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# taz.de -- Dubiose Geschäfte: „Egal, was das kostet“
> Die Bremer Wohnungsbaugenossenschaft Gewosie versorgt ihren
> Aufsichtsratsvorsitzenden mit dubiosen Aufträgen. Die Staatsanwaltschaft
> ist eingeschaltet.
Bild: Die Gewosie gönnt ihren Genossen teure Balkone
BREMEN taz | Wenn ein Schuh aus dem Moor ragt, ahnt man, dass da eine
Leiche dranhängt. Montagfrüh beim Arbeitsgericht ging es scheinbar um eine
Routine-Sache: Die Wohnungsbaugenossenschaft Gewosie hat ihren
Haustechniker J. fristlos gekündigt. Der soll interne Unterlagen
ausgedruckt und an den Präses der Handwerkskammer weitergegeben haben.
Der Haustechniker bestreitet, dass er etwas weitergegeben hat, und der
Präses, etwas vom Haustechniker bekommen zu haben. Die Arbeitsrichterin
weist darauf hin, dass der Arbeitgeber für eine fristlose Kündigung das
dann schon nachweisen muss.
Aber die Gewosie hat das Vertrauen in ihren Techniker verloren, erklärt ihr
Anwalt Rainer Küchen, sie will ihn loswerden – „völlig egal, was das
kostet“. Und so wird ein Schuh draus: Der Inhalt der vermeintlich kopierten
Akten ist offenbar noch brisanter als das arbeitsgerichtliche Verfahren.
Und zum Glück haben die Unterlagen ihren Weg in die taz-Redaktion gefunden,
und belegen tatsächlich deutlich, warum die Gewosie-Spitze dieses Material
lieber unter Verschluss behalten hätte.
## Ja nicht verscherzen
Der Aufsichtsratsvorsitzende der Gewosie ist auch Bauunternehmer. Ihm hat
der Gewosie-Vorstand Axel Utrata offenbar umfangreiche Aufträge
zugeschanzt. Die hält Baufachmann Jan-Gerd Kröger, Präses der
Handwerkskammer, für höchst zweifelhaft. Er hat die Staatsanwaltschaft
wegen des Verdachts auf Korruption eingeschaltet.
Für Kröger, der selbst in Bremen-Nord eine Baufirma betreibt, ist das ein
heißes Eisen. Denn die Gewosie ist mit ihren 4.000 Wohnungen in Bremen-Nord
ein großer Auftraggeber, mit dem es sich ein kleiner Handwerker nicht ohne
Not verscherzt. Aber da ist Kröger Gesinnungstäter – insbesondere weil er
den starken Verdacht hat, dass Gewosie-Chef Utrata nicht zum ersten Mal auf
Kosten der Genossen das Geld der Genossenschaft mit vollen Händen verteilt.
Um Filz und Selbstbedienung zu vermeiden, steht in der Satzung der Gewosie:
„Im Vorstand und im Aufsichtsrat dürfen höchstens drei der Mitglieder
Angehörige des Baugewerbes sein.“
## Ein Glückstag für Mathias Gill
Einer von ihnen ist Mathias Gill, Bauunternehmer in Bremen-Nord, dessen
Firmen viel Umsatz mit Aufträgen der Gewosie machen. Für Bauunternehmer
Gill war der 23. 3. 2016 ein glücklicher Tag: Da wurde er
Aufsichtsratsvorsitzender der Gewosie. Gleich am Tag darauf hat er sich
offenbar hingesetzt und Rechnungen geschrieben. Es ging meist um dieselbe
Sache: „Schornsteinköpfe überprüfen und ggf. instand setzen“ bei diversen
Miethäusern.
Genauer war der Auftrag nicht gefasst – offensichtlich hatte der
Geschäftsführer der Gewosie Vertrauen zu seinem Aufsichtsratsvorsitzenden.
Die Gill-Bau überprüfte und fand bei allen Häusern einen vergleichbaren
Aufwand: Material auf den Dachboden bringen, Gerüst anbringen, Schäden
begutachten, Fugen ggf. verdichten, abbauen. Oft genau 4.700 Euro. In einem
Fall, so steht es in den internen Unterlagen der Gewosie, war das „nicht
erforderlich lt. Gill“, wurde aber dennoch in Rechnung gestellt und
bezahlt.
Für einige Häuser hatte die Gill Bau – unvorsichtigerweise, muss man
vielleicht sagen – eine Aufstellung ihrer Arbeit zur Rechnung gelegt, aus
denen hervorgeht, wann die Arbeiten durchgeführt wurden. So ergab sich am
24. 3. 2016, also an Tag eins von Gills Amtszeit als
Aufsichtsratsvorsitzender, ein Rechnungsbetrag von insgesamt mehr als
30.000 Euro.
## Mauern bei Minusgraden
Verwunderlich ist dabei, dass diese Aufträge alle ein knappes Jahr zuvor,
am 28. 5. 2015 erteilt worden sein sollen – so ist es auf den Auftragsbögen
vermerkt. Und noch verwunderlicher ist, dass dies teilweise Briefbögen
sind, auf denen unten gedruckt steht: „Aufsichtsratsvorsitzender Mathias
Gill“. Offenbar wurden sie nach dem 24. 3. 2016 ausgedruckt.
Unterstellt man, dass die Schornsteinköpfe wirklich undicht waren, würde
das die Frage aufwerfen, warum die Baufirma Gill diese Aufträge erst nach
der Heizperiode in Angriff nahm. Auf einer der Rechnungen für das Haus
Hammersbecker Str. 184 steht als Zeitraum der Ausführung: „16. 11.–24. 3.
16“, also mehr als vier Monate. In einem Fall, der Hammersbecker Str. 182,
sollen die Arbeiten schon zwischen dem 18. und 24. 1. 2016 ausgeführt
worden sein.
## Nur Spießer vergleichen Preise
Da war es aber bitter kalt, unter Null Grad. Zu kalt für Maurerarbeiten,
sagt Handwerkskammer-Präses Kröger. Und wenn man andere Handwerker fragt,
was sie für die offiziell in den Gill-Rechnungen aufgelisteten
Arbeitsschritte verlangen, dann nennen sie Beträge um 2.000 Euro und nicht
mehr als das Doppelte.
Hatte die Gewosie vergessen, bei einem derartigen Auftragsvolumen
Konkurrenzangebote einzuholen? Von einigen der „instandgesetzten“
Schornsteinköpfe gibt es Fotos, die für den Handwerkskammer-Präses die
Frage aufwerfen, was denn da gemacht worden sein soll.
Auch weil die Sache öffentlich geworden sei, wolle die Gewosie ihren
Haustechniker „völlig egal, was es kostet“ loswerden, hat ihr Anwalt Küch…
vor Gericht erklärt. Da hat er aber einiges durcheinandergebracht – in der
Zeitung gestanden hatte nur der Fall der Balkon-Anbauten, die die Gewosie
vor einigen Jahren in Auftrag gab. Ausgeführt wurden sie von einer Firma
Rabs aus Thüringen. Die nimmt pro Balkon rund 4.000 Euro. Bezahlt hat die
Gewosie rund die Hälfte mehr – an die Firma Sani Tech aus Siegen.
## Telefonieren mit Axel Utrata
Auf die überhöhten Balkon-Preise war das Architektenbüro Feldschnieders
aufmerksam geworden. Die Gewosie lehnte es aber ab, günstigere
Konkurrenzangebote einzuholen. Bloß: warum? Als ein Hinweis auf die Antwort
könnte man die Adresse von Sani Tech deuten. Die residiert in einem
Geschäftshaus Kohlenweg 3 in Siegen – wo früher der Sitz der Süd-Nord
Vermögensbetreuungs-GmbH der Frau des Gewosie-Chefs, Ingeborg Utrata, war.
Auf Presseanfragen gibt es von ihrem Gemahl, dem Gewosie-Chef Axel Utrata
nur die Antwort: „Hiermit ist das Gespräch beendet.“ Dann knallt er den
Hörer auf.
Schlagzeilen hatte die Gewosie zuletzt 2011 gemacht, als sie ganze
Straßenzüge verkaufte – Wohnungen, in denen langjährige Mitglieder der
Genossenschaft wohnen. Zunächst war eine Firma mit Briefkasten in der
Steueroase Norderfriedrichskoog als Käufer auftreten. Inzwischen sind die
Genossenschaftswohnungen im Portfolio des US-Versicherungsfonds Conwert
gelandet.
Neuerdings haben die Mieter eine Telefonnummer in Delmenhorst als
Ansprechpartner – bei der sich nur eine Automatenstimme nach kurzem Piepsen
mitteilt: „Achtung. Es steht kein Platz mehr für die Aufnahme von
Sprachnachrichten zur Verfügung.“
26 Sep 2016
## AUTOREN
Klaus Wolschner
## TAGS
Wohnungsbau
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Sozialwohnungen
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