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# taz.de -- Geflüchteter über sein App-Projekt: „Immer das passende Formula…
> Ghaith Zamrik entwickelt mit Freunden eine App, die Neuankömmlingen in
> Deutschland helfen soll – und trifft dabei selbst auf Probleme.
Bild: Ein Formularwald namens Deutschland
taz: Wenn du ein Wort in der deutschen Sprache aussortieren könntest,
welches wäre das?
Ghaith Zamrik: Versicherungsnummer…Rentenversicherungsnummer! Das sollte
ich für einen Freund übersetzen und jedes mal als ich das beim Amt sagen
musste, konnte ich es nicht aussprechen. Es gibt andere, die mir aber
natürlich gerade nicht einfallen (lacht).
Du entwickelst mit Freunden gerade die App „Bureaucrazy“. Ist die genau für
solche Situationen gedacht?
Genau. Wir sind sechs Leute aus Syrien, die vor kurzem nach Deutschland
gekommen sind. Der Hauptvorteil unserer App ist aber nicht nur die
Übersetzung, sondern dass sie Ankommende informiert, was als nächstes zu
tun ist.
Wie funktioniert das genau?
Ein Beispiel: Jemand kommt neu nach Deutschland und möchte hier wohnen,
weiß aber nicht, was man dazu benötigt. Dann sagt die App: Zuerst musst du
registriert sein – dafür hat die App dann das passende Formular. Zudem
braucht man ein Bankkonto – dann sagt einem die App, wo die nächste Bank
ist und so weiter. Derzeit haben wir einen ersten Prototypen der App, der
auf deutsch, englisch und arabisch funktioniert. Die Idee ist die: Menschen
geben ihre Daten zentral ein, die App übersetzt sie ins Deutsche und fügt
sie in die Dokumente ein.
Ist es schwierig, an die Dokumente zu kommen?
Die Dokumente kriegen wir derzeit noch von den Websiten der Ämter. Das
größte Problem ist, dass die PDFs nicht automatisch ausgefüllt werden
können – dafür bräuchten wir den Source Code der PDF.
Ist euch die Verwaltungsseite dabei behilflich?
Bisher noch nicht. Jemand aus unserer Programmiergruppe kennt jemanden, der
bei der SPD arbeitet. Er versucht uns zu helfen – hat aber gesagt, dass wir
nicht zu viel erwarten sollen, zum Beispiel aus Datenschutzgründen. Eine
andere Möglichkeit wäre, die PDFs nachzubauen, aber das kostet zu viel
Zeit.
Du sprichst den Datenschutz an. Inwiefern stellt der eine Herausforderung
dar?
Da wir dort keine Expertise haben, werden wir auf jeden Fall externe Hilfe
brauchen. Wir versuchen gerade herauszufinden, wen wir involvieren müssen –
einige Leute waren schon so nett und haben ihre Hilfe angeboten.
Ab Januar wollt ihr die App zum Download anbieten. Was sind andere Hürden,
die euch bis dahin im Weg stehen?
Zeit ist derzeit der größte Faktor. Nach einigen Medienberichten erwarten
die Leute jetzt eine perfekte App, aber wir haben mit dem Programmieren ja
erst vor drei Monaten begonnen. Zur Finanzierung haben wir gerade gestern
ein [1][Crowdfunding auf betterplace.org] gestartet. Wir brauchen
finanzielle Unterstützung. Gestern ist zum Beispiel mein Laptop für 15
Minuten eingefroren und ich konnte nicht weiterarbeiten. Trotzdem möchten
wir natürlich unabhängig sein.
Wie kam euch die Idee zu „Bureaucrazy“?
Das war am ersten Tag in der ReDi School (Die ReDi School of Digital
Integration gGmbH ist eine Codier-Schule für Geflüchtete, Anm. d. Red.), im
Februar. Bei einem Brainstorming sind uns zwei Probleme aufgefallen: Die
Sprache und die Bürokratie. Also haben wir begonnen, an der Bürokratie zu
arbeiten, weil es für Sprache an sich schon viele Apps gibt. In der ReDi
School haben wir eine Mentorin, dir wir fragen können und die uns neue
Konzepte erklärt. Wir haben alle erst hier in Deutschland mit dem codieren
begonnen und dann erstmal die Grundkonzepte vom Codieren und Programmieren
gelernt. Anfang April haben wir begonnen, an der App zu arbeiten. Derzeit
sind wir viel mit Deutschkursen beschäftigt, aber versuchen, weiter an der
App weiter zu arbeiten.
Findest du es wichtig, dass Geflüchtete bei den Lösungsansätzen zu den
Problemen, die sie betreffen, involviert werden?
Ich finde das sehr wichtig. Geflüchtete stehen einerseits vor den gleichen
Herausforderungen, wie andere Migranten, zum Beispiel innereuropäische. Auf
der anderen Seite gibt es aber viele Bereiche, die nur die Gruppe der
Geflüchteten betrifft. Wir wissen nicht über alles Bescheid, kennen aber
die Probleme gut, vor denen wir selbst standen.
9 Aug 2016
## LINKS
[1] https://www.betterplace.org/de/projects/47346-support-bureaucrazy-simplify-…
## AUTOREN
Yannick Ramsel
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Bürokratie
Integration
Finanzamt
Schwerpunkt Flucht
Integration
Flüchtlinge
SAP
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