# taz.de -- Streiks gegen totales Abtreibungsverbot: Polens schwarzer Montag | |
> Viele Polinnen sind wütend. Die Regierung wolle sie entmündigen. | |
> Hunderttausende protestieren gegen eine Verschärfung des | |
> Abtreibungsgesetzes. | |
Bild: Es ist ihr Körper: Frauen protestieren am Montag gegen das Abtreibungsge… | |
Warschau taz | Treffpunkt 15 Uhr am Warschauer Schlossplatz: Schwarz | |
gekleidete Polinnen ziehen den ganzen Montag lang durch Polens Hauptstadt. | |
Auch in anderen Städten proben die Frauen den Aufstand gegen das | |
verschärfte Abtreibungsgesetz. In Krakau, Breslau, Danzig, Lublin, Posen – | |
überall streiken Polens Frauen. | |
Der „schwarze Montag“ soll die rechtspopulistische Regierungspartei Recht | |
und Gerechtigkeit (PiS) das Fürchten lehren. Läden sind geschlossen, | |
Restaurants, Büros und Behörden. Auch viele Männer unterstützen in | |
ebenfalls schwarzer Kleidung den Massenprotest der Frauen. Die Ansage ist | |
klar: „Wir stürzen die Regierung. Wir – der Souverän. Wir – die Frauen!… | |
Die 22-jährige Studentin Ola steht mit ihren Freundinnen aus der Warschauer | |
Universität vor der PiS-Parteizentrale an der Nowogrodzka-Straße. Hinter | |
den Fenstern vermutet sie PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski. Es gibt | |
zunächst stillen Protest – für schwangere Frauen und solche mit Kindern. | |
Danach eine extrem laute „Wand der Wut“. Alles ist gut organisiert. | |
Ola schreit ihren Frust heraus: „Frauen sind keine Gebärmaschinen!“ | |
skandiert sie mit Natalia, Mira und Anna. „Freiheit, Freiheit“ und „Mein | |
Bauch, meine Entscheidung!“ Immer mehr schwarz gekleidete Frauen kommen zur | |
PiS-Parteizentrale. „Wir haben uns heute freigenommen. Nachher ziehen wir | |
zum Schlossplatz. Da ist die Hauptkundgebung“, sagt die Geografiestudentin. | |
„Meine Mama und meine Oma wollen auch kommen. Ich bin total stolz auf sie!“ | |
## Schwangere werden entmündigt | |
Der „schwarze Montag“ richtet sich vor allem gegen die geplanten | |
Menschenrechtsverletzungen der Frau. Laut dem Gesetzesprojekt der | |
Bürgerinitiative „Stopp Abtreibung“, das Polens Parlament in erster Lesung | |
angenommen hat, soll eine schwangere Frau nicht mehr allein über ihr Leben | |
entscheiden können. Vorrang sollen das befruchtete Ei und der Fötus haben. | |
Bischöfe, Gynäkologen und Staatsanwälte sollen – angeblich im Namen des | |
„empfangenen Lebens“ – die Kontrolle über die weitgehend entmündigte | |
Schwangere übernehmen. | |
„Ich will meine Freiheit behalten! Auch wenn ich schwanger werde“, sagt | |
Natalia. „Ich will entscheiden, wann und mit wem ich ein Kind bekomme. Aber | |
diese religiösen Fanatiker verteidigen sogar Vergewaltiger!“ Die Studentin | |
mit dem blonden Kurzhaarschnitt schüttelt sich. „Welche Frau will denn das | |
Kind von so einem Ekel zur Welt bringen, von einem Verbrecher? Wenn man den | |
Fötus abtreibt, würde man bis zu fünf Jahre hinter Gittern sitzen, während | |
der Vergewaltiger nach sechs Monaten wieder frei käme.“ | |
Anna, die Romanistik studiert, setzt hinzu: „Ich habe mich nie groß für | |
Politik interessiert. Das hatte nichts mit meinem Leben zu tun, dachte ich. | |
Jetzt sehe ich, dass das ein Irrtum war.“ | |
Umfragen der konservativen Tageszeitung Rzeczpospolita zufolge sinken die | |
Zustimmungsraten zur PiS seit Beginn der Frauenproteste. Dazu wird auch der | |
arrogante Kommentar von Polens Außenminister Witold Waszczykowski | |
beitragen.: „Die Frauen amüsieren sich heute auf der Straße. Aber wir haben | |
es hier mit einem ernsten Thema zu tun. Über Leben und Tod sollte man | |
ernsthaft sprechen. Nicht auf der Straße.“ | |
3 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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