# taz.de -- Unregelmäßigkeiten bei der Gewosie: Der Autoritäre muss gehen | |
> Vorstand Axel Utrata verlässt das Unternehmen. Offiziell aus | |
> Altersgründen – vermutlich wegen der Korruptionsvorwürfe gegen ihn. | |
Bild: Der scheidende Chef hinterlässt eine Baustelle. | |
BREMEN taz | Die Mitteilung der Gewosie aus Bremen Nord ist dürr und | |
diskret: Axel Utrata, jahrzehntelanger Vorstand, verlässt das | |
Wohnungsbauunternehmen. Offiziell aus Altersgründen, er wird 65. In der | |
selben knappen Pressemitteilung steht jedoch auch: „Umstrukturierungen im | |
technischen und kaufmännischen Bereich“ würden „in der nächsten Zeit wei… | |
fortgeführt“, es gehe um die „Neuordnung der Geschäftsbereiche“. Kein | |
Dankeswort. Und nichts zu den Korruptionsvorwürfen gegen ihn. | |
Utrata soll Personen und Firmen in seinem Umfeld in auffälliger Weise mit | |
überteuerten Gewosie-Aufträgen versorgt haben. Auch der | |
Aufsichtsratsvorsitzende der Gewosie, Mathias Gill, soll davon profitiert | |
haben. | |
Seit einem Jahr werden aufgrund vertraulicher Informationen von | |
MitarbeiterInnen diese Vorwürfe bekannt. Utrata hat mit einem autoritären | |
Führungsstil viele verärgert. Der Aufsichtsrat des 1894 gegründeten | |
Genossenschaftsunternehmens, der den Vorstand kontrollieren soll, hält | |
jedoch dicht – er ist mit handverlesenen Leuten besetzt. Einige von ihnen | |
machten als Bauunternehmer Geschäfte mit der Gewosie. Kritiker in der | |
genossenschaftlichen Vertreterversammlung wie der Architekt Uwe Meier | |
wurden rausgeworfen. Aus dem Genossenschaftsverband trat die Gewosie unter | |
Utrata aus. | |
Eine langjährige Abteilungsleiterin, die nicht namentlich genannt werden | |
will, weil sie immer noch den langen Arm von Utrata fürchtet, erzählte der | |
taz, sie sei einmal direkt von Utrata aufgefordert worden, sich in die | |
Vertreterversammlung wählen zu lassen. „Ich brauche anständige Leute in der | |
Vertreterversammlung“, habe er ihr gesagt. Als Abteilungsleiterin war sie | |
weisungsgebunden und abhängig – das qualifizierte sie offenbar als | |
„anständig“. Sie lehnte ab – „das war der Tag, an dem ich in Ungnade f… | |
Sie verließ das Unternehmen. | |
Ein weiterer Fall: Vor dem Arbeitsgericht läuft gerade ein | |
Kündigungsschutzverfahren gegen einen Haustechniker der Gewosie. Der | |
Vorwurf: Er soll die Unterlagen herausgegeben haben, auf deren Grundlage | |
die Staatsanwaltschaft auf Korruptionsverdacht ermittelte. Gewosie-Anwalt | |
Rainer Küchen erklärte vor dem Arbeitsgericht, die Firma wolle ihren | |
Haustechniker loswerden – „völlig egal, was das kostet“. Als Notar hat | |
Küchen bei einem Termin am 5. 12. 2013 den Verkauf von fünf | |
Sparkassen-Immobilien beglaubigt – vier gingen an die Gewosie, eine an | |
Utrata privat. | |
Davor hatte die Gewosie zuletzt 2011 Schlagzeilen gemacht, als sie ganze | |
Straßenzüge verkaufte, in denen langjährige Mitglieder der Genossenschaft | |
lebten. Als Käufer war zunächst eine Firma mit Briefkasten in der | |
Steueroase Norderfriedrichskoog aufgetreten. Inzwischen sind die | |
Genossenschaftswohnungen im Portfolio des US-Versicherungsfonds Conwert | |
gelandet. Neuerdings haben die Mieter eine Telefonnummer in Delmenhorst als | |
Ansprechpartner – bei der sich nach kurzem Piepsen nur eine Automatenstimme | |
meldet: „Achtung. Es steht kein Platz mehr für die Aufnahme von | |
Sprachnachrichten zur Verfügung.“ | |
Ein erster großer Korruptionsvorwurf bezog sich Anfang des Jahres auf | |
Balkon-Anbauten. Ausgeführt wurden die Aufträge jahrelang von einer Firma | |
Rabs aus Thüringen. Die nimmt normalerweise pro Balkon rund 4.000 Euro. | |
Bezahlt hat die Gewosie rund die Hälfte mehr – an die Firma Sanitech aus | |
Siegen, die den Auftrag zum reduzierten Preis weitergab. Die Gewosie hatte | |
damals keine Konkurrenzangebote eingeholt. | |
Gewosie-Kenner erklären das mit „verwandschaftlichen Beziehungen“ zu | |
Sanitech. In der Tat war unter der Sanitech-Adresse in Siegen früher die | |
Süd-Nord Vermögensbetreuungs-GmbH der Frau des Gewosie-Chefs, Ingeborg | |
Utrata, gemeldet. Der Geschäftsführer der Firma Rabs wollte mit der taz | |
nicht über den Balkon-Auftrag reden, die Bremer Staatsanwaltschaft hat ihn | |
nie befragt. | |
Einen weiteren Korruptionsvorwurf veröffentlichte die taz vor vier Wochen: | |
Er bezieht sich auf die Geschäftsbeziehungen des Aufsichtsratsvorsitzenden | |
Mathias Gill zur Gewosie, über die er eigentlich wachen soll: Am 23. März | |
2016 ist Bauunternehmer Gill Aufsichtsratsvorsitzender der Gewosie | |
geworden. Gleich tags darauf hat er für rund 30.000 Euro Rechnungen an die | |
Gewosie geschrieben. Es ging meist um dieselbe Sache: „Schornsteinköpfe | |
überprüfen und ggf. instand setzen“ bei diversen Miethäusern. | |
Genauer waren die Aufträge nicht gefasst. Verwunderlich ist auch, dass | |
diese Aufträge alle ein knappes Jahr zuvor, am 28. 5. 2015 erteilt worden | |
sein sollen – so ist es jedenfalls auf den Auftragsbögen vermerkt. | |
Unterstellt man, dass die Schornsteinköpfe wirklich undicht waren, scheint | |
es merkwürdig, dass die Baufirma Gill diese Reparaturen erst nach der | |
Heizperiode – Monate später – in Angriff genommen haben will. | |
Handwerkskammer-Präses Jan-Gerd Kröger, selbst Bauunternehmer in | |
Bremen-Nord, geht zudem davon aus, dass andere Handwerker die in den | |
Gill-Rechnungen aufgelisteten Arbeitsschritte für die Hälfte des Betrages | |
ausgeführt hätten. Offenbar hatte Utrata keine Konkurrenzangebote eingeholt | |
und die Aufträge per Zuruf dem designierten Aufsichtsratsvorsitzenden | |
zugeschanzt. | |
28 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
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