war sie sicher | |
nicht. Denn im Vorfeld waren viele Wissenschaftsjournalisten und | |
-redaktionen eindringlich und wiederholt auf den noch unveröffentlichten | |
Aufsatz von Hayashi und Kollegen hingewiesen worden – vorausgesetzt, sie | |
waren bereits beim Science Media Center Germany (SMC) in Köln registriert. | |
## Einordnung inklusive | |
Das SMC versteht sich als unabhängige Wissenschaftsredaktion und „Lotse“, | |
ihre Devise lautet: „Wir machen etwas zum Thema, bevor es ein Thema wird.“ | |
Am 13. Oktober, vier Tage vor der Nature-Veröffentlichung, mailte das SMC | |
an die „lieben Kolleginnen und Kollegen“ die folgende Botschaft: „Ein | |
weiterer Schritt hin zum Zeitalter der ersten kompletten Herstellung von | |
weiblichen Keimzellen im Reagenzglas ist wohl gemacht. Ein entsprechender | |
Fachartikel wird am Montag im Fachjournal ‚Nature‘ erscheinen.“ Sollten | |
sich die neuen Forschungsergebnisse bestätigen, so würden sie „völlig neue | |
Perspektiven für die Stammzell-Forschung und die Fortpflanzungsmedizin“ | |
eröffnen. | |
Die Ansprache klingt nach PR und Werbung – aber das SMC beabsichtigt laut | |
Selbstdarstellung so ziemlich das Gegenteil: Es will „verantwortungsvolle | |
und unabhängige Berichterstattung über wichtige Bereiche der Wissenschaften | |
fördern“ und „sachgerechtes Wissen auf dem aktuellen Stand der | |
Wissenschaft“ bereitstellen. | |
Zu diesem Zweck bietet es in seinen „Research-in-Context“-Mails einen | |
besonderen Service: „Um die Befunde einzuordnen“, stellt das SMC auch | |
Statements von Experten gratis zur Verfügung, die das SMC selbst angefragt | |
und gesammelt hat. Berichterstatter dürfen gern zitieren, und „ein Hinweis | |
auf das SMC als Quelle der Statements“, erklärt das SMC, „ist nicht nötig… | |
Eine wichtige Einschränkung gibt es aber: Solange ein Fachartikel oder | |
anderes zur Verfügung gestelltes Material unter „Sperrfrist“ stehe, dürft… | |
potenzielle Berichterstatter weder die Originalpublikationen noch die vom | |
SMC gesammelten Experteneinschätzungen veröffentlichen oder an Dritte | |
weitergeben. | |
## Statements von zehn Experten | |
Beim Thema „Eizellen aus Hautzellen“ endete die Sperrfrist am 17. Oktober | |
um 17 Uhr. Die Resonanz in den folgenden Stunden und Tagen fasste | |
SMC-Redaktionsleiter Volker Stollorz auf Nachfrage der tazso zusammen: „Es | |
schloss sich eine konsonante Berichterstattung an in dem Sinne, dass viele | |
Medien die aus unserer Sicht äußerst relevanten Forschungsresultate bei der | |
Maus einordneten.“ | |
Das SMC hatte Statements von zehn Experten unterschiedlicher Disziplinen – | |
vor allem Biologen und Stammzellforschern, aber auch von Ethikern und einem | |
Juristen – gesammelt und verbreitet. „Mindestens 32 Berichte“, so Stollor… | |
„zitierten mindestens einen der SMC-Experten, insgesamt konnten wir 66 | |
Zitationen zählen.“ Das SMC habe in diesem Fall „geholfen, den politischen | |
Regelungsbedarf ins Bewusstsein der journalistischen Öffentlichkeit zu | |
heben“, meint Stollorz. | |
Die juristischen Einschätzungen, die das SMC zur Verfügung stellte, | |
stammten vom Mannheimer Professor Jochen Taupitz, er erklärte zum Beispiel: | |
„Weder das Embryonenschutzgesetz noch andere Gesetze verbieten in | |
Deutschland das Herstellen von menschlichen Eizellen aus iPS-Zellen“ – | |
mithin sei hierzulande theoretisch auch mit Menschen erlaubt, was in Japan | |
im Experiment mit Mäusen gelungen sein soll. | |
Dass es sich derzeit allenfalls um ein Szenario handeln könne, sagte der | |
vom SMC ebenfalls aufgebotene Reproduktionsbiologe Henning Beier: | |
„Anwendungen dieses Modellsystems auf die Reproduktionsmedizin oder auf die | |
Reproduktion beim Menschen sind reine Spekulation und daher an dieser | |
Stelle nicht angebracht“, so ein Zitat des emeritierten Professors aus | |
Aachen. | |
## Die Sperrfrist-Politik | |
Die vom SMC vorab verbreiteten, kontroversen, vielfach vagen Einschätzungen | |
kann nach Ablauf der Sperrfrist jeder auf der Website | |
www.sciencemediacenter.de nachlesen. Dort stehen auch Expertenmeinungen und | |
Informationen zu anderen Themen, etwa Klimawandel, Meeresspiegelanstieg | |
oder lmpfung gegen Schweinegrippe. | |
Die ersten SMC-Beiträge erschienen im April dieses Jahres. Inzwischen haben | |
sich laut Stollorz rund 250 Journalisten beim SMC registriert, wofür sie | |
regelmäßig und frühzeitig Einschätzungen ausgewählter Experten und weitere | |
Infos erhalten – vorausgesetzt, sie akzeptieren die Spielregeln der | |
bewussten Sperrfrist-Politik. | |
Mit dem SMC kooperieren zurzeit fast 350 Wissenschaftler, die sich in rund | |
50 Themenfeldern auskennen sollen; die Namen der ausgewählten Experten | |
speichert das SMC in einer Datenbank, die nicht öffentlich ist. Für ihre | |
Statements erhalten die Fachleute keine Vergütung. Auf der SMC-Website | |
werden „gute Gründe“ aufgelistet, die Wissenschaftler zum Mitmachen bewegen | |
sollen – zum Beispiel: „Helfen Sie uns dabei zu vermeiden, dass Medien | |
jenen Interessengruppen zu viel Raum einräumen, die im Namen der | |
Wissenschaft irreführende Botschaften verbreiten.“ Ein weiterer Vorteil | |
sei, dass Mitglieder der Experten-Community „vorab exklusiven Zugang“ zu | |
aktuellen wissenschaftlichen Artikeln erhalten, „auch wenn diese noch unter | |
Embargo stehen“. | |
Das alles sieht nach viel Selbstlosigkeit aus, trotzdem läuft nichts ohne | |
Geld. Denn das SMC in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH ist auch ein | |
bezahlter Arbeitsplatz für neun Beschäftigte. Finanziell ermöglicht wurde | |
das SMC-Projekt durch eine „Anschubfinanzierung“ der Klaus Tschira | |
Stiftung, deren erklärtes Ziel es ist, Naturwissenschaften, Mathematik und | |
Informatik zu fördern. | |
Die Stiftung hat 2015 insgesamt 1,5 Millionen Euro für drei Jahre zugesagt. | |
Mitgesellschafter des SMC mit 10 Prozent der Anteile ist zudem der | |
Journalistenverein „Wissenschafts-Pressekonferenz“, dessen Geschäftsstelle | |
im selben Kölner Bürohaus untergebracht ist wie die SMC-Redaktion. | |
## Botschafter einer Idee | |
Am 22. November soll in Heidelberg der Verein der Freunde und Förderer der | |
SMC GmbH gegründet werden. „Danach“, verspricht Stollorz, „werden wir auf | |
unserer Website veröffentlichen, von wem unsere Institution Förderbeiträge | |
erhält“, wobei auch die konkreten Geldsummen genannt würden. Erwünscht sind | |
pro Förderer maximal „50.000 Euro oder fünf Prozent des Jahresbudgets“. A… | |
Förderer hat der SMC laut seiner Website viele im Blick: Stiftungen, | |
Wissenschaftsorganisationen, Forschungseinrichtungen, Universitäten, | |
Medien- und Wirtschaftsunternehmen, Vereine, Fachgesellschaften, | |
öffentliche Einrichtungen, auch Ministerien. | |
Die „Freunde und Förderer“ sollen das SMC nicht nur finanziell | |
unterstützen, sondern auch „Botschafter seiner Idee“ sowie „Ratgeber und | |
kritische Begleiter“ sein. „Die Unabhängigkeit der redaktionellem Arbeit“ | |
sei auch „im Gesellschaftsvertrag des SMC geregelt“. | |
17 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Klaus-Peter Görlitzer | |
## TAGS | |
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Schwerpunkt Klimawandel | |
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Bremen | |
Wisskomm | |
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