Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Unbestechlich oberflächlich
> Je tiefer die Provinz, desto skurriler die Ortsnamen. Deswegen ruhen
> wahre Wortschätze da, wo sich Fuchs und Hase final gute Nacht sagen.
Bild: Vielleicht wird daraus eine Insel – LKW-Wrack im Roten Meer
Wir gruben wieder nach bestimmten Wortschätzen. Es ist kein Geheimnis – die
deutsche Sprache neigt dazu, Tiefe zu verherrlichen und Oberflächliches zu
schmähen und zu verteufeln. Unter dem Adjektiv „oberflächlich“ etwa ratte…
ein Synonymlexikon sogenannte sinnverwandte Wörter herunter wie: ohne
Tiefgang, banal, trivial, vordergründig, launisch, schwankend, abgeneigt,
nachlässig, belanglos, erbärmlich, unbedeutend, nichtssagend,
pflichtvergessen, faul, fad, lax, flach, nichtig. Wir wehrten uns, denn
ohne Flachsinn gibts keinen Tiefsinn.
In vieler Hinsicht mag ich das Oberflächliche sehr. Oberflächliche
Eindrücke beispielsweise, oberflächliche Kontakte, Argumente und
Kontrollen, oberflächliche Beziehungen und Witze. Oberflächliche Witze
nennt man ja auch Kalauer, und neulich scharten sich einige von ihnen
zusammen, indem wir mit sonderbaren, komischen Ortsnamen hantierten.
Ich erinnerte mich nämlich an eine Lkw-Fahrt Mitte der 1970er Jahre im
Hessischen. Robert überflog die Landkarte, lachte: „Machtlos, Friedlos,
Toter Mann – das gibts doch gar nicht!“ Über 40 Jahre später ergänzte ich
seine wertvollen Tipps an Örtlichkeiten. In der weiträumigen Gegend lassen
sich Schrecksbach und Wahnhausen entdecken, Ungedanken und Abgunst, Zwergen
und Wüstfeld. Schlitz und Strang liegen auch nicht so weitab. Eigens
hingefahren bin ich nicht, werde es eines Tages nachholen.
Als Klassiker in diesem Genre gelten die Nachbarn Elend und Sorge im
Oberharz, nicht weit vom Brocken, dem nebelreichsten Ort Europas. Der
Zufall wollte es, dass „DR Kultur“ vor Kurzem in der Reihe
„Deutschlandrundfahrt“ eine Reportage über diesen Landstrich sendete. Wie
zu erwarten, war jener DDR-Witz zu hören: „Wo ist der Sozialismus zu
Hause?“ – „Zwischen Elend und Sorge.“
Weniger bekannt ist eine geografische Skurrilität im Niedersächsischen, an
der Leine zwischen Hannover und Göttingen unweit der Sieben Berge. Die
Stadt Alfeld dort sei der Nabel der Welt, heißt es in Scherzartikelkreisen,
denn sie liegt zwischen Sack und Warzen. Inzwischen sind die beiden
lediglich Ortsteile von Alfeld – immerhin sind Sack und Warzen nicht
verrückt oder verschoben worden. Apropos Warzen: In der Woche, als uns noch
weitere seltsame Ortsnamen entgegenkamen, ich auf Aua (Neuenstein), Schmerz
(Gossa) und Quaal (Groß Krankow) stieß, riss der Hochsommer auf. Es ergab
sich, mit der Enkelin ins Freibad zu radeln. Man plantschte, ruhte danach
ein wenig aus. Irgendwann stellte sie die Frage, warum Männer Brustwarzen
haben, sie würden doch die Babys nicht säugen, oder? Die Frage hatte ich
mir ebenfalls ab und zu gestellt. Nun denn.
Unvermeidlich gewieft begann ich mit der Evolutionsgeschichte vor mehr als
500 Millionen Jahren, als unsere Vorfahren Zwitter waren und denen es, wie
manche erzählen, damit prima ging. Die Enkelin schlief ein, sodass mir hier
Platz bleibt für einen Ortsteil in der Stadt Wissen: Ende.
7 Sep 2016
## AUTOREN
Dietrich zur Nedden
## TAGS
Geografie
Reiseland Deutschland
Insel
Kommunikation
Buch
Fußballspiele
Sprache
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Reif oder unreif für die Insel
Viele Zeitgenossen ziehen sich zurück. Um Auf- und Ausbrechende zu beraten,
stellen wir mehr oder minder zufällig gewählte Inseln vor.​
Die Wahrheit: Hohl? Jawohl!
Wenn die Dinge und Gedanken und Handlungen eins werden, dann kann einem
schon mal bei Hitchcocks „Vertigo“ schwindlig werden.
Die Wahrheit: Das Karma der Drohnen
Der Zufall einer Begegnung führt zu einer Konversation über Fußball und
Literatur, Kultur und Technik zweier schmutziger alter Säcke.
Kolumne Generation Camper: Orte, die seltsam sind
„Die seltsamsten Orte der Welt“ ist ein Buch, das eine Zwischenwelt
sichtbar macht. So unvoreingenommen, dass es die starre Geografie neu
belebt.
Die Wahrheit: Unendlich verständlich
Auf dem Assoziationskarussell kann man für gutes Geld Erklärformate reiten.
Und wer das nicht versteht, sollte hier nicht weiterlesen …
Die Wahrheit: Das bisschen Bisschen
Sich eine Parallelmeisterschaft der kleinsten Länder auszudenken, ist
nichts gegen einen Contest mit einem Sprachspiel der besonderen Art.
Die Wahrheit: Fallen der Fragmente
Die leichte Paraphrase einer bekannten Redewendung führt weit hinein ins
unendliche Reich der Verhaspler und Entgleisungen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.