# taz.de -- Wochenzeitung für Brexit-Gegner: Das Blatt für Verlierer | |
> Der „New European“ aus Großbritannien wendet sich an alle, die gegen den | |
> Brexit gestimmt haben. Das Loblied auf Europa singen – funktioniert das? | |
Bild: Prominente Autoren, wenig neue Analysen: die erste Ausgabe des „New Eur… | |
Seit dem Brexit-Referendum in Großbritannien sind vier Wochen vergangen, | |
aber die Verlierer tun sich schwer, das Ergebnis zu akzeptieren. Sie fühlen | |
sich von Menschen betrogen, die keine Ahnung hatten, was sie mit ihrer | |
Stimme für den Austritt aus der EU anrichteten. | |
Einige aus dem Anti-Brexit-Lager geben nun eine Wochenzeitung heraus, die | |
zunächst auf vier Ausgaben begrenzt ist – und die sie aufgrund dieses | |
Konzepts vorerst als „Pop-up-Zeitung“ bezeichnen. Finden sich genug Käufer, | |
soll es weitergehen. Die erste Ausgabe ist am 8. Juli erschienen. Die | |
Zeitung ist bunt, sie kostet 2 Pfund, und sie hat 48 Seiten, weil 48 | |
Prozent der Briten für den Verbleib in der EU gestimmt haben. | |
Herausgegeben wird das Blatt vom Verlag Archant in Norfolk, der außerdem | |
vier regionale Tageszeitungen in seinem Portfolio hat. Chefredakteur ist | |
Matt Kelly, der früher beim Daily Mirror arbeitete. Diejenigen, die für den | |
Verbleib in der EU stimmten, würden von der traditionellen Presse nicht | |
ausreichend versorgt, sagt er: „Es gibt eine große Chance für ein Blatt wie | |
den New European.“ Die Menschen werden die Zeitung wie ein Ehrenabzeichen | |
mit sich herumtragen, glaubt er. | |
Der Vertrieb konzentriert sich auf die Gegenden, die am deutlichsten gegen | |
den Brexit gestimmt haben – also London, Südostengland, Liverpool und | |
Manchester. Man wolle „das außerordentlich breite Spektrum von Menschen | |
zusammenbringen, die durch den Brexit-Sieg unter einem echten Verlustgefühl | |
leiden“, heißt es auf der Webseite. Unklar ist allerdings noch, ob dieses | |
Publikum tatsächlich auf die Wochenzeitung anspringt: Die ersten beiden | |
Ausgaben erschienen mit einer Auflage von je 200.000 Kopien – was | |
allerdings noch nichts darüber aussagt, wie viele tatsächlich auch | |
verkauft wurden. | |
## Loblied auf Europa | |
Das Blatt singt ein Loblied auf Europa. Dafür hat man eine illustre Schar | |
von Journalisten gewonnen, Wolfgang Blau etwa, den einstigen Chefredakteur | |
von Zeit Online und Exredakteur beim Guardian, Tony Blairs Exberater | |
Alastair Campbell, Bild-Chefredakteurin Tanit Koch sowie mehrere | |
Guardian-Journalisten. Deren Analysen über die Folgen des Brexit standen | |
jedoch schon lange vor dem Referendum im Guardian oder der Financial Times, | |
und inzwischen ist man auch nicht schlauer, was die Zukunft bringen wird. | |
Aber man erfährt zumindest etwas über die Vergangenheit: Ein Artikel über | |
die Hanse, die von Großbritannien im 13. Jahrhundert aus Eigeninteresse zu | |
Fall gebracht wurde, ist interessant. | |
Es gehe nicht nur um Brexit, sondern auch darum, „warum wir Europa so | |
geliebt haben“, sagt Matt Kelly. Das ist dann in etwa so, als würde der VfB | |
Stuttgart eine Zeitschrift für die eigenen Fans veröffentlichen, in der die | |
Vorzüge der Bundesliga angepriesen werden, aus der man gerade abgestiegen | |
ist. | |
Die zweite Ausgabe enthält Reisereportagen über Barcelona und Wien, eine | |
Doppelseite über Festivals auf dem Kontinent und einen Wetterbericht, der | |
zeigt, dass es überall wärmer ist als in Großbritannien. Und Ulf Poschardt, | |
Vizechefredakteur von WeltN24, schreibt über Berlin, und man hat das | |
Gefühl, dass er den Artikel schon vor zehn Jahren verfasst und jetzt wieder | |
hervorgekramt hat. Offenbar hatte der Layouter dieses Gefühl auch: Der Text | |
bricht mitten im Satz ab. | |
Auf der letzten Seite bietet das Blatt Pro-EU-T-Shirts für 14,99 Pfund an. | |
Darunter steht eine Anzeige für Immobilien in Frankreich. Dort wären die | |
meisten Brexit-Gegner jetzt wohl gern. | |
22 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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