# taz.de -- Dirk Hartog Island, Westaustralien: Umwelträuber Katze | |
> Vor 400 Jahren landete der erste Europäer an der Küste Westaustraliens. | |
> Ihm folgten Leuchtturmwärter, Farmer, Katzen, Schafe und Ziegen. | |
Bild: An der australischen Westküste, wo die ersten holländischen Siedler lan… | |
„Weißt du, 400 Jahre, was ist das schon?“, sagt Capes. Er trägt Shorts, | |
Sonnenbrille und Baseballkappe und heißt eigentlich Darren Capeswell, aber | |
niemand nennt ihn so. Der Yamaji Aborigine folgt gerade einer Känguruspur | |
durch den Francis-Peron-Nationalpark an der Shark Bay, Westaustralien, rund | |
850 Kilometer nördlich von Perth. | |
Shark Bay ist eine der wenigen Unesco-Weltnaturerbestätten, die alle vier | |
Bedingungen für den Status erfüllen, obwohl eine allein schon ausreichend | |
ist. Es ist geologisch, klimatisch, evolutionsgeschichtlich und biologisch | |
besonders. Auf der anderen Seite der Bucht sieht man ein Stück Land am | |
Horizont: Dirk Hartog Island, 80 Kilometer lang und bis zu 11 Kilometer | |
breit. Auf die Insel setzte vor 400 Jahren zum ersten Mal ein Europäer | |
seinen Fuß: Dirk Hartog nämlich. | |
„Meine Leute sind schon seit 10.000 Jahren hier“, sagt Capes, „und niemand | |
schmeißt eine Party für uns.“ Er ist am Ende der Spur angekommen, ein | |
kleines Loch ist dort im Boden. Capes vergrößert es, buddelt im Sand wie | |
ein Kind. Am Boden des Lochs beginnt sich Wasser zu sammeln. Es ist | |
trinkbar. „Kängurus führen dich zu Trinkwasser“, sagt Capes. Er trägt das | |
Wissen seiner Vorfahren weiter und davon lernen nicht nur Touristen, | |
sondern auch Einheimische. Aus den Erzählungen der Aborigines weiß man zum | |
Beispiel, wie die Flora und Fauna ausgesehen hat, bevor die Europäer ihre | |
Haustiere einschleppten. | |
## Hier landete Dirk Hartog | |
Im Herbst 1616 stößt das holländische Schiff „Eendracht“ auf Land. Der | |
Kapitän hinterlässt eine Metallscheibe auf einer Klippe. Darauf steht: | |
„Hier landete am 25. Oktober Kapitän Dirk Hartog und sein Steuermann, | |
fahren am 27. Oktober weiter nach Batum.“ Er war auf dem Weg nach Batavia, | |
dem heutigen Jakarta, um Gewürze einzukaufen. Nur wusste man damals noch | |
nicht, wie man die Längengrade berechnete. Hartog segelte von Afrika aus | |
nach Süden. Er wollte die windstille Zone rund um den Äquator umgehen und | |
die „Roaring Forties“, die starken Westwinde, nutzen, um schneller nach | |
Indien zu gelangen. Doch er verschätzte sich und erreichte stattdessen die | |
australische Küste. | |
Nach ihm kamen viele andere: Vlamingh, Dampier, St Allouran – und mit ihnen | |
die ersten Unternehmer. Im Jahr 1850 begannen Perlenfischer in der Shark | |
Bay die Austern zu ernten, 80 Jahre später waren keine mehr übrig. 1869 | |
brachte Von Bibra die ersten Schafe und Ziegen nach Dirk Hartog Island. | |
Knapp dreißig Jahre danach kamen die Leuchtturmwärter mit den ersten | |
Katzen. Sie alle nutzten, gestalteten und zerstörten die Natur. Zur | |
400-Jahr-Feier der europäischen Geschichte soll die Insel wieder in den | |
Zustand versetzt werden, in dem Dirk Hartog sie 1616 gesehen haben muss. | |
„Durch die Schafe breitete sich die Steppe aus“, erklärt Kieran Wardle, der | |
mit seiner Frau und den beiden Kindern als Einziger auf Dirk Hartog Island | |
lebt. „Die Katzen sollten die kleinen Nager von Vorräten fernhalten und | |
rotteten alle kleinen Beuteltiere aus, die je hier gelebt haben: Woylie, | |
Dibbler, Mulgara, Chuditch.“ | |
## Die Vegetation erholt sich | |
Kieran ist der Enkel des letzten Schafzüchters der Insel. Er ist Besitzer | |
einer kleinen Ökolodge. Kieran hat früh angefangen, Freunde einzuladen, sie | |
auf Wanderungen über die Dünen am östlichen Strand mitzunehmen; im Februar | |
zuzusehen, wie die kleinen Schildkröten schlüpfen und ins Meer krabbeln; | |
oder im Juni nach Walhaien Ausschau zu halten. Aus dem Ausflug mit Freunden | |
wurde ein kleines Unternehmen, sechs Zimmer und ein Haus vermieten er und | |
seine Frau. Dazu kommt ein kleiner, staatlicher Campingplatz und ihr | |
eigener. Das Einkommen aus der Schafzucht wurde weniger, und jenes aus dem | |
Tourismus stieg. | |
Rund 1.000 Touristen besuchen die Insel im Jahr, 400 davon übernachten in | |
ihrer Lodge in den ausgebauten Schafsställen. Der Strom kommt aus | |
Solarzellen, das Trinkwasser ist gesammeltes Regenwasser, das Wasser aus | |
dem Hahn stammt aus einem eigenen Brunnen. „2009 haben wir das letzte Schaf | |
von der Insel transportiert“, sagt Kieran, während er mit seinem Jeep über | |
die Pisten der Insel zockelt, betonierte Straßen gibt es keine. Autos | |
begegnet er nicht, es dürfen ohnehin nur 15 Wagen gleichzeitig auf die | |
Insel. | |
Seit 2007 wurden 10.000 Ziegen und 5.000 Schafe entfernt, erst klassisch, | |
später hat man sogenannten Judasziegen GPS-Sender umgehängt. Es waren | |
Ziegen, die Böcke angelockt haben, die man so fangen konnte. Die Bilanz | |
2015: 0 Schafe, geschätzte 50 Ziegen. 2016 soll auch die letzte | |
verschwunden sein. | |
Langsam hat sich die Vegetation erholt. Kieran zeigt auf Stellen, an denen | |
der Busch so dicht ist, dass man nicht hindurchschauen kann. „Früher war | |
das alles kahlgefressen und man konnte den sandigen Boden sehen.“ Neben | |
einem kniehohen Metallstab hält er den Wagen an, gegenüber stehen kleine | |
dunkle Boxen. „In dem einen ist ein Lockstoff für Katzen“, erklärt Kieran, | |
„im anderen eine Kamera, um sie zu knipsen.“ | |
## Die Pest der Insel | |
Die Katzen sind sozusagen die Pest der Insel. Sie jagen alles Maus- und | |
Rattenartige und davon gab es auf der Insel sehr viel. In dem trockenen | |
Klima mit dem buschigen Land können sich keine großen Kängurus ernähren. | |
Für kleinere Beuteltiere hingegen ist es der perfekte Lebensraum. Um die | |
Katzen loszuwerden, wurden vergangenes Jahr Köder ausgelegt: Würste, die | |
mit einem Gift versehen waren, das in einer einheimischen Erbse vorkommt. | |
Beuteltiere sind immun dagegen, eingewanderte Arten hingegen nicht. Doch | |
Katzen sind schlaue Tiere, nicht jede frisst, was vom Himmel fällt. | |
Kamerafallen sollen deshalb helfen, Tiere aufzuspüren. Doch auch die haben | |
seit Monaten keine Bilder mehr aufgenommen. Deshalb ist nun Mark Holdsworth | |
auf der Insel. | |
Er hat sein Lager in der Nähe des kleinen Flugplatzes errichtet: Drei Zelte | |
stehen im Halbkreis, daneben liegen fünf Hunde in geräumigen Käfigen, einen | |
sechsten hat Mike an der Leine. „Wir laufen den Süden der Insel ab“, sagt | |
Mark, „und zwar die Regionen zwischen den Kamerafallen.“ Die Hunde sollen | |
die letzten Katzen erschnüffeln. Das dauert lange, denn jeder Hund kann nur | |
zwei Stunden lang arbeiten, dann ist Schichtwechsel. Einen Monat lang | |
werden sie beschäftigt sein. „Wenn wir zwei Jahre lang keine Spuren von | |
Katzen finden“, fährt Mark fort, „ist die Insel sauber.“ | |
Erst dann können die ausgestorbenen Arten wieder eingeführt werden, die | |
ihre Nische wieder finden, sesshaft werden und sich fortpflanzen müssen. | |
Das dauert mindestens noch drei Jahre, vielleicht auch eher fünf oder | |
sieben. Und natürlich ist die Insel dann nur annähernd so wie vor 400 | |
Jahren, denn Flugplatz, Autos und Touristen gab es damals nicht. | |
15 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Pia Volk | |
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