Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar Anschlag in Ansbach: Schweigen ist Gold
> Kaum war etwas über den Anschlag in Ansbach bekannt, äußerte sich der
> bayerische Innenminister Herrmann dazu. Mit Mutmaßungen.
Bild: Gibt auch mal seine persönliche Einschätzung ab: Bayerns Innenminister …
Ein Bombe explodiert in der Nähe einer größeren Menschenmenge, mitten in
der fränkischen Provinz. Der mutmaßliche Täter, ein syrischer Flüchtling,
stirbt, mehrere Verletzte sind zu beklagen. [1][Die Stadt Ansbach erlebt
einen Ausnahmezustand], so [2][wie München nur wenige Tage davor], als ein
Amokläufer neun Menschen ermordete.
Was also ist in Ansbach geschehen? „Meine persönliche Einschätzung ist,
dass ich es leider für sehr naheliegend halte, dass hier ein echter
islamistischer Selbstmordanschlag stattgefunden hat“. Dieser Gedanke ist
durchaus nachvollziehbar, vielleicht wird er im Verlauf der Ermittlungen
Bestätigung finden. Jedoch ist dieser Satz, in dem Moment, da er vom
bayerischen Innenminister Joachim Herrmann zu Protokoll gegeben wird, nicht
mehr als das: eine persönliche Einschätzung eben. Eine Mutmaßung.
Nach allem was wir wissen, gibt es zu dem Zeitpunkt da Herrmann
„islamistischer Selbstmordanschlag“ sagt, keinen konkreten Anhaltspunkt der
diese Aussage untermauern würde. Ganz nüchtern gesehen, lässt sich da nur
eines mit Sicherheit sagen: Ein Mann, dessen Motive völlig im Dunkeln
liegen, hat in Ansbach eine Bombe gezündet.
Joachim Herrmann darf natürlich „persönliche Einschätzungen“ haben, nur …
er eben kein zufällig der Nachrichtenagentur dpa vor den Notizblock
gelaufener Passant, der mal seine Meinung sagt. Er ist bayerischer
Innenminister, der in seiner offiziellen Funktion den Stand der
Ermittlungen kommuniziert. Er muss wissen, dass seine Mutmaßung gutes
Schlagzeilenfutter ist, das ohne Not eine aufgeheizte, panische Stimmung
verschärfen kann. Ohne Not unter anderem deshalb, weil diverse Medien auch
ohne seine Schützenhilfe mit „islamistischem Terror“ titeln würden,
gleichgültig, ob diese Bewertung durch mehr als ein bloßes Bauchgefühl
gestützt ist.
Und es ist auch so einfach: Ein Syrer und eine Bombe – eine gewisse
Wahrscheinlichkeit besteht schon, dass es sich um einen Anschlag
islamistischer Provenienz handelt. Nur ist das Wahrscheinliche eben nicht
das einzig Mögliche, wie uns nicht zuletzt die Nacht von München lehrt.
Genau zu trennen, was bekannt, was möglich oder wahrscheinlich ist und was
völlig im Reich der Spekulation liegt, das ist Aufgabe von Behörden und
verantwortungsvollen Medien. Leisten wir diese Trennung nicht, können wir
unsere „Informationen“ auch gleich ungefiltert aus den Twitterfeeds
rechtspopulistischer Hassprediger und dschihadistischer Mörderbanden
beziehen.
## Wünsche und Realitäten
Der Bundesinnenminister, Thomas de Maizère, beklagt mit Blick auf München
die vorsätzliche Verbreitung von Falschmeldungen. Das behindere unter
anderem die Arbeit der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden. Das Internet
habe einen „Beschleunigungseffekt für Gerüchte und Falschmeldungen“. Mag
sein. Wenn die zu beschleunigenden Gerüchte jedoch vom Dienstherren der
Ermittlungsbehörden gleich selber eingespeist werden, braucht niemand sich
wundern über all die von Fehlinformationen hervorgerufene Unsicherheit und
die geringe mediale Kompetenz des Publikums, das immer weniger zwischen
Fakten und Fiktion unterscheiden kann oder will.
Wer Angst nicht zu politischem Kapital umwerten und Hysterie für Klickhypes
ausbeuten will, wer also auch nur irgendein berufliches Interesse daran
hat, dass Bekanntes von Märchen, Wünsche von Realitäten und Vernunft von
irrationaler Verwirrtheit getrennt wird, hat eine hohe Verantwortung. Dinge
müssen selbstverständlich beim Namen genannt werden – ob Amok oder Terror,
Unfall oder Wahnsinn.
Solange aber keine Klarheit darüber herrscht was wirklich geschehen ist,
gilt, dass Schweigen mit Gold kaum aufgewogen werden kann. „Persönliche
Einschätzungen“ der Verantwortungsträger gehören dann vielleicht in die
interne Lagebesprechung, aber nicht in die Welt hinausposaunt.
25 Jul 2016
## LINKS
[1] /Attentat-in-Ansbach/!5327637/
[2] /Schuesse-in-Muenchen/!5327543/
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
## TAGS
Ansbach
Joachim Herrmann
CSU
Ansbach
Ansbach
München
Ansbach
Ansbach
Freistaat Bayern
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kabinettsklausur der CSU: Mehr Polizei, mehr Überwachung
Seehofer und seine Minister stellen Forderungen in den Raum, die von der
AfD stammen könnten – bis hin zu Abschiebungen in Krisengebiete.
Gewaltforscher über Terror: „Mit Anschlägen umgehen lernen“
Nach den Anschlägen ist die Gesellschaft verunsichert, sagt Gewaltforscher
Andreas Zick. Wir müssen solche Situationen daher einüben.
Nach Anschlag in Ansbach: Diskussion um strengere Abschiebung
Bisher gibt es den Konsens, nicht in Kriegsgebiete abzuschieben. Die
Politik diskutiert nach den Ereignissen in Ansbach, ob er noch zu halten
ist.
Münchener Polizei nach dem Amoklauf: Viel Lob – warum eigentlich?
Die Polizei in München wurde nach dem Amoklauf mit Lob überhäuft: Sie habe
einen ganz tollen Job gemacht. Aber was spricht dafür?
Anschlag in Ansbach: Das nächste Drama
Mit Projekten hatte sich Ansbach um Flüchtlinge gekümmert. Nun zerstört der
Anschlag alle Bemühungen – und verschärft die Flüchtlingsdebatte.
Nach dem Anschlag von Ansbach: Attentäter berief sich auf den IS
Der Suizidattentäter von Ansbach berief sich in einem Video auf IS-Chef Abu
Bakr al-Baghdadi. Der IS reklamiert den Anschlag für sich.
Attentat in Ansbach: 12 Verletzte bei Bombenanschlag
Ein Mann hat nahe eines Open-Air-Konzerts eine Bombe gezündet. Der
mutmaßliche Angreifer soll ein 27-jähriger Flüchtling aus Syrien sein. Er
starb bei der Explosion.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.