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# taz.de -- EMtaz: Stimmung in Frankreich: Kein einig Volk von Fans
> Die Proteste in Frankreich gehen zurück. Das liegt nicht an der EM,
> sondern hat banalere Gründe. Im September könnte alles von vorne
> losgehen.
Bild: Und Tour de France ist ja auch noch
Paris taz | Die konservative Opposition in der Nationalversammlung hat
wegen der Arbeitsmarktreform keinen Misstrauensantrag eingereicht. Und der
zentrumsdemokratische Expräsidentschaftskandidat François Bayrou hat dafür
eine einfache Erklärung.
Seine Kollegen hätten offenbar ein Terminproblem. Die rechten Abgeordneten,
die grundsätzlich nur zu gern die Regierung wegen der umstrittenen Reform
zu Fall bringen würden, könnten nicht an der Abstimmung teilnehmen. Denn
diese wäre am Donnerstagabend, also ausgerechnet dann, wenn das
Halbfinalspiel Frankreich gegen Deutschland beginnt!
„Stellen Sie sich das mal vor: Wir haben ein Parlament mit 577
Abgeordneten, und die stärkste Fraktion der Opposition sagt: Pardon, wir
sind leider nicht da… wegen der Fußball-EM und wegen der Schulferien im
Juli!“ Letztlich also wäre Fußball doch wichtiger als die politischen
Streitereien, die Frankreich seit Monaten in Anspruch genommen haben?
Bayrou spottet weiter und rät den Ratskollegen, es gebe doch bestimmt auch
im Palais Bourbon hinter seiner neoklassischen Fassade, in der die
Nationalversammlung tagt, einen Fernseher. Waren diese Bemerkungen wirklich
nur ironisch gemeint?
## Deutliche Ermüdungserscheinungen
Die rechte Opposition hat tatsächlich darauf verzichtet, erneut eine
Vertrauensabstimmung zu fordern, weil die Regierung, gestützt auf den
Verfassungsartikel 49-3, die Vorlage der Arbeitsmarktreform jetzt auch in
der zweiten Lesung ohne Votum für angenommen erklärt hat. Das beweist laut
Bayrou nur, wie sehr sich die politischen Institutionen abgenutzt haben und
zu einem „Schattentheater“ verkommen seien.
Aber auch bei den gewerkschaftlichen und linken Gegnern der Reform machen
sich Ermüdungserscheinungen bemerkbar. Am Dienstag war der zwölfte
landesweite Aktionstag gegen die Revision des Arbeitsrechts, die Zahl der
Demonstrierenden geht von Mal zu Mal zurück. Auch sie schauen die Spiele,
wenn es ihnen die Arbeit, die Streiks und andere Proteste zeitlich
erlauben. Doch die EM ist für sie kein Grund, in diesem zähen Ringen
aufzugeben.
Nichts ist vergessen, nichts vergeben. Wenn in den letzten Wochen die
Streiks im Transport und Energiesektor eingestellt wurden, dann ist das nur
eine vorübergehende Pause. Und hängt weniger mit Fußball oder der Tour de
France zusammen als mit den Sommerferien. Die Ablehnung der Reform ist nach
wie vor groß und ebenso kategorisch wie vor dem Beginn der EM. Umgekehrt
aber haben die radikalsten Gegner der Reform ihre Drohung, in den
Austragungsstädten den Ablauf der EM zu stören, nicht wahrgemacht.
## Kein Opium fürs Volk
Vielleicht hat jedoch die tiefe Spaltung der Gesellschaft nach diesem
sozialpolitischen Konflikt dazu beigetragen, dass trotz der Resultate der
„Bleus“ nicht so recht Jubelstimmung im Land aufkommen konnte. Im
Unterschied zu 1998, als die Franzosen Fußballweltmeister wurden, herrscht
keine demonstrative patriotische Einheit der Fußballnation Frankreich. Es
war diesbezüglich bezeichnend, wie fast mit Neid das Beispiel der Isländer
bewundert wurde, die geschlossen hinter ihrer Nationalelf standen und in
patriotischer Andacht „Huh“ riefen.
Frankreich ist heute definitiv nicht ein solch einig Volk von Fans. Das
hindert die großen Medien aber nicht, den französischen Pessimisten
Ersatzhelden zur Identifikation anzubieten. So wurde auf allen
französischen Kanälen gezeigt, wie vor einer Woche das neue Stürmeridol
Antoine Griezmann dem Sohn eines ermordeten Polizisten den Ball aus dem
Spiel Frankreich – Irland schenkte. Das hat mit der EM wenig, mit dem Image
der Polizei und der gebeutelten Nation aber viel zu tun.
Meinte da jemand in der politischen Chefetage, der Fußball sei Opium für
das Volk und schläfere die Revolte ein? Selbst wenn die „Bleus“ ins Finale
kommen und die EM gewinnen sollten, werden Präsident Hollande und seine
Regierung kein bisschen populärer. Im noch unentschiedenen Konflikt um die
Arbeitsmarktreform ist spätestens für September mit einer Verlängerung zu
rechnen.
6 Jul 2016
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
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