# taz.de -- Schwule Dating-App im olympischen Dorf: Ehrlicher ficken | |
> Ein Hetero-Reporter wollte schwule Olympioniken outen – und erntet einen | |
> globalen Shitstorm. Doch warum eigentlich? | |
Bild: Über schwule Olympioniken soll nicht berichtet werden | |
BERLIN taz | Die sozialen Netzwerke kochen seit Donnerstag, 11. August | |
2016: Ein Autor, heterosexuell, der US-Entertainmentplattform [1][The Daily | |
Beast] erstellte sich auf der schwulen Dating-App „Grindr“ ein Profil. Die | |
App zeigt mittels GPS alle sich in der näheren Umgebung befindenden | |
Grindr-User an und erleichtert das schnelle Finden eines passenden | |
(Sexual-)Partners. | |
Der Autor von The Daily Beast aktivierte die App allerdings nicht | |
irgendwo, sondern im olympischen Dorf. Er wollte herausfinden, ob und, wenn | |
ja, welche Olympioniken nach einer schnellen Nummer suchen. Er wurde | |
fündig. | |
In seinem Artikel unter dem Titel „I got three Grindr-Dates in an hour in | |
the olympic Village“ beschrieb er seine Funde dermaßen akkurat, dass es | |
relativ problemlos möglich wurde, Personen zu identifizieren. Die | |
Chefredaktion von The Daily Beast ließ den Text inzwischen löschen und | |
kroch [2][in einem veröffentlichten Statement] zu Kreuze. | |
Doch die Internetmeute hatte ihren Shitstorm gegen den Autor und The Daily | |
Beast längst gestartet. Der Kernvorwurf kreiste um die Frage, ob man | |
Personen auf diese Weise zwangsouten dürfe oder nicht. Der Bruch der | |
Privatssphäre, Fahrlässigkeit und Homophobie lauteten die weiteren Anwürfe. | |
## Naive Sportler, schlechte Vorbilder | |
Erstaunlich, nicht überraschend ist die Empörung über dieses angeblichen | |
Zwangsouten von Olympioniken (es wurden nie irgendwelche Namen genannt) | |
schon. Nur: Wozu die Aufregung? Ist es nicht naiv, dass Spitzensportler | |
glauben, ihre Anonymität sei gesichert, wenn sie sich auf einer | |
weltberühmten schwulen Dating-App mitten im olympischen Dorf nach einem | |
Penis umsehen? Muss man nicht sogar sagen, sie sind selbst Schuld? | |
Vielleicht. | |
In jedem Fall sind sie Weltklasseathleten. Sie wissen, dass sie gerade bei | |
Olympia auf der Weltbühne stehen. Als Sportler, aber auch als | |
Staatsbürger, gut bezahlte Werbegesichter, Prominente und Vorbilder. Nur: | |
Welchen Vorbildcharakter hat ein Athlet, der zwar Höchstleistungen | |
erbringt, aber zugleich einen maßgeblichen Teil seines identitären Kerns, | |
das Sexuelle, verbirgt, ja vertuscht und die Öffentlichkeit darüber belügt? | |
Klare Antwort: keinen. | |
Es ist eben nicht so, dass dieser Aspekt eines Sportlerlebens ins Private | |
gehört, dass man darüber doch bitte schweigen möge. (Hierbei geht es | |
übrigens nicht darum, ob die Person sich gerne Masochismen hingibt, es eher | |
blümchenhaft oder stark fetischlastig mag.) Die sexuelle Orientierung eines | |
Spitzensportlers ist hier ausdrücklich von öffentlichem Interesse. Denn der | |
Sport wird über Sexappeal, über das Erwecken von Begehren ans Publikum | |
verkauft. Nicht nur, aber auch. | |
Die sexuelle Orientierung als etwas Privates abzutun, entspricht in seinem | |
Kern einer alten und homophoben Denkweise, die darauf abzielt, von diesem | |
unappetitlichen schwulen Anderen möglichst nicht behelligt zu werden. | |
## Der Paternalismus der Kritiker*innen | |
Doch man muss behelligen, muss offen und authentisch auftreten. | |
Insbesondere im Spitzensport, eine der größten Bastionen von Homophobie | |
überhaupt. Denn damit würde ganz nebenbei ein Aspekt des Sportzirkus | |
gestärkt, der bisher wenig entwickelt ist: die Ehrlichkeit. | |
Die Kritiker mahnten an, dass Olympioniken aus Nationen, in denen | |
Homosexualität unter Strafe steht, durch das Handeln des Autors von The | |
Daily Beast in Gefahr gebracht wurden. Dieser Paternalismus und die | |
Zuweisung der Opferrolle für ungeoutete Sportler*innen durch die | |
Kritiker*innen sind schwer zu ertragen. | |
Selbstverständlich haben auch queere Athleten das Recht, selbst zu | |
entscheiden zu welchem Zeitpunkt sie das öffentliche Bild von ihrer Person | |
um den Aspekt der sexuellen Orientierung vervollständigen. | |
Doch solange sie dies nicht vollzogen haben, sollten sie im olympischen | |
Dorf besser keine Penisse auf Grindr suchen. Die Gefahr ist zu groß, dass | |
ihre daheim mühsam aufgebaute Fassade der Heterosexualität gefährdet wird | |
und sie auf der Weltbühne zukünftig als Lügner und Betrüger da stehen, in | |
einer Reihe mit Dopingsündern. | |
13 Aug 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.thedailybeast.com/ | |
[2] http://www.thedailybeast.com/articles/2016/08/11/a-note-from-the-editors.ht… | |
## AUTOREN | |
Manuel Schubert | |
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