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# taz.de -- Legaler Handel mit Spendernieren im Iran: Die Schulden mit der Nier…
> Im Iran können Spender ihre Nieren legal verkaufen. Das höchst
> umstrittene System verhindert Wartelisten und schwächt den Schwarzmarkt.
Bild: Hohe Quote an Spenden von Lebenden: Ärzte im Iran bei einer Nierentransp…
Teheran ap Noch muss Sahra Hadschikarimi dreimal die Woche zur Dialyse.
Doch nicht mehr lange. Schon bald wird für die Frau aus Teheran ein neues
Leben beginnen. Dank eines speziellen Systems, das im Iran den direkten
Verkauf von Nieren erlaubt, muss sie nur wenige Monate auf ein neues Organ
warten.
Wer sich als Spender zur Verfügung stellt, erhält umgerechnet etwa 4000
Euro. Nach Ansicht von Kritikern ist genau das aber ein Problem. Denn die
Verlockung, sich für diesen Preis freiwillig unters Messer zu legen, dürfte
vor allem für ärmere Menschen groß sein.
Um eine indirekte Ausbeutung der wirtschaftlich Schwachen zu verhindern,
lehnt die Weltgesundheitsorganisation WHO vehement jede Form der
„Kommerzialisierung“ von Organtransplantationen ab. In fast allen Ländern
wird dies auch so gehandhabt. Der Sonderweg des Irans hat zum Teil
historische Gründe. Einige Experten fordern inzwischen aber, zumindest
Teile des Modells auch anderswo einzuführen. Denn das Ergebnis ist – bei
aller Kritik – in zweifacher Hinsicht bemerkenswert.
Während in Ländern wie Indien, Pakistan oder den Philippinen ein kaum zu
kontrollierender Schwarzmarkt für menschliche Organe entstanden ist, gelten
im Iran klare Regeln. Und während in vielen westlichen Ländern unzählige
Patienten auf eine Spenderniere warten, und jedes Jahr Tausende von ihnen
sterben, weil sie nicht rechtzeitig eine bekommen konnten, ist die
Warteliste im Iran seit Einführung des Systems praktisch vollständig
abgebaut.
Jeder Mensch wird mit zwei Nieren geboren. Im Normalfall ist eine aber
ausreichend, um das Blut zu reinigen und damit ein gesundes Leben zu
ermöglichen. Wer das Risiko einer Operation in Kauf nimmt, kann also eine
seiner Nieren abgeben. Die Blutgruppen von Spender und Empfänger sollten
zwar zusammenpassen. Die beiden Personen müssen aber nicht miteinander
verwandt sein. Aus rein medizinischer Sicht steht einem umfassenden
„Handel“ also nichts im Wege.
## Selbst für die USA interessant
„Einige Spender haben durchaus finanzielle Motive. Das können wir nicht
bestreiten“, sagt Haschem Ghasemi, Leiter des Iranischen Patientenverbandes
für Dialyse und Transplantationen. „Und einige Leute wollen einfach nur
etwas Gutes tun.“ Anders als im globalen Schwarzmarkt gibt es im Iran keine
dubiosen Zwischenhändler, die an dem Geschäft kräftig mitverdienen. Wer
hier eine Niere braucht, wird an den Patientenverband verwiesen. Der
kümmert sich dann um die Vermittlung. Die Kosten für die Operation werden
vom Staat übernommen.
Nieren wurden im Iran erstmals 1967 verpflanzt. Nach der Islamischen
Revolution im Jahr 1979 waren solche Operationen aber zunächst kaum noch
möglich, vor allem wegen der internationalen Sanktionen. In den 80er Jahren
durften Patienten für eine Transplantation ins Ausland reisen. Aber die
fast überall länger werdenden Wartelisten, die hohen Kosten und vor allem
die Folgen des langjährigen Krieges gegen den Irak machten schließlich auch
dies unmöglich. Im Jahr 1988 wurde deswegen das System etabliert, das im
Wesentlichen bis heute besteht.
Nach Angaben der Regierung profitieren im Iran inzwischen jährlich etwa
1.500 Patienten von einer Lebendnierenspende, und damit 55 Prozent der
insgesamt 2.700 Menschen, die eine neue Niere erhalten. Zum Vergleich: In
den USA erhält nur etwa ein Drittel der Empfänger das neue Organ von einem
lebenden Spender – und dieser Unterschied ist bedeutend, denn nach Angaben
des United Network for Organ Sharing (UNOS), das in den USA die
Transplantationen koordiniert, „hält“ eine Ersatzniere von einer
verstorbenen Person im Durchschnitt etwa 10 Jahre, während es bei einer
Lebendnierenspende 15 Jahre sind.
Die Gesamtzahl der Transplantationen in den USA im Jahr 2015 lag laut UNOS
bei 17 878. Insgesamt 4.481 Patienten seien gestorben, weil keine passende
Niere zur Verfügung gestanden habe. Fast 100.000 Personen stünden weiter
auf der Warteliste.
Aufgrund dieser Zahlen haben zuletzt namhafte Wissenschaftler angeregt,
Möglichkeiten des legalen Kaufs von Nieren auch für die USA in Betracht zu
ziehen – etwa in einem Fachartikel des „American Journal of
Transplantation“. Auch Sigrid Fry-Revere, Präsidentin und Mitbegründerin
des American Living Organ Donor Network, sagt, dass einige Aspekte des
iranischen Programms aus ihrer Sicht auch für andere Länder interessant
sein könnten, wenngleich sie jede Art eines profitorientierten Handels
ablehne.
## Niere gespendet, um Schulden abzubezahlen
Dass das Geld im iranischen System für viele Spender ein wesentlicher
Antrieb ist, steht allerdings außer Frage. Im Umkreis vieler Krankenhäuser
in Teheran wird gezielt dafür geworben, eine Niere gegen Bares
einzutauschen. Er sei hier, um mit dem Geld, das er für sein Organ bekommen
werde, seine Schulden abbezahlen zu können, sagt ein Mann, der anonym
bleiben möchte – im Iran drohen Schuldnern Gefängnisstrafen. „Mein Leben
und mein Ruf sind in Gefahr. Das hat mich dazu gebracht, das hier zu tun“,
sagt er.
Für die, die dringend eine neue Niere benötigen, ist das System trotzdem
ein Segen. Die 52-jährige Hadschikarimi hängt seit vier Monaten regelmäßig
an den Dialyse-Geräten, weil die Ärzte erhöhte Proteinwerte in ihrem Urin
festgestellt hatten. „Es wäre sehr schwer, sich ein Leben ohne die
Möglichkeit einer Nierenspende vorzustellen“, sagt sie. Dann gäbe es für
sie keine Möglichkeit, wieder gesund zu werden. „Es wäre ein totales Chaos
und sehr qualvoll.“
28 Aug 2016
## AUTOREN
Nasser Karimi
Jon Gambrell
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