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# taz.de -- Deutsch-israelische Literaturtage: Marmelade, Pastrami, Heilig Abend
> Die Autoren Etgar Keret und Daniel Kehlmann eröffneten am Mittwoch mit
> zwei Lesungen und einem Gespräch die Literaturtage.
Bild: Daniel Kehlmann (links) und Etgar Keret (rechts) im Gespräch mit der Mod…
Vor dem grünen Samtvorhang im Deutschen Theater in Berlin sitzen zwei
Schriftsteller, deren unterschiedlicher Anreiseweg sie nicht davon abhält,
schon lange befreundet zu sein: Etgar Keret, der in Tel Aviv lebt, hat
seinen neu erschienenen Erzählband „Die Sieben Guten Jahre“ mitgebracht.
Daniel Kehlmann hat Kerets Buch ins Deutsche übersetzt und gewährt
seinerseits Einblick in sein Theaterstück „Heilig Abend“. Er war dabei der
einzige Autor, den Keret gezielt darum bat, sein Werk zu übersetzen.
Das Thema der Veranstaltung, die jährlich abwechselnd in Berlin und Tel
Aviv stattfindet, lautet dieses Jahr „Im Neuland“ und spiegelt sich in
beiden Texten. So wirft Kehlmann zum ersten Mal gezielt einen politischen
Diskurs an und Keret publiziert zum ersten Mal ein nicht fiktives Werk.
Israel scheint dabei das einzige Land zu sein, in dem es nicht
herausgegeben wurde.
„Ich kann mich jetzt nicht mehr hinter der Fiktion verstecken“, erklärt
Keret. Indem er ein so privates und intimes Werk veröffentliche, betrete er
auch Neuland, so der Autor. Dies und die Bedenken seines Sohnes, der in
„Die Sieben Guten Jahre“ eine wichtige Rolle spielt, habe ihn daran
gehindert, das Buch in seiner geographischen Umgebung zu publizieren.
„Die Sieben Guten Jahre“ beschreiben Etgar Kerets Erlebnisse zwischen der
Geburt seines Sohnes und dem Tod seines Vaters, geprägt vom
allgegenwärtigen Nahostkonflikt. In den zwei Kapiteln, die er vorstellt,
„Marmelade“ und „Pastrami“, zeichnet Keret seinen Alltag, erzählt
geistreich über kuriose Ereignisse, die einen Tropfen Bitterkeit enthalten.
Er verbindet Eindrücke unbeirrt und direkt, sodass es keine Ausnahme ist,
wenn Luftschutzsirene und Basketballschläger Wörter sind, die in ein und
demselben Satz auftauchen. Keret umarmt die Ironie, dass man der absurden
Kombination der Geschehnisse oft nur Herr werden kann, indem man das Ganze
mit Humor betrachtet. Das sei, sagt der Autor, ein gutes Mittel, um der
eigenen Angst nicht die Bühne zu überlassen.
Auch Kehlmann geht es im weitesten Sinne eben darum. Sein Auszug aus
„Heilig Abend“ beschreibt eine skurrile Verhörsituation: Um einen
vermeintlichen Bombenanschlag aufzudecken, löchert Thomas, scheinbar ein
Polizeibeamter, die Philosophieprofessorin Judith mit einer Reihe von
Fragen zu ihrem Tagesablauf. Er verfügt dabei über ein enormes Maß an
Hintergrundwissen über sie und bringt sie dadurch aus dem Konzept und aus
der Fassung. Erst später, als sie Mut fasst, gelingt ihr es, sich im
Gespräch zu behaupten.
Keret bemerkt dazu, dass beide Texte fragten, inwieweit der Mensch sich von
seiner Angst beeinflussen lasse – wenn die Datensicherheit, die freie
Meinungsäußerung oder gar das eigene Leben bedroht sind. Literatur und
Kunst dürften dabei nicht pragmatisch sein.
Die Grundhaltung eines jeden Künstlers sollte demnach Zurückhaltung und
Vorsicht sein, da die Stimme weniger aussagekräftig sei, wenn sie zu oft
erhoben würde, so Kehlmann. Die Kraft der Kunst bestehe vielmehr darin, in
einem abgesonderten Raum zum Dialog über die Welt anzuregen. „Literatur“,
schließt Keret, „stärkt den stärksten Muskel im Menschen: die Empathie.“
4 Nov 2016
## AUTOREN
Katharina Schantz
## TAGS
Daniel Kehlmann
Literatur
Daniel Kehlmann
Magazin
Schriftsteller
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