# taz.de -- Museum in Braunschweig wiedereröffnet: Rembrandt auf der Zentralac… | |
> In Braunschweig ist das Herzog-Anton-Ulrich-Museum neu eröffnet worden. | |
> Trotz großzügiger Hängung wirkt die Sammlung überwältigend. | |
Bild: An zentraler Stelle platziert: Rembrandts Familienbild. | |
BRAUNSCHWEIG taz | Vor fünf Jahren ist die Kunsthalle Bremen nach | |
Renovierung und Erweiterung neu eröffnet worden, im letzten Jahr war es die | |
Kunsthalle in Hamburg. Beide Institutionen residieren in Gebäuden des 19. | |
Jahrhunderts, deren Baustrukturen, auch ohne Kriegsschäden, nach mehr als | |
hundertjährigem Betrieb erschöpft waren, oft befördert durch einen | |
mangelnden Bauunterhalt. | |
Notwendige Sanierungen boten den Direktoren dann aber auch stets Anlass, | |
ihre Sammlung neu zu zeigen: zeitgemäßer, für ein Laienpublikum und | |
Touristen attraktiver oder eingebunden in wohlklingende Themensetzungen. | |
Wer dahinter eher modernes Marketing denn einen ehrlichen Bildungsauftrag | |
vermutet, liegt nicht ganz falsch. | |
Jetzt folgt, nach sieben Jahren Bauzeit und einer Investition von 33,6 | |
Millionen Euro, [1][das Braunschweiger Herzog-Anton-Ulrich-Museum]. | |
Direktor Jochen Luckhardt findet deutliche Worte, wenn er die vorherige | |
Situation im dem von außen ja so stattlichen Neorenaissance-Bau beschreibt: | |
Die Institution war kurz vor dem Zusammenbruch. | |
Auf engstem Raum mussten 190.000 Werke und 40 Mitarbeiter Platz finden. | |
Eingezogene Geschossdecken und Wände waren der Tribut. Die marode Elektrik | |
von 1960 verursachte schon mal einen Kabelbrand. Lediglich das Dach ist um | |
1992 einmal saniert worden – man malt sich förmlich multiple Schäden an der | |
wertvollen Kunst aus. | |
Nun wird also alles besser. Ein zwar nach wie vor mit Baumängeln behafteter | |
neuer Funktionsbau mit 2.500 Quadratmetern Nutzfläche nimmt seit sechs | |
Jahren die Depots und Werkstätten, Mitarbeiter, die Bibliothek sowie Räume | |
für die Museumpädagogik auf, durch diese Entlastung konnte der Altbau aber | |
denkmalgerecht bis auf den historischen Bestand zurückgebaut werden. | |
Auch hier hat Direktor Luckhardt wieder Anekdotisches parat: Einer seiner | |
Vor-Vorgänger, der Kunsthistoriker Hermann Riegel, bemängelt um 1870 schon | |
einmal die wenig konstruktive Knauserigkeit in Braunschweig. Erst mit dem | |
Bau des Frankfurter Architekten Oskar Sommer – er zeichnete dort für den | |
Neubau des Städelschen Kunstinstituts verantwortlich – konnte 1887 ein | |
angemessenes Gebäude bezogen werden. Sie repräsentiert immerhin 3.000 Jahre | |
Kunstgeschichte und geht auf ihren Namensgeber wie Initiator zurück: Herzog | |
Anton Ulrich von Braunschweig-Lüneburg. | |
Dieser war als Lyriker und Romancier selbst künstlerisch produktiv. 1671 | |
unterwarf er nach dreiwöchiger Belagerung die seit etwa 1430 freie | |
Hansestadt Braunschweig. Die Sammlung und den Geist des Hauses durchweht | |
also nicht ein bürgerlich-emanzipatives Bildungsideal wie in Hamburg oder | |
Bremen. Die opulente Fülle an Malerei, Skulptur, Kunsthandwerk, | |
Ethnografischem und Kuriosa diente vielmehr der Macht- und | |
Prachtdemonstration einer erstarkten aristokratischen Dynastie. | |
Man mag aufgrund dieser Geschichte vielleicht voreingenommen sein, wenn man | |
nun meint, diesen Charakter im Hause wieder aufleben zu spüren, denn es | |
wird mit den Schätzen derart aufgetrumpft, dass es überwältigend wirkt und | |
nicht vorrangig Erkenntnis stiftend. | |
In der Beletage etwa, der Gemälde-Galerie und damit dem Herzstück des | |
Hauses, ist die klassische Enfilade der Oberlichtsäle aufs Edelste | |
hergerichtet. Warmneutral heißt der Grauton, der die räumlichen Konturen | |
fasst. Die kassettierten, hölzernen Türdurchgänge sind in dieser Farbe | |
lackiert. Auch die Sockel der Säle, hinter denen Teile der Technik | |
verschwinden, Texttafeln zu den Bildern und auch einzelne Wände tragen den | |
Farbton, dann als feine Textilbespannung einer Münchener Manufaktur. | |
Alle weiteren Wände sind in lichtfarbiges Gewebe gehüllt: so in leichtes | |
Blau etwa, ein helles Grün, ein nicht zu intensives Rot. Darauf erstrahlen | |
nun förmlich, von Akzentlichtern in Ergänzung zum Tageslicht noch einzeln | |
ausgeleuchtet, die gereinigten und in ihren Goldrahmen aufpolierten Bilder. | |
Statt der früheren, in weiten Teilen doppelreihigen Hängung ist jetzt alles | |
mit reichlich Luft über und neben dem einzelnen Werk präsentiert. Durch | |
Flächenzugewinn im Zuge des Umbaus können sogar rund 30 Gemälde und Objekte | |
mehr gezeigt werden. Unter den insgesamt 315 Werken sind 70 seit | |
Jahrzehnten nicht mehr gezeigte Depotbestände. Alles wirkt perfekt | |
aufgeräumt – aber damit auch ohne Geheimnis. | |
Gleich wenn man die Saalfolge betritt, erblickt man nun eines der | |
renommiertesten Stücke des Museums: Rembrandts Familienbild aus der | |
Spätphase seines Œuvres – es hängt direkt in der zentralen Blickachse auf | |
der Rückwand zum letzten Saal. Rechtwinklig zur Achse erscheint dann im | |
Seitenkabinett eine weitere Preziose, Vermeers Mädchen mit dem Weinglas – | |
eines von weltweit nur 36 erhaltenen Gemälden des holländischen | |
Genremalers. | |
Rubens kraftvolle Judith mit dem Haupt des Holofernes hängt auf rotem Grund | |
im höheren Kuppelsaal am Ende der Raumfolge, ein van Dyck ihr schräg | |
gegenüber. Hier hat das Haus dann doch einmal zur historischen | |
Präsentationform der Salonhängung in zwei Reihen übereinander gegriffen. Es | |
stellt den Raum unter das mehrdeutige Motto der Allegorie. | |
Übrigens muss auch die Klimastabilität aller Säle, ganz wie anno 1887, ohne | |
zentrale Raumluftanlage funktionieren. Lediglich neu eingerichtete | |
Ausstellungsräume im Erdgeschoss wurden für die Anforderungen | |
internationaler Leihgeber technisch nachgerüstet. Hier wird im April 2017 | |
in Korrespondenz mit der eigenen Grafiksammlung dann die erste | |
Sonderausstellung gezeigt: die Kunst der Zeichnung, einmal quer durch die | |
Gattungsgeschichte. | |
4 Nov 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.3landesmuseen.de/Herzog-Anton-Ulrich-Museum.304.0.html | |
## AUTOREN | |
Bettina Maria Brosowsky | |
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