| # taz.de -- Friedensprozess in Kolumbien: Das Abkommen ist fertig | |
| > Das Abkommen zwischen der kolumbianischen Regierung und der | |
| > Farc-Guerrilla ausgehandelt. Nun soll das Volk darüber abstimmen. | |
| Bild: Der Farc-Delegierte Luciano Marin (l.) schüttelt die Hand des Regierungs… | |
| Buenos Aires taz | „Heute ist das Leiden zu Ende.“ So hat Kolumbiens | |
| Präsident Juan Manuel Santos den historischen Friedensfahrplan angekündigt, | |
| der den über 50-jährigen Krieg zwischen der Regierung und der Farc-Guerilla | |
| beenden soll. „Wir haben die endgültige Übereinkunft, an der nichts mehr | |
| verändert wird“, sagte er, bevor er das Abkommen dem Kongress am Donnerstag | |
| zur Kenntnisnahme vorlegte. | |
| Am 2. Oktober soll die Bevölkerung in einem Referendum über das | |
| Friedensabkommen abstimmen. Fast vier Jahre haben Vertreter der beiden | |
| Seiten – unterstützt von kubanischen und norwegischen Vermittlern – um eine | |
| Einigung gerungen. | |
| Und noch bis Mittwoch verhandelten sie über ebenso heikle wie wichtige | |
| 'Details: Wer von den Farc-Rebellen soll Amnestie gewährt bekommen? Wie | |
| viele Sitze werden die Farc-Chefs im Kongress erhalten? Wie sollen die | |
| Farc-Rebellen ins zivile und Arbeitsleben eingegliedert werden? | |
| Zuvor hatte man sich bereits auf eine Landreform verständigt, auf die | |
| Einrichtung einer Wahrheitskommission und einer Kommission für die Suche | |
| nach den Verschwundenen. | |
| Beschlossen wurden außerdem Entschädigungszahlungen für die Opfer, die | |
| Einrichtung spezieller Friedenstribunale für die Aufarbeitung von | |
| Straftaten aller am Konflikt beteiligten Parteien – und nicht zuletzt ein | |
| endgültiger und beiderseitiger Waffenstillstand. Geregelt ist auch, in | |
| welchen Zonen sich die Guerilleros aufhalten können und wie die Abgabe der | |
| Waffen erfolgen soll. Zudem wurde eine Sicherheitsgarantie vereinbart. | |
| ## Noch nicht unterschrieben | |
| Endgültig gesiegt hat der Frieden aber noch nicht, noch bleiben für die 48 | |
| Millionen Kolumbianer große Hürden zu bewältigen: Schon im Juli bestimmte | |
| das Oberste Verfassungsgericht, dass das gesamte Abkommen, einmal | |
| unterzeichnet, der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt werden muss. | |
| Rund 34 Millionen Wahlberechtigte sollen dann ihre Stimme abgeben. Eine | |
| Wahlpflicht besteht ebenso wenig wie eine Mindestbeteiligung. Aber | |
| wenigstens 13 Prozent oder rund 4,4 Millionen der Stimmberechtigten müssen | |
| mit Ja stimmen, sonst gilt das Friedenspaket als abgelehnt. Liegt der | |
| Anteil die Ja-Stimmen über 13 Prozent, entscheidet die einfache Mehrheit. | |
| Noch stehen keine Unterschriften unter dem Abschlussdokument. Die Farc wird | |
| in der ersten Septemberhälfte ihre 10. Konferenz abhalten. Dabei sollen die | |
| 31 Mitglieder des Generalstabs (Estado Mayor Central) mit rund 600 | |
| VertreterInnen der verschiedenen Kampfeinheiten über die Annahme der | |
| Vereinbarungen abstimmen. Stimmt die Mehrheit zu, wird sich die Farc | |
| zugleich in eine politische Partei verwandeln. Sie muss dann ihre | |
| politischen Ziele bestimmen, die zukünftig ohne Waffen verfolgt werden | |
| müssen. | |
| Dies alles vorausgesetzt, können Präsident Juan Manuel Santos und der | |
| Kommandeur der Farc, Rodrigo Londono alias „Timochenko“, das Abkommen in | |
| der zweiten Septemberwoche in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá feierlich | |
| unterzeichnen. | |
| “Sí a la Paz – Ja zum Frieden“ ist das Kampagnenmotto der Befürworter, | |
| deren Logo die Friedenstaube ziert, stilistisch geformt aus zwei Händen in | |
| den kolumbianischen Farben. Der Frieden geht uns alle an, so die Botschaft, | |
| hinter der die Regierung von Präsident Santos offiziell nicht stehen darf, | |
| sie aber doch unterstützen wird. | |
| ## Angst vor der Landreform | |
| Doch das Abkommen hat auch starke Gegner: „No Más, Santos – Nicht noch | |
| mehr, Santos“ lautet das Motto, mit dem das Centro Democrático, die rechte | |
| Oppositionspartei von Ex-Präsident Álvaro Uribe, Stimmung macht – nicht nur | |
| gegen das Abkommen, sondern auch gegen den Regierungschef. Mit Erfolg: | |
| Anfang April mobilisierte die Nein-Kampagne Zehntausende KolumbianerInnen | |
| auf die Straßen zu gehen, allein in der Uribe-Hochburg Medellín waren es | |
| rund 80.000 Menschen, angeführt vom Expräsidenten selbst. | |
| Hinter ihm scharen sich jene, denen ein Friedensabkommen mit den Farc | |
| nichts Gutes bringt: Sie fürchten, durch die vorgesehene Landreform | |
| Grundbesitz zu verlieren – oder gar für begangene Kriegsverbrechen oder | |
| Verbindungen zu rechten Paramilitärs bestraft zu werden. Für diesen harten | |
| Kern ist Santos ein Überläufer: Vom Hardliner als Verteidigungsminister | |
| unter dem Präsidenten Uribe wandelte er sich seit seinem Amtsantritt als | |
| Staats- und Regierungschef zum Friedensapostel, der gemeinsame Sache mit | |
| dem Feind macht. | |
| Der Krieg zwischen Armee und Farc ist vor allem in den betroffenen Zonen | |
| auf dem Land zu spüren. In den großen Städten des südamerikanischen | |
| Staates, der gut dreimal so groß wie Deutschland ist, lebt es sich seit | |
| Jahren schon in relativer Ruhe. „La Paz de Santos“ – Santos’ Frieden �… | |
| denn auch eine stehende Redewendung in Bogotá, Medellín oder Cali. Die | |
| Städter werden letztlich den Ausschlag für Zustimmung oder Ablehnung geben, | |
| und sie treibt weniger die Friedensfrage um als vielmehr wirtschaftliche | |
| Nöte. Schon seit einigen Jahren stottert Kolumbiens Wirtschaft. | |
| Die „Sí a la Paz“-Kampagne versucht denn auch gegen das Bild vom | |
| Präsidenten-Frieden anzugehen. Unterstützung kommt von der liberalen | |
| Wirtschaftselite, die ein Friedensabkommen als Sicherheitsgarantie für | |
| internationale Investoren preist, die zukünftig in dem an Bodenschätzen und | |
| landwirtschaftlicher Nutzfläche reichen Land investieren werden. Dies würde | |
| jedoch unweigerlich zu neuen Konflikten um Umwelt und Boden führen. | |
| 25 Aug 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Jürgen Vogt | |
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