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# taz.de -- AKW-Neubau in Weißrussland: Reaktorgehäuse plumpste in die Tiefe
> Baumängel und Unfälle: Kritiker befürchten gefährliche Spätfolgen an dem
> neuen Kraftwerk Ostrowez in Weißrussland.
Bild: Im Trainingszentrum des künftigen AKW Ostrowez nahe der Ortschaft
KIEW taz | Auf der Baustelle des weißrussischen Atomkraftwerks Ostrowez hat
es einen Unfall gegeben. Dies berichteten weißrussische und russische
Umweltschützer am Dienstag. Der erst jetzt bekannte Vorfall hat sich
bereits am 10. Juli ereignet.
Als man das 330 Tonnen schwere Reaktorgehäuse auf den Reaktorboden hatte
aufsetzen wollen, war es der Transporthalterung entglitten und im freien
Flug mehrere Meter zu Boden gestürzt. Das weißrussische Energieministerium
hat inzwischen bestätigt, das sich am Reaktoraggregat ein
„außergewöhnlicher Vorfall“ ereignet habe.
Der weißrussische Atomkraftgegner Georgij Lepin fürchtet, dass die Folgen
des Unfalls erst im laufenden Betrieb zu bemerken sein werden. „Eine der
wichtigsten Voraussetzungen beim Bau eines Atomreaktors ist, dass der
Korpus weder bei der Fertigstellung noch beim Transport oder im Betrieb in
irgendeiner Weise Schaden nimmt.“ Gerade das Reaktorgehäuse sei intensiven
Neutronenflüssen ausgesetzt. Auch kleinste Schäden oder Haarrisse könnten
beim Betrieb gefährlich werden, so Lepin gegenüber der weißrussischen
Nachrichtenagentur naviny.by.
„Ich gehe davon aus, dass bei dem Sturz der untere Teil des Reaktorgehäuses
Schaden genommen hat“, sagte der Physiker Andrej Oscharowskij, „und gerade
dieser Teil, das ist auf Archivfotos der russischen Herstellerfirma
Atommasch erkennbar, besteht aus drei zusammengeschweißten Metallteilen“.
Nahtstellen seien Sollbruchstellen, so Oscharowskij, der wegen seiner
Kritik an der weißrussischen Atompolitik bis 2022 nicht mehr ins Land
einreisen darf.
## Spielen Behörden die Sache runter?
Oscharowskij fürchtet, dass die weißrussischen Behörden den Vorfall
herunterspielen werden und das beschädigte Reaktorgehäuse in Betrieb gehen
wird. Dafür spricht, dass seit dem 10. Juli die Unglücksstelle von
zusätzlichen Sicherheitskräften bewacht wird. Dies berichtet der
weißrussische Atomkraftgegner Nikolaj Ulasewitsch, der 6 Kilometer von dem
Atomkraftwerk entfernt lebt.
Hersteller des Reaktorgehäuses ist die im russischen Wolgodonsk ansässige
Firma Atommasch. Und diese habe, so Oscharowskij, 20 Jahre lang schon keine
Reaktorgehäuse mehr gebaut.
Der im Bau befindliche Reaktor habe zudem eine weitere Schwachstelle, so
das weißrussische Internetportal naviny.by. Der Beton des ersten Reaktors
sei von schlechter Qualität. Dies, so die Autorin Tatjana Iwanowa, habe ihr
ein Betonarbeiter vertraulich mitgeteilt. Man habe keinen Qualitätsbeton
eingesetzt und viel zu schnell betoniert, so der Informant. In der Folge
hätten sich in der Betonkuppel Lufttaschen gebildet, was die Sicherheit der
Kuppel beeinträchtige.
## Angst im Nachbarland Litauen
Im Nachbarland Litauen, dessen Hauptstadt Vilnius nur 50 Kilometer vom AKW
entfernt liegt, ist man über die Vorgänge entsetzt. Der im Bau befindliche
Reaktor werfe für Litauen sehr viele Fragen auf, erklärte die litauische
Präsidentin Dalia Grybauskaitė sofort nach Bekanntwerden des Unfalls.
„Weißrussland gibt keine Antworten auf Fragen zur Sicherheit, lässt keine
Beobachter auf das Gelände. Das beunruhigt uns.“ Zusammen mit der
internationalen Gemeinschaft werde sich Litauen dafür einsetzen, dass die
Sicherheitsanforderungen in dem AKW Ostrowez erfüllt werden. Sollte
Weißrussland die Sicherheitsstandards nicht einhalten, werde sich Litauen
dafür einsetzen, dass das Atomkraftwerk nicht ans Netz gehe, so
Grybauskaitė.
Das AKW Ostrowez besteht aus zwei Blöcken vom Typ WWER-1200. Der erste
Block soll 2018, der zweite 2020 ans Netz gehen. Gebaut wird das Kraftwerk
vom russischen Atomstrojexport, das zu drei Vierteln dem russischen
Atomkonzern Rosatom gehört. Russland hat 2011 einen Kredit von 10
Milliarden Dollar für das AKW bewilligt. Immer wieder wird von Pannen auf
dem Bau berichtet.
27 Jul 2016
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
Atomkraftwerk
Weißrussland
Schwerpunkt Atomkraft
Weißrussland
Alexander Lukaschenko
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