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# taz.de -- Die Wahrheit: Kein Prozess
> Als K. seinen dreißigsten Geburtstag beging, setzte sich plötzlich sein
> beinahe unheimlicher beruflicher Aufstieg in Gang.
Bild: „Jorge Super Mario“ trägt ein schlichtes Bettlaken, schläft in eine…
Jemand musste K. protegiert haben, denn ohne dass er etwas Gutes getan
hätte, wurde er eines Morgens zum Leiter des Kassenraumes befördert. K.
beteuerte seinen Kollegen seine Unschuld. Er beging an diesem Tage seinen
dreißigsten Geburtstag; so war nicht ausgeschlossen, dass die Kollegen sich
mit ihm einen Spaß erlaubten.
In dieser Hoffnung schickte sich K. in seine Lage, bis er in das Zimmer des
Direktors gewiesen wurde. Dieser eröffnete K., dass es seine Richtigkeit
habe und er sich für höhere Aufgaben bereithalten solle. Das weckte K.s
Ehrgeiz. Tatsächlich wurde er bald Leiter der Niederlassung, in der er
bisher Dienst getan, nachdem der Direktor verhaftet worden war, für die
Dauer der Ermittlungen beurlaubt wurde und nicht zurückkehrte; man fand
seinen leblosen Körper in einem verlassenen Steinbruch außerhalb der Stadt,
wo der Unglückliche dem Anschein nach, zermürbt von den nicht enden
wollenden Anschuldigungen, den Freitod gesucht hatte.
Einige Zeit darauf wurde K. telefonisch verständigt, es habe eine
Untersuchung in seiner Angelegenheit stattgefunden; er möge sich in die in
der Hauptstadt gelegene Zentrale verfügen. Nachdem er sich am genannten Tag
bang dorthin begeben, ein Diener ihn ins oberste Stockwerk geführt und er
vor einem Tisch, an dem mehrere Männer saßen, unsicher Posten bezogen
hatte, eröffnete man ihm, er sei in den Führungszirkel des Unternehmens
aufgenommen. Ein Schwindel überkam K., der das Leben in der Provinz gewohnt
war und fürchtete, dass sein berufliches Fortkommen seinem privaten Glück
hinderlich sei, zumal er sich bereits seinen Kollegen, zu deren
Vorgesetztem er aufgestiegen war, entfremdet hatte.
Eben letzterer Umstand aber erleichterte ihm den Umzug in die neue
Umgebung. Mehr und mehr musste K. erkennen, dass es gut um seine Sache
bestellt war. Seine Arbeit entschädigte ihn für die Sorgen zu Hause, deren
Ursache sie zugleich war; seine Frau und er lebten sich auseinander. Seine
Gedanken wurden vollständig von dem Unternehmen beansprucht, insbesondere
nachdem er zum Mitglied des Vorstands ernannt worden war. Er kannte keine
Verwandten mehr. So kam ihm einmal der Besuch eines Onkels vom Land sehr
ungelegen.
Es erwies sich, dass der Mann von der ihm, K., zugewachsenen Machtfülle
wusste und mit Worten, aus denen die Angst vor der Schmach eines Bankrotts
sprach, ihn, K., um Geld anging. K. schnappte nach Luft, versprach aber,
das Erforderliche einzuleiten, und verabschiedete den Onkel, der nie wieder
von K. hörte. Seine Frau verließ ihn mit den Kindern, während er zum
Vorstandsvorsitzenden aufstieg und seinen Wirkungskreis auf den Staat
ausdehnte.
Es gelang ihm, ohne dass ihm jemals der Prozess gemacht worden wäre – schon
die Sache mit dem Direktor hatte nie Verdacht erregt –, Minister und
schließlich den Kanzler zu lenken, der K. für seine Verdienste den höchsten
Orden des Landes verlieh. „Wie ein Held!“, sagte er hinterher, habe er sich
gefühlt, ihm war, als würde sein Ruhm ewig leben.
21 Sep 2016
## AUTOREN
Peter Köhler
## TAGS
Familie
Prozess
Arbeit
Papst Franziskus
Sprachkritik
Die Linke
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