# taz.de -- 10.000 Meter-Weltrekord in Rio: Der irre Lauf | |
> Die Äthiopierin Almaz Ayana läuft in einer nicht für möglich gehaltenen | |
> Zeit zu Gold über 10.000. Nun wird sie erklären müssen, wie das möglich | |
> war. | |
Bild: Almaz Ayana ist verdächtig schnell unterwegs auf dem Weg zu Gold | |
BERLIN taz | Was für ein Auftakt für die Leichtathletik-Wettbewerbe bei den | |
Spielen in Rio! Weltrekord über 10.000 Meter. Und was für einer. Die | |
Äthiopierin Almaz Ayana lief in 29:17,45 Minuten zu Gold. Zeit für eine | |
weitere Geschichte über Äthiopiens Wunderläufer, über Storys von jungen | |
Barfußläuferinnen, die später die großen Bahnen der ganz großen Wettbewerbe | |
erobern? Wohl kaum. Die Zeit, die Ayana gelaufen ist, ist so irre, dass | |
Fragen danach, wie ein derartiger Wunderlauf zustande kommen konnte, | |
unausweichlich sind. | |
Um 14,33 Sekunden hat Ayana die bisherige Bestmarke unterboten. Die stammt | |
aus der finsteren Zeit des chinesischen Läuferinnenwunders. 1993 lief die | |
Chinesin Wang Junxia, wahrscheinlich angetrieben von jeder Menge illegaler | |
Substanzen, eine Zeit, die als unschlagbar galt – bis zu diesem Freitag. | |
Wang Junxia hat nach ihrer Karriere gestanden, Dopingmittel eingenommen zu | |
haben, hat ihren Trainer beschuldigt, sie zur Einnahme illegaler Substanzen | |
gezwungen zu haben. Ihre Zeit hat schnell niemand mehr ernst genommen. | |
Und die neue Bestzeit? Ist der zu trauen? Ayana, die vor der Kenianerin | |
Vivian Jepkemoi Cheruiyot und der bis dato als äthiopische Wunderläuferin | |
gefeierten dreifachen Olympiasiegerin Tirunesh Dibaba gewann, hat die | |
Fabelzeit von Rio wohl kaum jemand zugetraut. Sie muss sich nicht wundern, | |
wenn nun all die finsteren Geschichten noch einmal erzählt werden, die | |
einen Schatten auf die Erfolgsgeschichte der äthiopischen Leichtathletik | |
werfen. | |
## Äthiopische Erfolgsgeschichte | |
Eine Kapitel dieser Erfolgsgeschichte hat die amtierende Weltmeisterin über | |
1.500 Meter geschrieben, Genzebe Dibaba, die jüngere Schwester von | |
Tirunesh. Ihr, die auch schon jede Menge Weltbestzeiten aufgestellt hat, | |
traut man nicht mehr so recht, seit ihr Trainer Jama Aden im Juni im Zuge | |
von Ermittlungen zu Doping in der Leichtathletik in Spanien festgenommen | |
wurde. Im Hotel fanden die spanischen Ermittler jede Menge Dopingpräparate, | |
darunter das bei Ausdauersportlern immer noch so beliebte Blutdopingmittel | |
Epo. 20 von Aden betreute Athleten waren in eben dem Hotel abgestiegen, in | |
dem die spanische Polizei Aden verhaftete. | |
Zuvor waren etliche Läufer des Dopings überführt und gesperrt worden. Der | |
Internationale Leichtathletikverband IAAF droht mit Kobnsequenzen für den | |
Verband. Nach dem Ausschluss des russischen Teams wurde auch über einen | |
Bann für die Leichtathleten aus Äthiopien nachgedacht. | |
Doch die Herren über die Läufer, Springer und Werfer ließen Gnade walten. | |
So sah es wohl auch der Teamarzt der Äthiopier, Ayalew Tilahun: „Es war | |
eine Erleichterung, als sie uns erlaubt haben, an den Olympischen Spielen | |
teilzunehmen. Sie haben ein Auge geschlossen gehalten und es wird keine | |
Entschuldigungen mehr geben. Wir müssen hart arbeiten.“ | |
## Kaum Tests in Äthiopien | |
Vielleicht ist es an der Zeit, ein wenig genauer auf die Arbeit im | |
äthiopischen Team zu schauen. Das hat man in der Vergangenheit nun wahrlich | |
nicht getan. In den Jahren 2013 und 2014 würden im ganzen Land 14 | |
Dopingproben analysiert. Die neue Wunderläuferin Ayana selbst ist im | |
WM-Jahr 2015 kein einziges Mal im Auftrag des äthiopischen Sports getestet | |
worden. | |
Eine gute Stunde vor dem 10.000 Meter-Rennen lief der Kenianer Ferguson | |
Rotich im Vorlauf über 800 Meter auf den zweiten Platz. Er durfte dies, | |
obwohl das IOC in seinem Fall gerade ermittelt. Als Rotich zur Dopingprobe | |
im Olympischen Dorf aufgefordert wurde, erschien sein Trainer mit der | |
Akkreditierung des Athleten um den Hals zum Wasserlassen. Eine | |
Dreistigkeit, die dem Trainer die Suspendierung einbrachte, während der | |
Läufer antreten durfte. | |
Die IAAF, die sich seit dem Ausschluss der Russen so gerne als Hardliner | |
präsentiert, tut sich weiterhin schwer mit dem Dopingthema. Sie muss nun | |
sogar zusehen, wie der Name eines der großen Helden der Spiele von London | |
2014 immer wieder auftaucht, wenn es um den verhafteten Trainer von Genzebe | |
Dibaba geht. Mo Farah, der britische Doppelolympiasieger über 5000 und | |
10.000 Meter mit somalischen Wurzeln, kennt den Somali Aden ganz gut und | |
hat längere Trainingslager zusammen mit dessen Athleten absolviert. Alles | |
halb so wild, meint Mo Farah, man kenne sich eben wegen der gemeinsamen | |
Wurzeln. Ob man ihm trauen kann? Nicht mehr und nicht weniger als der | |
Fabelzeit von Olympiasiegerin Almaz Ayana. | |
12 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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