# taz.de -- Sportvereine ohne Turnhallen: Es geht um ihre Existenz | |
> Noch immer leben 3.700 Flüchtlinge in 38 Turnhallen. Und der Leerzug | |
> zieht sich immer weiter in die Länge – und damit die nötige Sanierung der | |
> Turnhallen. | |
Bild: In 38 Turnhallen Berlins gibt es das immer noch nicht: sportlichen Alltag | |
Der Trainingsort: der Speisesaal einer Grundschule. Bevor sie trainieren, | |
beseitigen sie Essensreste. Die Alternative: das Gebäude eines früheren | |
Discounters. Notdürftigste Ausstattung, keine Duschen. Auf insgesamt 14 | |
Standorte in Berlin verteilen sich die Karower Dachse, seit ihre Halle von | |
Flüchtlingen bewohnt wird. „Ursprünglich hieß es, dass wir die Halle im | |
Dezember wieder nutzen können. Aber schon jetzt ist klar, dass die | |
Sanierungsarbeiten erst im Januar anfangen“, sagt Kirsten Ulrich vom | |
Vereinsvorstand. | |
Der kaputte Schwingboden muss komplett saniert werden, für rund 230.000 | |
Euro – acht Monate mindestens soll das dauern. „Bei unseren Mitgliedern ist | |
kein Verständnis mehr da“, sagt Ulrich. 300 von ihnen hätten den Verein | |
verlassen, die nicht erstatteten Mehrkosten durch Austritte und | |
zusätzliches Material lägen bei rund 40.000 Euro. „Wir kämpfen ums | |
Überleben.“ | |
Lange waren die Berliner Sportvereine recht ruhig, was die Beschlagnahmung | |
ihrer Hallen anging, trotz des ungünstigen Ablaufs. Aber seit sich Freizug | |
und Sanierung hinziehen, heizt sich die Stimmung auf. Bis Ende des Jahres | |
sollten alle von Flüchtlingen belegten Sporthallen in Berlin wieder nutzbar | |
sein. Am Dienstag letzter Woche aber bestätigte sich, was ohnehin jeder | |
ahnte: Das Datum wird nicht eingehalten werden können. Mal wieder. | |
Ursprünglich lautete das Versprechen September. Jetzt heißt es Sommer 2017. | |
Für einige Vereine geht es damit um die Existenz. | |
„Wir sind mit dem Bau der neuen Flüchtlingsunterkünfte langsamer als | |
geplant“, räumte Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen ein. Noch immer sind | |
in Berlin 38 Hallen mit insgesamt rund 3.700 Geflüchteten belegt. | |
## „Überstunden ohne Ende“ | |
Eigentlich sollten bis Jahresende 30 sogenannte Tempohomes, also | |
Wohncontaineranlagen für die Flüchtlinge, bereitstehen. Wenn es gut läuft, | |
werden Ende Dezember elf Stück fertig sein. Es sei „die bekannte Verkettung | |
von Inkompetenzen“, sagt Jörg Zwirn vom Vorstand des ebenfalls stark | |
betroffenen Vereins Pfeffersport zum Problem. Dabei geht es ja sogar voran: | |
Im Juli lebten noch 7.000 Geflüchtete in den Hallen. Nur – der Freizug geht | |
viel zu langsam. | |
Bei Pfeffersport ist die Lage ähnlich angespannt wie bei den Dachsen. | |
„Unsere Angestellten machen Überstunden ohne Ende“, so Vorstandsmitglied | |
Janine Rosenheinrich. „Sie sind vom Burn-out bedroht.“ Zwar werden | |
zusätzliche Miet- und Transportkosten von der Senatsverwaltung für Inneres | |
und Sport übernommen, aber Mehrkosten für Personal und Mitgliedsaustritte | |
werden nicht erstattet. Die liegen laut Rosenheinrich bei 26.000 Euro. Man | |
brauche dringend Hilfe: „Wenn ein Ausgleich nicht bis zum Ende des Jahres | |
da ist, sieht es schwarz für uns aus.“ | |
Pfeffersport hat bei der Finanzverwaltung auf Schadenersatz geklagt, wurde | |
aber in einem Schreiben, dass der taz vorliegt, abgewiesen. Es handle sich | |
nicht um „unmittelbaren Vermögensschaden, sondern allenfalls um mittelbare | |
Nachteile“, und die würden grundsätzlich nicht erstattet. | |
Dabei sind die für viele Clubs das Hauptproblem. Außerdem gehörten die | |
beiden Hallen nicht Pfeffersport, sondern dem Land Berlin. Auf Nachfrage | |
bei der Finanzverwaltung bestätigte Pressesprecher Jens Metzger die | |
Entscheidung, räumte aber ein, der Fall zeige, „dass alle verantwortlichen | |
Stellen dazu beitragen müssen, dass zügig weitere Unterkünfte | |
fertiggestellt werden“. | |
## Sportvereine von Pleite bedroht | |
Warme Worte, die wenig helfen. Aus dem Topf der Senatsverwaltung für | |
Inneres und Sport, der eine Million Euro bereitstellt, wurden laut Behörde | |
insgesamt nur etwa 36.000 Euro ausgezahlt. „Wir fühlen uns alleingelassen“, | |
sagt Rosenheinrich. „Die Dachse und wir sind Vereine, die seit Jahren für | |
Inklusion stehen. Wollen sie uns einfach hopsgehen lassen?“ Ein Sprecher | |
der Sportverwaltung sagt, man plane keine weitergehende finanzielle | |
Unterstützung. Wenn ein Verein tatsächlich von Pleite bedroht sei, schließt | |
er aber zumindest weitere Hilfe nicht aus: „Jeder Fall müsste einzeln | |
beurteilt werden.“ | |
Über die Klinge springen lassen wird man wohl niemanden, allein aus | |
Imagegründen. Aber die Wut der Vereine wächst. „Es gibt eine hoffnungslose | |
Überforderung“, sagt Kirsten Ulrich von den Dachsen. „Man hätte die Verei… | |
von Anfang an mit ins Boot holen müssen. Man hat überhaupt nicht daran | |
gedacht, was passieren könnte, wenn man Sportvereinen ihre Hallen | |
wegnimmt.“ | |
Nun wird es für die Clubs eng. Bis Sommer 2017 könnten sie wohl | |
durchhalten, sagen die Dachse. Wenn das Datum dann eingehalten wird. | |
30 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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