# taz.de -- Studie zur Amerikanischen Revolution: Jakobiner, Bourbonen und Sekt… | |
> Michael Hochgeschwender untersucht in seinem Buch die US-Gründungsmythen. | |
> Freiheitsstreben und Sklaverei gingen dabei Hand in Hand. | |
Bild: Der militante Protest Bostoner Händler und Bürger am 16. Dezember 1773 … | |
Wir sehen mit anderen Augen; wir hören mit anderen Ohren; und wir denken | |
andere Gedanken als früher“, schrieb Thomas Paine, 1782 an Abbé Raynal, um | |
der Alten Welt Mentalitätsunterschiede nach der amerikanischen Revolution | |
zu erklären. Paine galt als intellektueller Kopf der Revolutionäre, in | |
seinen Schriften findet sich demokratisches Ideengut, neben George | |
Washington, Benjamin Franklin und 40 weiteren Personen zählt er zu den | |
founding fathers der USA. | |
Zum besseren Verständnis der Ideologie und des Selbstverständnisses der | |
heutigen Supermacht helfen Kenntnisse ihrer Gründungsmythen und | |
historischen Geschehnisse. Schon deshalb lohnt eine Lektüre von Michael | |
Hochgeschwenders Studie „Die Amerikanische Revolution“, denn er greift | |
darin neueste Forschungsergebnisse auf. | |
Auch in fachlicher Hinsicht ist dem Münchner Amerikanisten ein großer Wurf | |
gelungen, denn die Phase vor und nach der amerikanischen | |
Unabhängigkeitserklärung der 13 Kolonien von England am 4. Juli 1776 stellt | |
der 54-Jährige nicht als bloße Ereignisgeschichte dar. | |
So beschreibt Hochgeschwender etwa, wie im ausgehenden 18. Jahrhundert | |
Öffentlichkeit als „orale Kultur“ funktionierte: Menschen hörten sich | |
stundenlange Predigten an. Oder wie sich die „Diskurslandschaft“ zu jener | |
Zeit ausnahm: Die philosophischen Überlegungen eines John Locke waren der | |
geistige Humus für den Aufstand gegen das britische Empire. | |
## Einseitige Erklärungsmuster | |
Unbehagen an Begrifflichkeiten und einseitigen Erklärungsmustern existieren | |
schon so lange wie die USA selbst. „Die Amerikanische Revolution“ | |
untersucht linke, liberale und konservative Interpretationen ihrer | |
Geschichte. Schon durch ihren Namen reklamiert etwa die republikanische | |
Tea-Party-Bewegung das Auslösemoment der Revolution für sich: Sie berufen | |
sich auf den militanten Protest Bostoner Händler und Bürger am 16. Dezember | |
1773 gegen britische Zölle. | |
Sie enterten – als Indianer verkleidet – drei Schiffe und kippten deren | |
Teeladungen in den Hafen. Nur, die tugendhafte, weiße und protestantische | |
Renitenz, auf die sich die konservativen Fundamentalisten heute berufen, | |
hat so gar nicht existiert. Die Geschichte ist komplizierter, als dass die | |
Einteilung der Amerikaner als „freiheitsliebende patriotische Helden und | |
der Briten als korrupte und despotische Schurken“ heute noch ausreicht. | |
Die US-Revolutionäre beriefen sich zwar auf ihr Land als Empire of Liberty, | |
aber sie waren Jakobiner und Bourbonen. „Aufklärung und Religion, Vernunft | |
und Emotion, Idealismus und Eigeninteresse, Freiheitsstreben und | |
Toleranzideale, aber eben auch Antikatholizismus und Sklaverei gehen Hand | |
in Hand“, schreibt Hochgeschwender. Seine Studie zeichnet aus, wie sie die | |
britische Politik des ausgehenden 18. Jahrhunderts anschaulich mit in die | |
Erzählung webt und damit auch den schwierigen Ablösungsprozess der | |
Amerikaner von den Briten verdeutlicht. | |
Während der Adel im Mutterland die Elite bildete, entwickelte sich in den | |
USA eine wohlhabende Schicht von Kaufleuten und Händlern, deshalb versage | |
das postkoloniale Modell von imperialem Zentrum und kolonialer Peripherie. | |
Englische Sprache und Kultur waren konstituierend für die junge Nation. So | |
prägten etwa die sozialrevolutionären freireligiösen Levellers die USA mehr | |
als ihre britische Heimat. | |
Nach Amerika jedoch emigrierten unterschiedlichste Sekten und | |
Einwanderergruppen, manche brachten moderne Einstellungen mit, andere | |
blieben rückwärtsgewandt, was zur gesellschaftlichen Komplexität und | |
sozialen Ausdifferenzierung beitrug. Dazu berichtet der Autor immer wieder | |
vom Leiden der indianischen Bevölkerung und von der blutigen Geschichte der | |
Sklaverei, aber auch, wie das Feuer zu ihrer Abschaffung bereits bei Thomas | |
Paine gelegt wurde. | |
21 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Julian Weber | |
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