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# taz.de -- Kolumne So nicht: Der Fleischwolf macht’s
> Wer über kulturelle Appropriation spricht, darf von Hackfleisch nicht
> schweigen. Oder gibt es eine Bulette, die sich von der Čevapčići nicht
> respektiert fühlt?
Bild: Die Mischung macht's. Wer auf gute Kulturprodukte steht, sollte den Fleis…
Falsches Sushi? „Disrespect!“, sagt Lena Dunham. Die Macherin der TV-Serie
„Girls“ findet es richtig, dass Leute, die falsche Zutaten beim Sushi
benutzen, als „kulturelle Appropriateure“ bezeichnet werden. Falsches Sushi
respektiere die Küchen anderer Kulturen nicht.
Wenn meine Nachbarn an der dalmatinischen Küste hören, was Lena Dunham über
das falsche Sushi sagt, werden sie sich sofort „I love Lena“-Shirts machen.
Das sind jene Nachbarn, die von allem Möglichen in ihrer Küche behaupten,
dass niemand auf der Welt das vorher kannte. Zum Beispiel den richtigen
Einsatz von Salz.
Und es sind jene Nachbarn, die dagegen protestieren, dass die Serie „Game
of Thrones“ in Dubrovnik gedreht wird, weil die Sexszenen die historische
Kulisse Dubrovniks nicht respektieren. Es sind jene Nachbarn, die sich
nicht von ihrem eigenen Arbeitgeber ausgebeutet fühlen, der ihnen nicht mal
Mindestlohn zahlt. Es sind jene Nachbarn, die sich kulturell ausgebeutet
fühlen, weil jemand die Algen falsch wickelt oder den Bohneneintopf falsch
salzt.
Es sind Leute, die einen blutigen Bürgerkrieg damit rechtfertigten, dass
ihre Kultur ausgebeutet wird. Und das, obwohl ihr Land zerfallen ist, weil
die einen und die anderen behaupteten, die wahren Erfinder von Čevapčići
und Šljivovic zu sein.
## Was sagen die Tataren?
Wo sind eigentlich die Empörten, die Burger, Čevapčići & Co. der kulturelle
Appropriation an den Tataren bezichtigen? Schließlich waren sie es, die
zuerst auf die Idee kamen, sich das Fleisch unter den Sattel zu schnallen,
um es platt zu reiten und anschließend in kleine Teile zu zerhacken. Sitzen
die Tataren auch abends am Tisch und lamentieren, dass heute nur noch
falsches Hackfleisch im Umlauf ist?
Heute geht der Tourist selbstverständlich zum Kroaten, weil er Čevapčići
essen möchte. Čevapčići kommen jedoch typischerweise aus Sarajevo, also aus
Bosnien.
Dass die Restaurants „Dalmacija“, „Adria-Grill“ oder „Dubrovnik“, w…
zum Čevapčići-Essen hingeht, oft auch gar nicht von Kroaten, sondern von
Bosniern, Makedoniern oder Serben geführt werden, interessiert nicht.
## Am Ende sind wir doch alle Čevapčićis
Wer jetzt nun genau von den Ićis die gebratenen Hackwürste erfunden hat,
ist auch den Gaststättenbetreibern völlig egal. Sie nehmen es sportlich:
Wer Čevapčići will, soll Čevapčići kriegen. „Am Ende sind wir doch alle
Čevapčićis“, sagen die Ivos und Zorans, die von den Touristen leben, die
nunmal Čevapčići wollen, ob nun vom Bosnier oder vom Kroaten gebraten, ob
mit Rosenpaprika oder mit Thymian gewürzt.
Hauptsache, auf der Karte stehen drei Čs auf engstem Raum und der Name des
Kellners und des Gerichts endet auf ić.
Der Tourist hat es gut. Er kann auf der ganzen Welt Restaurants finden, in
denen er Čevapčići bestellen kann. Er muss sie nur anders aussprechen:
Köttbullar, Köfte, Burger, Bulette, Frikadelle, Kohlroulade, Lasagne,
Hackbraten, Klops, Moussaka, Bolognese, Chili con carne, Hackfleisch in
Tacos, Hackfleisch in Pelmeni, Hackfleisch in Tortellini, Hackfleisch in
Paprikas, Hackfleisch in Schweinebäuchen, Hackfleischröllchen mit
Schweinebäuchen umwickelt.
Und ist deswegen schon mal irgendjemand auf die Idee gekommen, zu sagen:
„Disrespect! Der Klops respektiert die Küche der Čevapčićis nicht!“. Od…
„Das Moussaka ist die kulturelle Appropriation der Bulette“?
Hackfleisch ist ein weltweiter Erfolg. Wer also über kulturelle
Appropriation reden will, darf vom Hackfleisch nicht schweigen. Hackfleich
ist das Symbol dafür, dass nur Erfolg hat, was einmal durch den Fleischwolf
gedreht wurde. Die Mischung macht’s. Und nicht die Reinheit.
26 Jul 2016
## AUTOREN
Doris Akrap
## TAGS
Diskriminierung
HBO
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Einwanderungsland
CDU
Fußball-EM 2024
So nicht
Schwerpunkt TTIP
Jan Böhmermann
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