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# taz.de -- Filmemacher über Abschiebungen: „Man traumatisiert die Menschen�…
> Für die Doku „Protokoll einer Abschiebung“ begleitete Hauke Wendler eine
> Familie bei ihrer Ausweisung. Dramatische Szenen, die so nur selten
> gezeigt werden.
Bild: Abschiebungen sind für die Betroffenen häufig traumatisierend
taz: Herr Wendler, warum sind Bilder von Abschiebungen selten im Fernsehen
zu sehen?
Hauke Wendler: Es gibt hin und wieder kurze Magazinbeiträge, aber der
letzte lange Film zu dem Thema war „Abschiebung im Morgengrauen“ – und das
war 2005. Meine Kollegen und ich haben regelmäßig versucht, Abschiebungen
zu filmen, weil man die Härten dieser staatlichen Zwangsmaßnahme nur
diskutieren kann, wenn man sie auch in aller Deutlichkeit zeigt. Unsere
Anfragen wurden stets mit dem Argument abgelehnt, dass man die
Persönlichkeitsrechte der Betroffenen schützen müsse. Ich halte das für
eine Schutzbehauptung. Meiner Meinung nach lehnen Behörden und Politiker
solche Anfragen ab, um das Thema aus der Berichterstattung herauszuhalten.
Warum haben sie Ihrer Meinung nach kein Interesse an Berichterstattung?
Weil sich bei Abschiebungen dramatische Szenen abspielen. Menschen werden
ohne Ankündigung mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen und zum
Flughafen verfrachtet. Man zerstört Träume, reißt Familien auseinander,
traumatisiert die Menschen, manche Asylbewerber schickt man sogar in
lebensbedrohliche Situationen. Es kann sein, dass es Bundesbürger gibt, die
das begrüßen. Aber ich bin mir sicher, dass der weitaus größte Teil
angesichts der Bilder unserer Doku geschockt wäre. Deshalb wird die Debatte
von Politik und Verwaltung im Keim erstickt.
Warum durften Sie in diesem Fall drehen?
Wir haben auf gut Glück beim Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern
angefragt, und dort wurde gerade mit großem Aufwand eine Sammelabschiebung
organisiert. Ich vermute, dass man vor den Landtagswahlen im September
potenziellen Wählern zeigen wollte, dass hart durchgegriffen wird – und
dabei kam es der Behörde vielleicht gelegen, unsere Kameras dabeizuhaben.
Haben Sie sich womöglich instrumentalisieren lassen?
Diese Gefahr besteht bei Dokumentationen natürlich oft. Nach langer
Diskussion haben wir uns trotzdem für den Dreh entschieden, weil uns die
Bilder wichtig waren und so eine Chance vermutlich nie wiederkommt. Es gab
für uns keine ungewöhnlich harten Auflagen. Wir haben darauf bestanden, von
Beginn des Einsatzes an dabei zu sein und nicht erst, wenn die Lage bereits
unter Kontrolle ist. Das wurde uns erlaubt. Ich denke, dass wir die
Abschiebungen so dokumentieren konnten, wie sie auch sonst ablaufen.
Der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern Lorenz Caffier war anwesend.
Ist das nicht inszeniert?
Das stimmt, das ist die einzige Ausnahme. Meiner Meinung nach war dem
Minister sehr bewusst, dass die Kameras laufen. Herr Caffier gibt sich ja
als zupackender Typ von Politiker. Dazu passte sein Auftritt mit
Cargo-Hose, Freizeithemd und sportlicher Mütze. Beim Gang zur ersten
Wohnung drängelte er sich von hinten an der Kamera vorbei. Bei dieser und
einigen anderen Szenen wollte er, glaube ich, unbedingt ins Bild. Deshalb
thematisieren wir das in der Doku auch. Darüber hinaus sind uns keine
Inszenierungen aufgefallen.
Zu Beginn der Doku wird eine albanische Familie aus dem Schlaf geholt. Der
Vater steht minutenlang in Unterwäsche vor der Kamera. Stellen Sie ihn
dadurch nicht vor aller Welt bloß?
Als Dokumentarfilmer erreicht man eine gewisse Intensität nur, wenn man an
Grenzen geht. Gleichzeitig versuchen wir immer, das gegenüber den
Protagonisten unserer Dokus offen anzusprechen. In diesem Fall hatten wir –
übrigens im Unterschied zur Polizei – eine Dolmetscherin dabei, die dem
Familienvater unsere Vorgehensweise erklärt hat. Er hat der Verwendung des
Materials zugestimmt, andernfalls würden wir es nicht zeigen.
1 Aug 2016
## AUTOREN
Sven Sakowitz
## TAGS
Abschiebung
Asylverfahren
TV-Dokumentation
Sinti und Roma
Abschiebung
Roma
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