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# taz.de -- Kolumne Berliner Galerien: Wer weiß, wo wir sind?
> Kolumnistin Beate Scheder empfiehlt Videorbeiten von D. N. Rodowick und
> das Project Space Festival. Selda Asal von Apartment Project im
> Interview.
Bild: Der DISPLAY Projektraum zeigt am 5. 8. Videoarbeiten. Standbild aus der V…
Vom Sehen und Gesehen-werden handeln die Videoarbeiten von [1][D. N.
Rodowick], mit denen die Galerie [2][Campagne Première] aufwartet. „The
Wanderers“ ist die Gegenüberstellung von zwei Filmklassikern aus den 1950er
Jahren: Roberto Rossellinis „Viaggio in Italia“ (1954) und Alfred
Hitchcocks „Vertigo“ (1958). Rodowick, eigentlich Filmtheoretiker, Kritiker
und Kurator, hat aus beiden Filmen alle männlichen Charaktere und so manche
Szene herausgeschnitten und sie auf stumm gestellt.
Zurück blieben zwei Frauen in Großaufnahme: Ingrid Bergman in der Rolle der
Katherine Joyce, wie sie durch Neapel fährt, die Stadt, antike Statuen und
den Vesuv bestaunt; Kim Novak als Unternehmergattin Madeleine Elster
beziehungsweise Verkäuferin Judy Barton, observiert von Expolizist Scottie
Ferguson, wie sie im Wahn durch Kalifornien kurvt. Die eine betrachtet, die
andere wird betrachtet.
Eine dritte Arbeit schaltet noch weiter reduzierte Fassungen fast parallel,
in einer vierten sind die Szenen zu einem Video zusammengeschnitten. Immer
stärker treten so die Details hervor und die Filme quasi in einen Dialog
mit dem prägnanten Motiv des sich durch die Straßen schlängelnden Autos als
verbindendes Element.
## Gemeinsam Leben im Nebel
Der Name des ein Jahr andauernden Projekts von [3][Apartment Project]
hingegen passt zu den undurchsichtigen Verhältnissen unserer Zeit, in der
Türkei, aber nicht nur: „Mist“, also Nebel heißt es. Künstler_innen aus
Istanbul, Izmir und Mardin wohnen und arbeiten dabei gemeinsam in dem
Neuköllner Raum, einer ursprünglich aus Istanbul stammenden
Künstlerinitiative, gegründet von [4][Selda Asal].
„Wer weiß, wo wir sind?“, lautet die Leitfrage von Mist, der sich die
Künstler_innen filmisch, performativ, mit dem Magazin „Sis“ und in
Gesprächen und Diskussionen widmen. Apartment Project stellte sich als
erster Projektraum beim diesjährigen [5][Project Space Festival] vor, mit
Arbeiten aus dem ersten Monat von Mist und einer Lecture-Performance von
[6][Merve Ünsal] zur Macht der Bilder.
Jeden Tag im August, wenn Galerien klassischerweise Sommerpause machen, ist
beim Project Space Festival ein anderer der nichtkommerziellen Räume an der
Reihe, die in der Berliner Kunstszene für Vielfalt sorgen.
Neu sind in diesem Jahr nicht nur die Kuratoren – Marie-José Ourtilane und
Heiko Pfreundt – erstmals werden auch vier überregionale Projekträume
vorgestellt, die nomadisch Quartier in Berlin beziehen. Die taz sprach mit
Selda Asal von Apartment Project.
Welche Ausstellung in Berlin hat dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und
warum?
Clemens von Wedemeyers Installation im n.b.k. Ich sah seine Arbeiten zum
ersten Mal auf der dOKUMENTA (13). Hier hat er wieder historisches Material
aus verschiedenen Perioden mit sozialpolitischen Beobachtungen kombiniert.
Ausgangspunkt der Ausstellung ist das Filmmaterial eines Amateurkameramanns
aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Mehrkanalinstallation ist auf nichtlineare
Weise anhand historischer Referenzen aufgebaut. Zum Beispiel schließt eine
Computerspielkonstruktion das ein, was die Kamera nicht zeigt.
Welches Konzert oder welchen Klub kannst du empfehlen?
Ich interessiere mich für elektronische, Ambient- und experimentelle Musik
und verfolge das Programm von Berghain, HKW, Radialsystem und der CTM.
Kürzlich war ich bei Klara Lewis im Berghain, eine junge schwedische
Musikerin, die puren Sound mit verschiedenen Texturen kombiniert. So
erzeugt sie mithilfe sehr einfacher Töne und Akustiken digitale
Verzerrungen.
Welche Zeitung/welches Buch begleitet dich durch den Alltag?
Ein paar türkische Onlinemagazine wie T24 oder Diken, außerdem e-flux
journal, BBC Newsund The Guardian.
Was ist dein nächstes Projekt?
Wir haben gerade die erste Phase des einjährigen Projekts Mist bei
Apartment Project beendet. Künstler aus Istanbul, Izmir und Mardin haben
einen Monat lang zusammengelebt und -gearbeitet. Mit dem Ziel geringer
Sichtbarkeit und hoher Präsenz überdenken die Künstler Positionen, Aktionen
und Präsenz als Reaktion auf den sich beschleunigenden trans-geografischen
Ausnahmezustand. Im November werden sie sich in der Türkei zu einer
weiteren intensiven Arbeitsperiode treffen. Im Mai gipfelt all das in einer
Ausstellung in Istanbul. Wir arbeiten parallel an anderen Projekten, die
bald angekündigt werden.
Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht dir am meisten
Freude?
Mein Klavier und meine Kamera. Leider habe ich noch kein Klavier in Berlin.
Dafür macht mir mein Fahrrad viel Freude.
Text und Interview erscheinen im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und
Brandenburg immer Donnerstags in der Printausgabe der taz
3 Aug 2016
## LINKS
[1] https://cms.uchicago.edu/faculty/rodowick
[2] http://www.campagne-premiere.com/exhibitions/d-n-rodowick/the-wanderers/exh…
[3] http://berlin.apartmentproject.org/
[4] http://www.seldaasal.com/
[5] http://www.projectspacefestival-berlin.com/festival-2016-2/
[6] http://curatorsintl.org/collaborators/merve-uensal
## AUTOREN
Beate Scheder
## TAGS
Berliner Galerien
Projekträume Berlin
Einblick
Videokunst
Kunst
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