# taz.de -- Hurrikan-Schäden in Haiti: Sturmchaos im Karibikstaat | |
> Weite Teile des Südwestens sind verwüstet. Nach dem Hurrikan „Matthew“ | |
> haben viele Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser. | |
Bild: Chardonnieres in Haiti am 10. Oktober | |
BERLIN taz | Acht Stunden war Armand F. unterwegs, um nach seiner Familie | |
in Miragoâne zu sehen, knapp 100 Kilometer entfernt von Haitis Hauptstadt | |
Port-au-Prince. Wie er versuchen Hunderte, nach dem Durchzug von Hurrikan | |
„Matthew“ vor einer Woche in die von aller Kommunikation abgeschnittenen | |
Südwestprovinzen des Karibikstaats zu gelangen. | |
F.s Haus hat den Winden von bis zu 230 Stundenkilometern Stand gehalten. | |
Ein Betondach und Steinmauern boten der Familie genügend Schutz vor | |
Hurrikan „Matthew“. „Die Wellblechdächer meiner Nachbarn sind weggefloge… | |
die Wände zusammengebrochen“, sagt der Büroangestellte. | |
Weite Teile des Südwestens bieten ein Bild der Verwüstung. So auch die | |
Hafenstadt Jérémie, die am Rande des Zentrums dieses Monstersturms der | |
Kategorie 4 lag. Wind und Fluten haben die Slumvororte der gut 30.000- | |
Einwohnerstadt fast dem Boden gleich gemacht, ein Inferno aus Holzstücke, | |
Wellblechplatten und Möbelresten. | |
80 Prozent der Stadt sind nach Angaben von Jean-Michel Vigreux, Direktor | |
der Organisation Care Haiti, zerstört. Nach Informationen der Organisation | |
Ärzte ohne Grenzen wurde das Krankenhaus der Provinzstadt völlig zerstört. | |
Nur langsam wird das ganze Ausmaß der Katastrophe deutlich, da | |
Hilfsorganisationen und Helfer nur unter Mühen in die stark betroffenen | |
Gegenden vordringen können. In die Ortschaft Chantal etwa gelangten die | |
Helfer nur mit Hilfe einer instabilen Bretterkonstruktion über einen Fluss. | |
Trinkwasser, Lebensmittel und Medikamente müssen von freiwilligen Helfern | |
auf dem Kopf über die Behelfsbrücke balanciert werden. | |
## 1,4 Millionen Menschen brauchen Hilfe | |
Viele kleine Brücken der Region sind zusammengebrochen, die Straßen | |
unpassierbar. Ein Korrespondent der Agentur AFP berichtete, dass es am | |
Mittwoch endlich vier Lastwagen des Welternährungsprogramms (WFP) und | |
anderer Organisationen in die besonders betroffenen Städte Port-Salut und | |
Roche-à-Bateau geschafft hatten. Damit haben nach fast einer Woche die | |
ersten größeren Lebensmittellieferungen den stark verwüsteten Südwesten | |
Haitis erreicht. Die Bohnenernte stand in diesen Wochen an. 80 Prozent der | |
Pflanzungen sind jetzt zerstört. Der Preis für ein Pfund Bohnen, einem | |
Grundnahrungsmittel im Armenhaus Lateinamerikas, hat sich auf den Märkten | |
bereits um 50 Prozent erhöht. | |
Die Berichte aus der Katastrophenregion sind mehr als besorgniserregend, | |
urteilt das UN-Büro für humanitäre Hilfe (OCHA) in einer ersten | |
Schadensbilanz. 2,1 Millionen Menschen sind in Haiti von dem Sturm | |
betroffen, mindestens 1,4 Millionen Menschen brauchen Hilfe. | |
„Einige Städte und Dörfer sind fast von der Landkarte gefegt worden. Felder | |
und Essensreserven wurden zerstört. Mindestens 300 Schulen wurden | |
beschädigt“, bilanzierte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Nach Einschätzung | |
von OCHA vor Ort werden fast 110 Millionen Euro benötigt, um rund 750.000 | |
Menschen, die die Hilfe am dringendsten brauchen würden, in den nächsten | |
drei Monaten zu versorgen. Aber lediglich 20 Prozent habe die UN aus den | |
Mitgliedsstaaten zugesagt bekommen. | |
## Viele Cholera-Erkrankte | |
Die wirkliche Anzahl der Toten ist noch nicht bekannt. Nach Angaben der | |
haitianischen Zivilschutzbehörde in Port-au-Prince wurden offiziell 473 | |
Tote und Dutzende Personen als „verschwunden“ registriert. Dem widerspricht | |
das haitianisch-karibische Nachrichtennetzwerk HCNN. Es beziffert die Zahl | |
der Toten nach einer eigenen Umfrage bei Bürgermeistern auf über 1.300. | |
Die Zahl dürfte sich in den nächsten Wochen durch die zahlreichen | |
Cholera-Erkrankten noch erhöhen. Bei den Überschwemmungen wurden auch die | |
Latrinen und Friedhöfe überflutet. Leichen und Tierkadaver treiben in den | |
Flüssen. Da kein oder kaum sauberes Trinkwasser vorhanden ist, nutzen die | |
Menschen kontaminiertes Wasser aus den Flüssen und Zisternen zum Kochen. | |
HCNN berichtet mit Bezug auf offizielle Quellen vor Ort bereits von | |
mindestens 160 Cholera-Tote in dem Katastrophengebiet. Die | |
Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat eine Million Impfdosen gegen Cholera | |
in das zerstörte Gebiet geschickt. | |
Eigentlich hätten am Tag nach dem Hurrikan in Haiti Präsidentschaftswahlen | |
stattfinden sollen. Doch der Urnengang musste abgesagt werden. Ein neuer | |
Termin soll am Freitag bekannt gegeben werden. | |
13 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Hans-Ulrich Dillmann | |
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