# taz.de -- Kolumne So Nicht: Was ist das für ein Wir? | |
> Die Botschaft: Wir alle können deutsch sein. Ein Professorenehepaar | |
> erklärt, wie EinwanderInnen „passförmig“ gemacht werden. | |
Bild: So schön deutsch: Herfried Münkler in seinem Biotop (Humboldt-Universit… | |
Herfried Münkler ist Professor und Marina Münkler ist Professorin. Sie sind | |
verheiratet, haben zwei Kinder und zusammen haben sie gerade ein Buch | |
geschrieben, das „Die neuen Deutschen“ heißt. Der Titel erinnert an ein | |
anderes Buch, das „Wir neuen Deutschen“ hieß. Das handelte nicht nur von | |
Kindern von Einwanderern, sondern war sogar von Kindern von Einwanderern | |
geschrieben worden. Erfolgreichen Kindern von Einwanderern. Gut | |
verdienenden. Und das sind Einwanderer, die auch den Münklers vorschweben, | |
wenn sie an die noch neueren Deutschen denken, von denen ihr Buch handelt. | |
Das Wir im Titel des Einwandererkinderbuchs ist aus dem Titel des | |
Professorenehepaarbuchs verschwunden. Drinnen ist es dafür umso präsenter. | |
Es geht nicht um ein konkretes Personen-Wir, sondern um das abstrakte | |
Deutsch-Wir. Mit dem soll aufgeräumt werden. | |
Deutsch soll nicht mehr sein, wer nichts dafür kann, also einfach nur in | |
Deutschland geboren ist oder Eltern hat, die in dieser Hinsicht etwas | |
vorzuweisen haben. Deutsch soll sein, wer ordentlich arbeitet, seine | |
Familie ernähren kann und dem Staat nicht unnötig auf der Tasche liegt. | |
Der Move, alles Identitäre, AfD-ige, Pegidistische, blutig Bodenverhaftete | |
von der Frage nach der Zugehörigkeit zum deutschen Kollektiv auszuschließen | |
und es endlich für alle zur Verfügung zu stellen, die Bock drauf haben, ist | |
ja völlig in Ordnung. Deutschland, einig Einwanderungsland. | |
## Wir da und ihr da | |
Die Münklers hätten ihr Buch aber auch „Wer sind Wir und wenn ja wie viele�… | |
nennen können. Da wäre auch eine Anspielung auf einen erfolgreichen anderen | |
Buchtitel drin gewesen. Aber gut, da wäre dann das Deutsch ganz weg gewesen | |
und das soll ja auch nicht. Es soll ja schon ein Wir und nicht zwei Wir | |
sein. Weil, ab zwei Wir wird es kompliziert. Der noch passendere Titel für | |
das Buch der Münklers nämlich wäre gewesen „Wer sind Wir und wenn ja, ab | |
welchem Nettoeinkommen?“ | |
Kürzlich saßen die Münklers bei Lanz in der Talkshow und da erklärte der | |
Professor seine Wir-Idee. Wir hätten Lücken bei den Facharbeitern und bei | |
der Besetzung von Ausbildungsplätzen. Aber diejenigen, die nun zu uns | |
gekommen sind, seien dafür „nicht passförmig“. „Die passen nicht wirkli… | |
zu uns“, wiederholte er mehrfach. Und hatte eine passende Lösung parat: | |
„Wir müssen sie fit machen und in sie investieren, damit sie passförmig | |
werden.“ | |
Das Münkler-Wir ist passförmig. Mit einem doppelten Professoren-Gehalt | |
können die Münklers ihre Familie fit machen und in sie investieren. Was | |
aber passiert mit Leuten, die nicht in das Münkler-Wir passen, also einfach | |
keine Arbeit haben oder trotz drei Jobs ihre Familie nicht ernähren können? | |
„Die liegen den ganzen Tag nur faul rum und dem Staat auf der Tasche und | |
verfressen unsere Steuern“ ist Bestandteil des rassistischen Ressentiments. | |
Mit der Münkler’schen Definition der neuen Deutschen kriegt man das nicht | |
aus den Köpfen. Und die Frage, ob statt der Menschen nicht vielleicht eher | |
„unsere Wirtschaft“ passförmig gemacht werden muss, passt den Münklers gar | |
nicht. | |
6 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Doris Akrap | |
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