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# taz.de -- Wildtiere im Zirkus: Maya geht gern spazieren
> Elefantendame Maya sorgt für Aufsehen, weil sie gern eine Runde mitten in
> der Stadt dreht. Derzeit hat sie keine Artgenossen um sich herum.
Bild: Die Tierrechtsorganisation PETA kennt keinen Spaß, wenn es um Wildtiere …
Die Sonne brennt, es ist 12 Uhr. Das Gelände um den Circus Busch herum
liegt wie ausgestorben da. Doch plötzlich ein Trompetenstoß. Ein 4,5 Tonnen
schweres Tier rennt mir mit gefühlt 25 Stundenkilometern entgegen. „Maya!
Pfui da!“, ruft ein schmächtiger 16-jähriger Bengel mit braun gebranntem
Oberkörper. Maya, ein 40 Jahre alter asiatischer Elefant, der seit 37
Jahren mit dem Circus Busch durch die Gegend tingelt, bleibt in derselben
Sekunde stehen.
Ihre Haut ist so rau, wie sie aussieht. Ich darf sie hinter den Ohren
kraulen. Sie schnaubt leise und schließt ihre schwarzen sanften Augen. Sie
lässt es sich gut gehen.
„Maya hatte gerade ihre fünf Minuten“, sagt der 16-jährige Alfred Scholl,
Sohn des Chefs Hardy Scholl. Er lehnt sich an Maya und lächelt verwegen.
Während das Tier auf dem Gelände des Zirkus, der gerade in Treptow
gastiert, mit einem Plastiktisch Fußball spielt und auf ein paar halb
verbuddelten Autoreifen herumtrampelt, erzählt Alfred Scholl: Seit er fünf
oder sechs Jahre alt ist, geht er mittags mit Maya spazieren.
„Ich bin mit ihr aufgewachsen“, sagt Scholl. „Ich respektiere und vertraue
Maya, auch wenn sie mich manchmal überhaupt nicht ernst nimmt.“ Doch dann
sprintet der 16-Jährige schnell los. Mit einem weiteren frechen
Trompetenstoß ist Maya in einem kleinen Birkenwäldchen verschwunden. Sie
will sich offenbar an einem der Bäume schubbern.
## Helikoptereinsatz ausgelöst
Die Elefantendame Maya sorgt nun schon seit April für Schlagzeilen in
Berlin. Bis vor Kurzem gastierte sie mit ihrem Zirkus in Lichtenberg –
gleich gegenüber von Ikea. Und weil der Elefant auch dort jeden Tag ein
Stündchen rausdurfte, rief eine besorgte Anwohnerin bei der Polizei an –
und es kam zum Helikoptereinsatz. Immer wieder waren in den Medien Bilder
von Maya zu sehen, wie sie ihren Rüssel in ein Café steckt oder wie sie
sich am Bürgersteig auf einen Betonblock setzt.
Gleichzeitig wurde publik, dass Angestellte des Circus Busch vom
Tierschutzbund angezeigt wurden: Sie sollen einen Fotografen verprügelt
haben, der Maya filmen wollte. Und die Tierschutzorganisation Peta
erstattete Anzeige, weil Maya im Zirkus „in Einzelhaft“ sei – „eine
Katastrophe für soziale Wesen, wie sie Elefanten sind“, sagt Peter Höffken
von Peta.
„Nanda ist gerade in einem Zoo in Karlsruhe“, erzählt Alfred Scholl vom
zweiten Elefanten des Circus Busch. „Wir hoffen, dass sie bald
zurückkommt.“ Das Problem: Clemens Becker, stellvertretender Direktor des
Zoos, geht davon aus, dass Nanda „aufgrund ihrer besonderen medizinischen
Situation“ wird bleiben müssen. Nanda hat den Grünen Star, sie kann fast
nichts mehr sehen.
Daher die Kritik von Peter Höffken von Peta: „Der Zirkus hat derzeit eine
befristete Genehmigung, Maya einzeln zu halten. Aber es gibt keinen Plan,
wie dieser Zustand beendet werden soll.“ Über all das wollen Alfred und
René Scholl an diesem Nachmittag nichts sagen. Nur so viel: Sie wollen,
dass es Maya gut geht. Und dies, so der subjektive Eindruck, ist keine
Inszenierung für die Medien.
„Für Maya bin ich das Nesthäkchen“, sagt Alfred Scholl. Wenn nebenan Hunde
bellen, stellt sich Maya vor Alfred, denn Alfred hat Angst vor Hunden. Wenn
Alfred sie anrempelt, rempelt sie vorsichtig zurück.
Was man tun müsse, um einem Elefanten Kunststücke beizubringen? „Man muss
ihn austricksen, loben und belohnen“, antwortet Alfred Scholl. Schlagen?
„So ein Quatsch! Das würde sich Maya für immer merken!“ Wer will schon,
dass 4,5 Tonnen Elefant wütend werden?
Maya hat keine Artgenossen, aber sie hat Menschen um sich herum, auf die
sie sich verlassen kann – mit klaren Rangordnungen, die an die in einer
Herde erinnern. Alfred Scholl ist der Kleine zum Raufen. Danach kommt René
Scholl, der große Bruder. Und am besten funktioniert der Auftritt in der
Manege mit Hardy Scholl, dem Vater – der Respektsperson.
## Bloß keine Langeweile
„Elefanten suchen sich auch unter Menschen ihre Sozialpartner“, bestätigt
Tierexperte und Autor dieser Zeitung Cord Riechelmann. Das Wichtigste sei,
dass sie beschäftigt sind, dass sie sich nicht langweilen. Dass sie viel
spielen und auch arbeiten können. Man kann so pauschal nicht sagen, dass es
Elefanten immer schlecht geht im Zirkus.
Es gibt Videos von Maya auf der Website des Tierschutzbundes, in denen sie
traurig wirkt. Es gibt Aussagen von Tierschützern, die sagen, dass Maya wie
in jedem Zirkus zumindest nachts angekettet wird. Doch an diesem Nachmittag
schaukelt Maya nicht rhythmisch mit dem Körper, schwingt nicht mit dem
Rüssel oder nickt mit dem Kopf. Sie wirkt besser gelaunt als viele
Elefanten, wie man sie in den Zoos oft sieht. In Zoos, die man vielleicht
nicht so leicht anzeigt wie einen kleinen Zirkus, der ohnehin um seine
Existenz kämpfen muss.
Die Sonne brennt heiß an diesem Nachmittag. Ich trete den Heimweg an,
schaue aber noch einmal zurück. Alfred Scholl hat sich auf eine Liege
plumpsen lassen. Maya stellt sich über die Liege, als wollte sie dem Jungen
Schatten spenden. Sie streicht ihm zärtlich mit dem Rüssel übers Haar. Es
geht Maya gut. Zumindest im Moment.
19 Jul 2016
## AUTOREN
Susanne Messmer
## TAGS
Zirkus
Elefanten
Zoo
Zirkus
Oper
Zirkus
Tierschutz
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