# taz.de -- Hippiekommune Christiania in Kopenhagen: Bewohner kaufen ihren Frei… | |
> Die Bewohner Christianias in Kopenhagen stimmen dem Angebot des Staates | |
> zu und zahlen 20 Millionen Euro für den Freistaat. Zur Feier gab's ein | |
> Volksfest. | |
Bild: Die Bewohner Christianias schlossen ihren "Freistaat" mal, damit klar wur… | |
STOCKHOLM taz | "Sieben Jahre Unsicherheit sind zu Ende", freut sich Knud | |
Foldschack, Rechtsanwalt der rund 800 BewohnerInnen des Kopenhagener | |
"Freistaats" Christiania. Am Samstag entschlossen sich die | |
ChristianiterInnen nach tagelangen gemeinsamen Überlegungen, ein Angebot | |
anzunehmen, dass der Anwalt schon vor einem Jahr mit der staatlichen | |
Liegenschaftsbehörde ausgehandelt hatte. | |
Die BewohnerInnen des "Freistaats" kaufen gemeinsam den Grund und die | |
dortigen Gebäude. Die vor 40 Jahren erfolgte Besetzung des ehemaligen | |
Kasernengeländes in der dänischen Hauptstadt würde damit juristisch | |
legalisiert werden. | |
150 Millionen dänische Kronen, umgerechnet 20 Millionen Euro, will der | |
Staat für den "Freistaat" haben. Eigentlich ein Spottpreis im Vergleich zu | |
den üblichen Kopenhagener Grundstückspreisen. Auf dem freien Markt würde | |
das attraktive Gelände sicher viel mehr einbringen. Das ist für die | |
ChristianiterInnen trotzdem nicht leicht zu stemmen, verfügen doch viele | |
weder über Kapital noch Sicherheiten für einen Bankkredit. Doch Foldschack | |
ist zuversichtlich, dass sich das regeln wird. Der Kredit soll gemeinsam | |
aufgenommen werden. | |
## Konservative Regierung kündigte Nutzungsrechte auf | |
Der Anwalt hofft auch auf ein gewisses Entgegenkommen des Staats. Der ist | |
nämlich an einer einvernehmlichen Lösung interessiert. Die Nutzungsrechte | |
der 1971 gegründeten selbst verwalteten Hippierepublik, die sich teils | |
gewohnheitsrechtlich verfestigt hatten, teils auch schriftlich fixiert | |
worden waren, hatte die konservativ-rechtsliberale Regierung unter Anders | |
Fogh Rasmussen 2004 plötzlich aufgekündigt. | |
Ein von den BewohnerInnen dagegen eingeleiteter Prozess endete im Februar | |
2011 letztinstanzlich mit einer Niederlage für Christiania: Der oberste | |
Gerichtshof konstatierte, dass trotz der jahrzehntelangen autonomen Nutzung | |
durch die dortigen BewohnerInnen der Staat das alleinige juristische | |
Bestimmungs- und Eigentumsrecht nie verloren habe. Daraufhin setzte die | |
Liegenschaftsbehörde dem "Freistaat" ein Ultimatum: Würden sie bis zum 2. | |
Mai der angebotenen Lösung nicht zustimmen, werde der Staat von seinen | |
Eigentumsrechten Gebrauch machen, sprich: Räumungsklagen, Abriss von | |
Gebäuden, Verkauf der Grundstücke | |
## Volksfest aus Anlass des Verkaufsangebots | |
Wie es sich für Christiania gehört, wurde die Entscheidung für den Kauf des | |
"Freistaats" zu einem Spektakel gemacht. Am Mittwoch hatte man kurzerhand | |
alle Zugänge zum "Freistaat" abgesperrt. Begründung: Man wolle in Ruhe | |
nachdenken und auch schon mal demonstrieren, was die dänische Hauptstadt | |
ohne Christiania sein werde. | |
Prompt meldeten sich gerade konservative Politiker zu Wort und forderten | |
angesichts frustrierter TouristInnen die unmittelbare Öffnung: Schließlich | |
sei Christiania ein wichtiger Bestandteil von Kopenhagen. "Das ist ja | |
putzig", kommentierte Jens Jespersen, Einsatzleiter des zuständigen | |
Polizeireviers: Erst werde neununddreißigeinhalb Jahre gefordert, die | |
Polizei solle Christiania dichtmachen, "und jetzt, wo es geschlossen ist, | |
sollen wir es gewaltsam öffnen?" | |
Mit einem großen Volksfest in strahlender Sonne öffneten die | |
ChristianiterInnen am Samstagmittag ihre Tore selbst wieder. "Velkommen | |
hjem" verkündete ein Transparent. Nicht nur Jubel habe in der Luft gelegen, | |
meldete ein Reporter der Politiken, sondern auch Haschischgeruch. | |
1 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
## TAGS | |
Dänemark | |
Dresden | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Freistaat Christiania in Kopenhagen: Selbstjustiz im Haschparadies | |
BewohnerInnen von Christiania machen kurzen Prozess mit den Ständen der | |
ortsfremden Dealer. Die Politik spendet dafür Applaus. | |
Bunte Republik Neustadt: Mickymaus im Ährenkranz | |
Mitten in Dresden existiert ein Scheinstaat mit eigenen Pässen. Zu seiner | |
Geburtstagsfeier kommen auch Vertreter aus anderen Mikronationen. | |
Freistaat gibt Volksaktien aus: Christiania lässt sich kaufen | |
Zu seinem 40. Geburtstag gibt der Kopenhagener Freistaat "Volksaktien" | |
heraus. Sie sollen eine teilautonome Zukunft Christianias sichern. | |
Nach dem Aus für Christiania: "Keine andere Stadt hat so etwas" | |
Nach dem Urteil zu Christiania ist Schluss mit der Selbständigkeit. Doch | |
kaum einer glaubt an die Durchsetzung – weder die BewohnerInnen, noch das | |
Touristenamt. | |
Letztinstanzliches Urteil: Christiania verliert Selbstbestimmung | |
Das letzte Urteil ist gesprochen: Der 1971 besetzte "Freistaat Christiania" | |
darf vom dänischen Staat voll genutzt werden. Damit die Grundlage für die | |
Selbstverwaltung futsch. |