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# taz.de -- Freistaat Christiania in Kopenhagen: Selbstjustiz im Haschparadies
> BewohnerInnen von Christiania machen kurzen Prozess mit den Ständen der
> ortsfremden Dealer. Die Politik spendet dafür Applaus.
Bild: Die illegalen Cannabis-Stände sollen verschwinden
Stockholm taz | „Die Pusher Street lebt glücklich bis ans Ende ihrer Tage –
gestern, heute und morgen“ steht in knalligem Rot auf den Postkarten, die
für 10 Kronen an den Tourismusständen am Eingang zu Christiania verkauft
wurden. Zwar wimmelt es wie immer von TouristInnen in der
Cannabis-Einkaufsstraße, aber die traditionellen Verkaufsbuden sind
verschwunden. Die haben die ChristianiterInnen am Freitag teilweise
mithilfe von Baumaschinen weggeräumt.
Und wenn es nach einer Mehrheit von ihnen geht, sollen sie auch nicht
zurückkommen. „Hilf Christiania: Kauf dein Hasch woanders“, heißt es auf
den Aufklebern an Wänden und Laternenmasten rund um die autonome
„Freistadt“.
Die etwa 1.000 BewohnerInnen reagierten damit auf eine Gewalttat vom
Mittwochabend kurz vor 23 Uhr. Als eine Polizeistreife an einem der
Eingänge von Christiania einen mutmaßlichen Dealer überprüfen will, schießt
dieser plötzlich um sich. Ein Beamter und ein Besucher werden leicht, ein
weiterer Beamter wird lebensgefährlich am Kopf verletzt. Der 25-jährige
Täter wird nach einer Verfolgungsjagd angeschossen und stirbt in der Nacht
zum Freitag an seinen Verletzungen.
Laut Polizeiangaben war er wegen Gewalttaten vorbestraft, hatte mehrere
Kilo Cannabis und über 1.000 Joints bei sich. Die Medienagentur Amaq, die
dem „Islamischen Staats“ nahestehen soll, behauptete am Wochenende, der
gebürtige Bosnier sei „Soldat des ‚Islamischen Staats‘“ gewesen und ha…
„zielgerichtet“ die Kopenhagener Polizei angegriffen.
Die wachsende Gewalt im Zusammenhang mit dem Cannabis-Handel habe man in
Christiania schon lange mit Sorge verfolgt, sagt Risenga Manghezi, ein
Sprecher der BewohnerInnen: Mit der Schießerei vom Mittwoch sei eine rote
Linie überschritten worden. Auf einer Vollversammlung am Donnerstagabend
wurde der Abriss der Verkaufsstände beschlossen. Weitere Maßnahmen wie die
Aufstellung von mehr Laternen würden folgen. Für Montagabend sei eine
erneute Vollversammlung einberufen, um zu überlegen, was man noch tun
könne.
## Offiziell ist der Handel verboten
Seit der Gründung 1971 hatte der Haschischmarkt zu Christiania gehört.
„Aber wir haben damit schon lange nichts mehr zu tun“, meint Tanja, eine
Bewohnerin: „Er ist für die Welt da draußen“, auch die Dealer kämen von
außerhalb. Offiziell ist der Handel mit Haschisch in der Pusher Street zwar
verboten, doch wird er als Touristenattraktion von der Polizei weitgehend
geduldet.
Der Umsatz wurde zuletzt auf 70 bis 130 Millionen Euro jährlich geschätzt.
„Damit wir uns nicht missverstehen“, meint Manghezi: „Christiania ist
weiterhin für die Legalisierung von Haschisch. Aber so, wie die Situation
jetzt ist, mit ständig wachsender Gewalt, wollen wir das hier nicht mehr
haben.“
Für ihren praktischen Einsatz gegen diesen Handel auf dem Boden des
ehemaligen Kasernengeländes, das nach 40 Jahren Besetzung 2011 von seinen
BewohnerInnen gekauft wurde und seitdem von ihnen verwaltet wird, kam viel
Lob von der Politik. „Toll, Christiania. Weiter so!“, twitterte
Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen. Und der Kopenhagener Polizeichef
Thorkild Fogde bedankte sich, dass man der Polizei „aktiv geholfen“ habe.
Christiania habe seinen Teil dazu beigetragen, jetzt sei die Politik an der
Reihe, betont Manghezi. Eine Legalisierung des Haschischhandels fordern
vier linke und liberale Parlamentsparteien ebenso wie der
sozialdemokratische Oberbürgermeister Frank Jensen.
5 Sep 2016
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Dänemark
Haschisch
Cannabis
Kopenhagen
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Drogenhandel
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