# taz.de -- Straßenkindertreff kurzzeitig besetzt: Schließung mit Hindernissen | |
> Nach der Schlüsselübergabe an den Eigentümer besetzen Jugendliche | |
> vorübergehend den Straßenkindertreff. Nun sind Betreuer und Kids auf der | |
> Straße | |
Bild: Mitarbeiter des „Kids“ protestieren vor ihren ehemaligen Räumen, Str… | |
HAMBURG taz | Dramatisch ging am Freitag die Zeit des Straßenkindertreffs | |
„Kids“ im Bieberhaus am Hauptbahnhof zu Ende. Nach der für 11.30 Uhr | |
angesetzten Schlüsselübergabe durch Einrichtungsleiter Burkhard Czarnitzki | |
an den Vertreter der Immobilien-Firma Alstria verließen alle Mitarbeiter | |
die Räume. Doch gleich danach schlüpften mehrere Jugendliche durch die Tür | |
und setzen sich auf den Boden des Ladenraumes, wo sie sich mit Schlössern | |
aneinander ketteten. | |
Gegen Nachmittag drohte die Polizei mit Räumung, daraufhin wurde die Aktion | |
beendet. „Wir bleiben hier, bis klar ist, dass das Kids am Hauptbahnhof | |
neue Räume bekommt“, hatte eine Jugendliche zu Beginn der Besetzung | |
entschlossen gesagt. Die versprochenen vier Container auf dem Parkplatz am | |
Bahnhof seien keine Lösung. Die angeketteten Jugendlichen wollten mit | |
Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) reden. Doch die nicht mal die Sozialbehörde | |
sah sich genötigt, vor Ort zu erscheinen. | |
Das Kids ist seit 1993 an dieser Stelle am Hauptbahnhof. Hier konnten | |
Jugendliche, die auf der Straße leben, duschen, essen und Unterstützung | |
erhalten. Doch die Firma Alstria hatte die Räume gekündigt, um zu sanieren | |
und Büros einzurichten. | |
Seit über einem Jahr bemüht sich „Basis & Woge“, der Träger des Kids, | |
erfolglos um andere Räume. Die Stadt, die die Einrichtung finanziert, tut | |
sich schwer, eine Lösung zu finden, denn sie hat zu Zeiten des CDU-Senats | |
fast alle ihre Immobilien am Bahnhof verkauft. „Es liegt lediglich eine | |
Genehmigung für vier Container auf dem Parkplatz vor der Bahnpolizei vor“, | |
sagt Kids-Leiter Burkhard Czarnitzki. Man brauche aber eine größere Fläche, | |
um mindestens acht Container aufzustellen. Nur dort könnten Essen und | |
Duschen für die Jugendlichen angeboten werden. | |
## Suche nach einer „arbeitsfähigen Lösung“ | |
„Wir brauchen eine arbeitsfähige Lösung“, so Czarnitzki. Eine | |
Parkplatz-Fläche in der Nähe am Holzdamm direkt neben den Gleisen wäre | |
geeignet und groß genug. Doch der Bezirke Mitte, für die Genehmigung | |
zuständig, lässt sich mit einer Entscheidung offenbar Zeit. Die Anträge für | |
eine größere Ersatzfläche am Holzdamm und vor der Kunsthalle würden „noch | |
geprüft“, sagt Pressesprecher Norbert Cordes. | |
Die taz rief noch während der Besetzung bei Sozialbehörden-Sprecher Marcel | |
Schweitzer an und fragte, ob Senatorin Melanie Leonhard (SPD) oder eine | |
Vertretung zur Vermittlung vorbei kommen würde. Schweitzers Antwort per | |
SMS: „Vielen Dank für den Hinweis. In die Auseinandersetzung zwischen | |
Mieter/Vermieter können wir uns nicht einmischen.“ | |
## Investor Alstria stellt Strafanzeige | |
Angeblich sollen Behördenvertreter hinter den Kulissen auf den Ex-Vermieter | |
Alstria eingewirkt haben, keine Anzeige gegen die jugendlichen Besetzer zu | |
stellen. Doch gegen 15 Uhr wird bekannt: Alstria stellt Strafanzeige wegen | |
Hausfriedensbruchs. Behelmte Polizisten mit Schildern und Stöcken ziehen | |
vor das Haus und sichern die Eingänge. Die Räumung droht. | |
Dass es zu keiner Eskalation kommt, ist schließlich Patricia von „Momo“, | |
der ständigen Vertretung der Straßenkinder, und Sabine Boeddinghaus von der | |
Linken zu verdanken, die mit dem Einsatzleiter der Polizei und dem | |
Alstria-Vertreter verhandeln. Der Kompromiss: Die Jugendlichen ziehen | |
freiwillig ab, dafür wird auf die Feststellung der Personalien verzichtet. | |
Der Investor zieht die Strafanzeige zurück. | |
„Wir haben großes Verständnis für den zivilen Ungehorsam der | |
Straßenkinder!“, sagte Boeddinghaus. Die Behörden hätten dem Drama um die | |
Kündigung des Kids zu lange tatenlos angesehen. „Die heutige Aktion ist | |
dafür die Quittung, die absolut vermeidbar gewesen wäre.“ Das Bezirksamt | |
Mitte müsse dem Kids umgehend Flächen für eine ausreichende Anzahl | |
Container zur Verfügung stellen. | |
„Ich mache mir große Sorgen, dass es jetzt gar keine Lösung gibt“, sagte | |
Ronald Prieß, Mitarbeiter von Boeddinghaus und zugleich „Botschafter der | |
Straßenkinder“. Es sei unverständlich, dass in der Ernst-Merk Straße direkt | |
nebenan große Ladenflächen freistünden, wo „angeblich ein Wettbüro sein | |
soll“. Gegen halb fünf war die Baustelle vor dem Bieberhaus vollständig | |
abgesperrt. Im leeren Kids, wo nur noch ein verwaister Billardtisch an | |
frühere Nutzung erinnerte, sollen für die Dauer der Sanierung Bauwerkzeuge | |
gelagert werden. „Das ist bitter. Wir hätten doch bleiben können“, sagt | |
eine Kids-Mitarbeiterin. | |
Czarnitzki und sein zehnköpfiges Team haben noch ein kleines Büro am | |
Steindamm, die nächsten Tage werden sie aber nur als Streetworker arbeiten. | |
Falls bis zum 17. Oktober keine andere Lösung kommt, werde man in die zu | |
kleinen Container ziehen, sagt Czarnitzki. | |
Immerhin hat Sozialbehörde gestern noch mal beim Bezirk nachgefragt. „Der | |
Antrag für die acht Container wurde am 30.09.16 beim Bezirksamt-Mitte | |
gestellt und befindet sich noch in Prüfung“, sagt Sprecher Schweitzer. | |
„Nach unseren Informationen sieht das Bezirksamt gute Chancen, den Antrag | |
genehmigen zu können.“ | |
8 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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