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# taz.de -- Tourismus in Schleswig-Holstein: Ostsee, altes Haus!
> Mittelfristig können die Ferienorte an Schleswig-Holsteins Ostseeküste
> von Badegästen allein nicht leben. Eine Erkundung in Holnis, Scharbeutz,
> Eckernförde und Damp 2000.
Bild: Auch bunte Balkone können nicht über den 70er-Jahre-Charme von Damp 200…
HAMBURG taz | Schleswig-Holstein als Feriendorf, davon träumt Reinhard
Meyer. „Die Ganzjahresdestination“, sagt der SPD-Minister für Wirtschaft
und Tourismus, müsse das Ziel sein, nur so seien Investitionen,
Wirtschaftlichkeit und Arbeitsplätze zu sichern: Ein Bundesland als
Ferienpark zwischen zwei Meeren, im Hochsommer prall gefüllt mit Familien
mit Kindern, in der Nebensaison voller Best Ager und anspruchsvoller
Genießer, denen der Sinn nach Wellness und Sushi steht. Doch wer will noch
da leben, wo andere Urlaub machen, wer kann sich das noch leisten?
Der Strukturwandel ist vor allem an der schleswig-holsteinischen
Ostseeküste in vollem Gange, insbesondere die Lübecker Bucht, traditionell
der Deutschen liebste Badewanne, rüstet auf. „Scharbeutz war der
Trendsetter“, sagt Katja Lauritzen, Geschäftsführerin des
Ostsee-Holstein-Tourismus e.V.. Der Ort hat mit Millioneninvestitionen den
Sprung vom trutschigen Familienbad der Wirtschaftswunderjahre zur
trubeligen Erlebnis-Destination geschafft.
Die 2011 eröffnete Dünenmeile ist Vorbild für viele andere Ostseebäder:
sechs Kilometer Strandpromenade für Fußgänger, Radfahrer und Skater voller
Trimm-dich-Geräte, Sitzecken, Aussichtspunkte und Cafés sowie einem
Hummer-Restaurant und zwei Vier-Sterne-Hotels, ein drittes wird ab Herbst
errichtet.
## Erlebnis-Seebrücke und Aktiv-Bad
Das benachbarte Timmendorfer Strand, einst selbsternanntes „Nizza des
Nordens“, versucht den Anschluss zu halten; in Heiligenhafen hat die Stadt
30 Millionen Euro in eine 400 Meter lange Erlebnis-Seebrücke und den Umbau
des betagten Schwimmbades zu einem Aktiv-Bad mit Spa- und Saunalandschaft
gesteckt; in Travemünde errichtet ein dänischer Investor für etwa 130
Millionen Euro mit den Waterfront-Appartements das größte touristische
Einzelprojekt im ganzen Land, das die Übernachtungszahlen im zu Lübeck
gehörenden Ostseebad von jährlich gut 300.000 Menschen verdoppeln dürfte.
Als Höhepunkt an Kreativ-Marketing kann die Neuerfindung der
1970er-Jahre-Bettenburg Damp 2000 gelten. Aus den bis zu 14-stöckigen
Betonkolossen am Strand, die trotz der blau, gelb und grün angemalten
Balkone den Hochhäusern in Hamburger sozialen Brennpunkten wie Steilshoop
oder Osdorfer Born verblüffend ähneln, soll ein Wikingerdorf werden.
## Cocktail-Lounge namens Hammaburg
Seit einem halben Jahr firmiert die Anlage, die mehr als 400.000 Gäste pro
Jahr verdauen kann, als „Klein Heddeby“. Aus dem Schwimmbad wurde ein
„Entdeckerbad“, es gibt einen Thingplatz, eine Cocktail-Lounge namens
Hammaburg (obwohl Hamburg mit den Wikingern außer ein, zwei Überfällen
nicht viel zu schaffen hatte) und, weil die Wikinger ja Amerika entdeckten
und es Vinland nannten, „Vin’s Diner“ – mit Hamburgern, versteht sich.
Und im Sichtschatten der Wohnblöcke wurde eine Ferienhaus-Siedlung im
skandinavischen Stil neu errichtet. „Das ist unser Premiumprodukt, das
schon sehr gut am Markt etabliert ist“, sagt „Rooms Divison Manager“
Thorben Mangold. Es sei „der notwendige Modernisierungsschub, um den Charme
der 70er-Jahre zu überwinden“, sagt Minister Meyer.
Das versucht auch das kleine Holnis an der Flensburger Förde. Weil die
Dauercamper aussterben, wurde ein Teil des Campingplatzes zu einem
Design-Hotel aufgewertet. Und in Eckernförde sorgen der Bau einer Hafencity
und die Besuche von Kreuzfahrtschiffen, die auf ihrem Ostsee-Törn die
Kleinstadt als Ziel entdeckt haben, für politische Verwicklungen, die
vermutlich in einem Bürgerentscheid geklärt werden müssen.
## Konkurrent Mecklenburg-Vorpommern
2006 hatte die Unternehmensberatung Roland Berger eine Tourismusanalyse für
Schleswig-Holstein erstellt. Das Land sei weit hinter
Mecklenburg-Vorpommern zurückgefallen, das seine Ostseeküste mit Milliarden
aus dem Aufbau Ost aufgeschickt hatte.
Außer fast naturbelassenen Stränden gab es dort wenige Jahre nach der
Wiedervereinigung in grundüberholten Seebädern aus der Kaiserzeit auf Rügen
und Usedom und in Orten wie Boltenhagen, Kühlungsborn oder Warnemünde den
neuesten Komfort und Standard für deutlich weniger Geld als zwischen
Travemünde und Glücksburg.
Bis zu 500 Millionen Euro jährlich verlor das Land an Nord- und Ostsee an
die neuen Konkurrenz im Osten, stellte die Studie fest. Und empfahl eine
neue Tourismusstrategie, die auf Familien mit Kindern, auf Natururlauber
und auf „Entschleuniger“ zielt: Komfort, Service, Luxus, Gesundheit und
Genuss sollten fortan zusammen gedacht werden.
Und so geschah es: Unter dem Slogan „Der echte Norden“ begann das
nördlichste Bundesland sich neu zu erfinden. Und setzt bewusst auch auf die
Nebensaison – ein ganzes Jahr Schleswig-Holstein ist das Ziel. Der Weg
dahin hat zwei Konsequenzen: In Scharbeutz zum Beispiel stiegen die
Übernachtungen zwischen 2013 und 2014 um 16,2 Prozent, die Immobilienpreise
um 22 Prozent. Nicht mehr jeder, auch das gehört zum neuen Norden, kann es
sich leisten, da zu wohnen, wo andere Urlaub machen.
Den kompletten Schwerpunkt zum Thema „Tourismus an der Ostsee in
Schleswig-Holstein“ finden Sie in der gedruckten Wochenend-taz.nord oder
[1][hier].
2 Sep 2016
## LINKS
[1] /!p4350/
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
## TAGS
Schleswig-Holstein
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