# taz.de -- Elefant auf der Schweriner Schlossbühne: Umstrittener Opernstar | |
> Mala heißt der Star der Schlossfestspiele in Schwerin. Gegen den Auftritt | |
> der Elefantendame in Verdis Oper „Aida“ protestieren Tierschützer | |
Bild: Noch ein paar Äpfel vor der Premiere: Elefantendame Mala | |
HAMBURG taz | Fans warten schon eine Stunde vor der Show mit ihren Kameras | |
und tütenweise lukullischen Präsenten – auf den „unbestrittenen Star der | |
diesjährigen Schlossfestspiele“. So heißt es im Programmheft über die 32 | |
Jahre junge Mala aus Simbabwe, die heute in einer mit Fußbodenheizung | |
ausgestatteten WG im mecklenburgischen Platschow lebt – auf einem | |
Elefantenhof, zusammen mit 60 Kollegen wie Lamas, Alpakas, Ziegen, Enten, | |
Rindern, Büffeln, Hühnern und Eseln. | |
Den Triumphmarsch der süffigen, ägyptisch designten Verdi-Oper „Aida“ soll | |
sie als martialisches Symbol anführen. Das wünschte sich das künstlerische | |
Team, buchte Mala – und musste mit ansehen, wie sie zum umstrittensten Star | |
des Schweriner Open-Air-Spektakels wurde. | |
## Umstrittener Star | |
Lokale, regionale, weltweit agierende Tierschutzorganisationen rufen: „Kein | |
Applaus für Tierleid.“ Und verweisen darauf, dass auch in der | |
Landeshauptstadt ein Wildtierverbot für Zirkusshows gilt. Aber Theater sei | |
kein Zirkus, entgegnet der Staatstheaterintendant. Statt eines | |
Supermarketinggags zum Ende der Spiel- und seiner Amtszeit hat er nun | |
jedenfalls Superärger. Bleibt aber konsequent. | |
Die Tür des Transporters öffnet sich einen Spalt, schon schlängelt der | |
Rüssel hervor, wiegt die Elefantendame ihren vier Tonnen schweren Körper | |
hin und her und schlenkert mit dem Kopf. Die Aufmerksamkeit genießend und | |
freudig erregt wegen der anstehenden Aufgabe? Oder doch hospitalisiert von | |
den Haltungsbedingungen und genervt von der einstündigen Anfahrt? Tomaten, | |
Äpfel, Möhren, Bananen und Brot reichen ihr die Fans dazu. Wer mag, den | |
lässt Malas Besitzer Sonni Frank auch die furchige Lederhaut streicheln. | |
Menschen Angst vor den grauen Riesen nehmen, ist ihm wichtig, auch auf | |
seinem Hof. | |
Deswegen empört er sich über die „Hetzkampagnen“, die ihn finanziell in d… | |
Bredouille bringen. Das sei derzeit wie bei Hase und Igel: Bevor er bei | |
Werbeveranstaltungen, Hochzeiten, Kulturdarbietungen, in Kino- und | |
TV-Filmszenen aufgetreten sei, seien die Kritiker schon vor Ort und | |
nötigten die Veranstalter zur Absage. Auch in Mecklenburg. Zuletzt wurden | |
Mala & Co. noch vom Schweriner Zoo eingeladen, weil es dort keine Elefanten | |
gibt. Auch der Rostocker Zoo hat die Haltung 2013 aufgegeben. Nur Sonni | |
Frank nicht, der dafür als „Tierquäler“ beschimpft wird. | |
Mala hat er als zweijähriges, zum Abschuss freigegebenes Jungtier für | |
22.000 DM von afrikanischen Jägern gekauft, die in den 1980er-Jahren | |
festgestellt hatten, wie einträglich es ist, Waisenkinder der fürs | |
Elfenbein erschossen Elefanten nach Europa zu exportieren statt sie einfach | |
zu töten. Erst mit dem internationalen Artenschutzabkommen von 1989 ist der | |
Elefantenhandel weltweit verboten. | |
## Alte Zirkusfamilie | |
„Ich weiß, das klingt doof, aber bei uns gehören die Elefanten zur | |
Familie“, sagt Frank. Er sei die „Leitkuh“ seiner aus neun Tieren | |
bestehenden Herde. „Ich habe die alle großgezogen.“ Deswegen treffen ihn | |
die Vorwürfe wie einen Vater Anschuldigungen wegen Kindesmisshandlung. | |
Die Franks, die sich „Die Frankellos“ nennen, sind eine Mecklenburger | |
Zirkusfamilie und arbeiten in der achten Generation mit Elefanten. Aus der | |
DDR flohen sie bereits 1954, heute betreiben die Franks 30 kleinere | |
Zirkusse. | |
Sonni, 1959 geboren bei einem Gastspiel in den Holstenhallen Neumünster, | |
ist Artist, Feuerschlucker und Dompteur. „Mit 15 bekam ich meinen ersten | |
eigenen Elefanten“, erzählt er. „Aber ich träumte immer davon, als Farmer | |
in Afrika zu leben.“ Klappte nicht. Also kaufte er vor 16 Jahren das sechs | |
Hektar große Gelände im Dörfchen Platschow. | |
Auf dem Elefantenhof finden Abenteuerfreizeiten und Kindergeburtstage | |
statt. Eine Hamburger Heilpraktikerin bietet Therapien auf und mit | |
Dickhäutern an. „Tierpflege, Füttern, Ausmisten zeigen wir den Besuchern, | |
alles was sonst hinter den Kulissen stattfindet“, erklärt Frank. Auch Shows | |
gibt es. „Präsentiert wird, dass Elefanten mehr als das Übliche können, | |
nämlich auch Fußball, Mundharmonika, mit dem Hula-Hoop-Reifen spielen und | |
zaubern.“ Zudem ist die Seelöwendressur täglich zu sehen, mit der Frank jr. | |
fast RTL-Supertalent geworden wäre. | |
Knapp 40.000 Besucher kämen jährlich auf den Hof, sagt Frank. Er sei als | |
Zoo anerkannt und werde ständig von Veterinärmedizinern kontrolliert. Da | |
allein Mala täglich 130 Kilo Lebensmittel in sich hineinmümmelt, müssen | |
jeden Monat 12.000 Euro für Futter und Wasser aufgewendet werden. Da seien | |
Jobs wie der bei „Aida“ überlebenswichtig. „Und Mala ist Profi, hat schon | |
andernorts die Rolle im Triumphmarsch gespielt.“ | |
Mala erledigt den nur wenige Minuten dauernden Gang in Schwerin im | |
entspannt wirkenden Watschelgang. Aber die vielen Zuschauer, der Lärm, das | |
grellbunte Licht, der ruckelige Transport setzten die Elefantenkuh unter | |
Stress. Sagen die Tierschützer. „Wenn mein Tier gestresst wäre, würde es | |
nicht mit mir in aller Ruhe durch die Aufführung gehen“, sagt Frank. „Und | |
das Gejaule auf der Bühne geht ihr auch nicht auf den Keks. Alle Elefanten | |
haben Schließmuskeln im Ohr, die sie bei Sturm, Regen, Lärm einsetzen.“ | |
Aber Männchen machen, wie jetzt in Schwerin, das ist natürlich nicht | |
artgerecht? „Das macht Mala doch seit Jahrzehnten“, sagt Frank. Geht es ihr | |
nun gut – oder ist sie Opfer übler Marter? Die Einzige, die das beantworten | |
könnte, ist Mala selbst. Aber der ist nicht mal ein „Törö“ zu entlocken. | |
Und nur Malas Mimik zu deuten wäre ebenso anthropozentrischer Unsinn wie | |
das Gerede von Hunde- oder Katzenbesitzern, die einem erklären wollen, wie | |
sich ihr tierischer Lebenspartner gerade so fühlt und was er so denkt. | |
## Dekorative Tableaus | |
Probieren wir unsere ja eh nur eingeschränkte Fähigkeit zur Empathie also | |
lieber an den „Aida“-Darstellern auf dem angedeutet pyramidalen | |
Spiel-Plateau aus. Ausstatterin Romaine Fauchère hat dies so geschickt | |
platziert im „Alten Garten“, einem Schotterplatz, dass Schloss, See, Museum | |
und Staatstheater zu einem betörend schönen 3-D-Panoramaprospekt | |
verschmelzen. | |
Das Orchester wird unter der Bühnenterrasse versteckt, hält das | |
Auftrumpfende der Partitur geschickt im Maß und kommt per Lautsprecher in | |
astreiner CD-Qualität zu Gehör. Vor dem Orchesterkeller sind die Szenen der | |
Degradierten platziert, auf der Bühne finden die Staatsaktionen statt. | |
Zwischen Stelen, Designerbänken, Stellwänden – farbig angestrahlt funkeln | |
die Aufbauten wie eine kühl moderne Machtzentrale, der fast alles | |
Pharaonische verweigert wird. | |
Das Militär trägt Fantasieuniformen, damit wir das Geschehen als zeitloses | |
verstehen; Frauen schmücken sich mit 20er-Jahre-Kleidern, damit es schön | |
aussieht; Gefangene sind in Guantánamo-Orange gewandet, damit auch wirklich | |
jeder ihre Situation versteht. Dazu werden Filmschnipsel von nicht | |
identifizierbaren Kriegsschauplätzen projiziert. | |
Aber zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung wagt sich Regisseur Georg | |
Rootering nicht vor. Die Grand-Opéra-Tableaus kommen dekorativ daher – dank | |
statuarischer Chor-Arrangements, bedeutungsvoll schreitender Sänger und | |
ziellos herummarschierender Statistenheere. Verdis Musikangebote zum Tanzen | |
werden angenommen. Aber wenn zwei Abgeordnete des Ballettensembles die | |
darstellerisch und sängerisch nicht verdeutlichte sexuelle Gier ausdrücken | |
sollen, mit der Pharaonentochter Amneris vom Offizier Radamès träumt, | |
bietet der Pas de deux nur alberne Erotik-Gymnastik. | |
Nach der Pause, pünktlich um Mitternacht, endet Radamès Liebe zur Sklavin | |
Aida im romantischen Liebestod – die Inszenierung hat da längst Feierabend. | |
So steif vor leerer Bühne dargeboten wie hier, allein auf vokale | |
Prächtigkeit und melodramatischen Klangzauber setzend, funktioniert das | |
düstere Seelendrama in dieser monumentalen Kulisse vor manchmal 1.800 | |
Event-Zuschauern nicht. Auch wenn durchweg überzeugend gesungen wird. Ohne | |
Stars. | |
So ist Mala schließlich doch konkurrenzlos – der unbestrittene Star der | |
diesjährigen Schlossfestspiele. | |
24 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Jens Fischer | |
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