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# taz.de -- Die Wahrheit: Der Gröpaz
> „Schurken, die die Welt beherrschen wollen“. Diesmal: Seine unverbeulte
> Niedlichkeit Papst „Jorge Super Mario“ Franziskus.
Bild: „Jorge Super Mario“ trägt ein schlichtes Bettlaken, schläft in eine…
Wo er auftritt, steht das Volk stundenlang kopf. Ob im sturzkatholischen
Mezzogiorno oder im christlich wenig durchsäuerten New York, die Massen
stapeln sich, um einen Blick auf ihn zu werfen: Seine oberste Heiligkeit
Papst Franziskus, den Champion des Katholizismus und nach Gott Wichtigsten
im Universum.
Wo er auftaucht, schwenken glattpolierte Kinder Fähnchen, durchkämmen
Sprechchöre die Luft, schrauben erwachsene Menschen ihre Hälse hoch; und
wem das Schicksal hold ist, gelangt mit Haut und Haaren ganz nach vorn und
darf mit seiner Hand seine Hand berühren, bevor der nächste Kunde heran
ist.
Franziskus ist ein Papst für alle, die einen Papst brauchen. Also begibt er
sich, den Kopf auffällig voller Demut, in die Slums und wäscht Arme und
Elende untenrum die Füße. Ja, selbst vor den Reichen und Mächtigen ekelt er
sich nicht, empfängt in der Sala Regia des Apostolischen Palasts
handverlesene, bekleidete Gäste: die Herren abgefüllt in dunklen Zwirn, die
Damen im züchtig bis zur Wade schwebenden Kleid wie die anwesenden Männer
der Kurie. Diese achten darauf, dass Slum und Sala Regia nicht verwechselt
werden.
Während Politik und Wissenschaft noch streiten, ob Armut angeboren oder
anerzogen ist, ob die Gene schuld sind, und wenn ja, wessen Gene – handelt
der Papst einfach, indem er der Menschheit tief ins Gewissen hineinredet
und nie müde wird zu sagen, dass Worte nicht genügen. Und in Schreiben und
Enzykliken daran erinnert, dass allein Taten zählen. Und mahnt, kritisiert,
rüttelt und weckt. Warnt, appelliert, ruft und prangert. Rät, geißelt,
verurteilt und lehnt. Ab, an, auf, vor und zu und immer wieder auf und auf.
Auf zum leibhaftig Guten, auf das vollmundig Richtige! Und einen auf die
Überwindung des zu Überwindenden!
## Das zweite Antlitz Christi
1,2 Milliarden Katholiken krempeln seit 2013 die Arme hoch und setzen Punkt
für Punkt um, was ihr Papst ihnen für die irdische Wirtschaft,
Gesellschaft, Politik und Kultur vorgibt. Ob theologisch armierter Kleriker
oder mit blankem Wasser getaufter Laie, jauchzend und frohlockend lassen
sie alle den Worten Taten bei Fuß folgen; reich möbliert mit Gottvertrauen,
scheuen sie nicht Tod noch Teufel, um die Welt zu einem zweiten Antlitz
Christi zu machen. Die Erfolge sprießen denn auch an allen Ecken und Kanten
hervor und lassen sich rings auf Erden sehen.
Nur folgerichtig also, dass es den Menschen und Medien ein Schmatzen in die
Augen treibt, wenn der Papst in Wort oder Schrift die nächste Botschaft
auswirft und unfehlbar dazu aufruft, dass Aufrufen nicht ausreicht. Das
Mahnen und Prangern gehört unbedingt dazu!
Persönlich ist gegen den Herrn über Leben und Fortleben aller Katholiken
keine noch so schmutzige Kritik möglich. Er trägt statt pelzbesetzter roter
Mozzetta nur ein schlichtes weißes Bettlaken, schläft in einem einfachen
Zimmer und wäscht sich jeden Morgen, wandelt per eigenen pedes in den
Apostolischen Palast und nimmt das Besteck beim Essen selbst in die Hand.
Niemand könnte so stolz sein wie er, dass er so bescheiden ist, aber Stolz
wäre ein Kardinallaster; er ist Papst.
## Chemietechniker vor dem Herrn
Kardinal war er vor seiner Beförderung lang genug, trockene zwölf Jahre von
2001 bis 2013. Dass er sich beruflich noch verbessern würde, hatte er, der
1936 als Jorge Mario Bergoglio auf die Welt kam, sich kaum träumen lassen.
Geboren zu Buenos Aires in einer italienischen Auswandererfamilie als eines
von fünf Karnickeln, hatte der Papst zunächst Chemietechniker gelernt, bis
sich der Glaube an den Jesuitenorden in ihn bohrte.
Stück für Stück, vom einfach gebauten Priester über den komplizierteren
Theologiedozenten bis zum sauber gewickelten Erzbischof, hatte er sich
höher zu Gott gedient – und wäre ihm womöglich schon 2005 auf die Pelle
gerückt; aber der Argentinier schenkte den Vortritt mit lockerer Hand dem
Papst Ratzinger, der sich acht Jahre später, ritterlich bis auf die Haut,
revanchierte.
Dass sich Jorge Mario Bergoglio nach seiner Wahl einen anderen Namen gab,
verhinderte nicht, dass Gerüchte aufplatzten, er habe unter der
argentinischen Militärdiktatur inhaftierte Glaubensbrüder nicht mit
lindernden Worten gefüttert, sondern seine Schutzbefohlenen gar verraten;
doch das konnte vom entführten und gefolterten Jesuitenpriester Francisco
Jalics entkräftet werden, sodass persönlich gegen den größten Papst, seit
es Päpste gibt, keine noch so schmutzige Kritik möglich ist.
Unverbeult kann Franziskus seither seinen Alltag organisieren, beten und
predigen, segnen und heiligsprechen, Gottesdienste für seinen Vorgesetzten
organisieren sowie prangern und pädagogisch geölte Ohrfeigen für schlecht
gestimmte Kinder gutheißen; der Papst weiß, wovon er spricht. Aus ihm ist
schließlich auch was Anständiges geworden!
14 Sep 2016
## AUTOREN
Peter Köhler
## TAGS
Papst Franziskus
Katholische Kirche
Schurken
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