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# taz.de -- Nach dem Aus für Christiania: "Keine andere Stadt hat so etwas"
> Nach dem Urteil zu Christiania ist Schluss mit der Selbständigkeit. Doch
> kaum einer glaubt an die Durchsetzung – weder die BewohnerInnen, noch das
> Touristenamt.
Bild: Touristenamt: "Das Image Kopenhagens als coole und tolerante Stadt beruht…
STOCKHOLM taz | Das juristische Aus für das vor 40 Jahren erkämpfte
Selbstbestimmungsrecht des Kopenhagener "Freistaats Christiania" kam am
Freitag vergangener Woche nicht überraschend. Drohen nun Räumungsklagen
gegen die BewohnerInnen, Abriss der Gebäude und Verscherbeln des
attraktiven Geländes an Grundstückspekulanten zum Bau teurer
Eigentumswohnungen? Hoffentlich nicht, meint Peter Rømer Hansen von
"Wonderful Copenhagen", dem Touristenamt der dänischen Hauptstadt:
"Kopenhagen würde ein traurigerer Ort werden."
Und das wäre gar nicht gut fürs Geschäft. Christiania ein Stadtteil wie
alle anderen – ein Horrorgemälde für die Fremdenverkehrsbranche. "Das Image
Kopenhagens als coole und tolerante Stadt beruht ganz zentral auf
Christiania", sagt Hansen. Christiania sei nun einmal einzigartig in
Europa. Vergnügungsparks wie den Tivoli hätten viele Städte, "aber keine
andere Stadt hat so etwas".
Der Touristikdirektor verweist auf Umfragen, wonach ein Drittel der
jährlich etwa eine Million ausländischen BesucherInnen nicht wegen der
kleinen Meerjungfrau, sondern vor allem wegen Christiania nach Kopenhagen
kommen. Und jedes Jahr berichteten allein 700 JournalistInnen über den
Freistaat. Verschwände das spezielle Ensemble, das Christiania heute präge,
drohten BesucherInnen und die kostenlose Imagewerbung auszubleiben.
Aber nach so einer Radikalkur sieht es derzeit gar nicht aus, auch wenn die
Hardliner der rechspopulistischen Dänischen Volkspartei schon fordern,
jetzt "endlich aufzuräumen". Nicht nur linke und liberale, sondern auch
konservative PolitikerInnen haben mittlerweile vorgeschlagen, die
angestrebte "Normalisierung" könne sich durchaus darauf beschränken, dass
die ChristianiterInnen in Zukunft Pacht oder Miete an die Stadt zahlen und
sich etwa an Bauvorschriften halten müssten.
Auch im Freistaat selbst ist nach dem höchstgerichtlichen Urteil vom
Freitag unter den rund 1.000 EinwohnerInnen nicht gerade Panik
ausgebrochen. Ganz nach dem Christiania-Motto "May peace, love and oneness
prevail on Mother Earth" wird das Urteil locker genommen. "Also ganz
ehrlich: Das ist nicht die große Niederlage", sagt Thomas Ertmann von
Christianias "Pressegruppe": "Wir hatten nämlich nichts anderes erwartet."
Man werde jetzt eben wieder in die vor Jahren abgebrochenen Verhandlungen
einsteigen. Schließlich hatte schon 1978 ein Gericht entschieden, dass
Christiania geräumt werden dürfe. Doch politisch durchzusetzen war das
schon damals nicht.
21 Feb 2011
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Dänemark
Dresden
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